G/GESCHICHTE November 2010

Der Schwarze Tod – Pocken, Pest und Cholera

Liebe Leserinnen und Leser!

„Da war keine Schranke mehr, nicht Götterfurcht, nicht Menschengesetz.“ Mit diesem düsteren Pinselstrich skizziert der griechische Historiker Thukydides die Auswirkung der Pest auf die Bürger Athens 430 v. Chr.

Wo die Pest zuschlägt, gerät die Welt aus den Fugen und nicht nur die Menschen sterben, sondern auch die soziale Ordnung. Als Mitte des 14. Jahrhunderts erneut der Apokalyptische Reiter auf seinem fahlen Pferd durchs Abendland galoppierte, begann eine Zeit des Chaos. Noch bevor überhaupt die Krankheit die Menschen erreicht hatte, brachen Pogrome aus und in vielen Städten wurden die jüdischen Gemeinden ausgelöscht. Andere Gruppen verfielen einem religiösen Wahnsinn und zogen als Geißler durch die Lande, in der Hoffnung durch blutige Selbstbestrafung das göttliche Gericht abwenden zu können. Sobald dann die tödliche Krankheit eine Stadt in ihrem Griff hatte, versagten sämtliche soziale Systeme: Ein Bürger floh vor dem anderen, Eltern ließen ihre Kinder schmählich im Stich, Priester desertierten von ihren Gemeinden und schließlich lagen die Toten unbestattet im Kot und Dreck der Straßen.

Nach der Pest war die Welt eine andere, und der Glaube an die Ordnung der Dinge, der den Menschen des Mittelalters Halt gegeben hatte, war erschüttert. Kein Wunder, dass in den Jahrzehnten, die der Pest folgten, das Denken sich radikal änderte. In Italien schufen Boccaccio und Petrarca die intellektuellen Grundlagen der Renaissance, während in England mit dem Theologen John Wyclif der erste Reformator die historische Bühne betrat. Mit der Pest wird die Neuzeit eingeläutet. Heute haben die Naturwissenschaften dem unsichtbaren Feind ein Gesicht gegeben und wir glauben uns dank Medizin und Hygiene gegen den Gegner gewappnet. Doch diese Sicherheit ist trügerisch. Der fahle Reiter kann jederzeit zurückkehren und wieder Chaos bringen – sein Name lautet Pandemie.

Ihr, Euer

Dr. Klaus Hillingmeier,
Chefredakteur G/GESCHICHTE

Cover Pest

Schwerpunkt dieser Ausgabe

Der ewige Totentanz
Die Kulturgeschichte der Seuchen

Der Tod in Venedig
Ein grausames Tagebuch aus der Pestzeit

Krankenakte Urmensch
Die Zipperlein unserer Vorfahren

Das große Sterben
Antike Seuchen

Der schwarze Tod
Die Pest in Europa

Boccaccio flieht in die Poesie
Das „Decamerone“ und seine Wirkung

Totentänze
Das veränderte Denken

Die Kinder des Lazarus
Leben mit Lepra im Mittelalter

Projektion der Angst
Maler und Dichter

Der furchtbarste Gegner
Krankheiten als Sieger des Krieges

Die Hölle von Panama
Seuchentod beim Kanalbau

Triumph der Wissenschaft
Der Siegeszug moderner Medizin und Hygiene

Alte Bekannte, neue Schrecken
SARS, Ebola und tödliche Grippe

Krankheit aus dem Nichts
Aids

 

Weitere Themen

Blickpunkt
Lawrence von Arabien und der arabische Aufstand

Serie, Rätsel der Geschichte
Die Bundeslade – Jäger der verlorenen Truhe

Geschichte im Alltag
Die Schreibmaschine

Porträt
Leo Tolstoi

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