G/GESCHICHTE Februar 2016

Deutsche Kolonien – Der Alptraum vom Weltreich

Liebe Leserin, lieber Leser,

das deutsche Kolonialreich währte relativ kurz. Es existierte gerade einmal 30 Jahre, von 1884 bis 1914, und war schon bei den Zeitgenossen umstritten. Manche waren restlos begeistert von der Idee, dass Deutschland über ein weltumspannendes Empire gebieten könnte, das dem Großbritanniens vergleichbar wäre. Viele sahen in den Kolonien die Möglichkeit, ein freieres, aufregenderes Leben voller Exotik und fern der sozialen Probleme des eigenen Landes zu führen oder gesellschaftlich aufzusteigen. Andere kritisierten jedoch die meist brutale Ausbeutung der indigenen Bevölkerung – oder auch, dass die Kolonien den Steuerzahler nur Geld kosten würden.

Denn die Gründung der deutschen Kolonien ging meist von Wirtschaftsunternehmen aus. Händler und Kaufleute erwarben recht einfach – durch betrügerische Verträge und falsche Versprechungen – Land in Afrika und der Südsee und rekrutierten mit Gewalt Arbeitskräfte unter den dort ansässigen Bevölkerungsgruppen. Regte sich Protest unter den Einheimischen, forderten sie den deutschen Staat auf, ihre Unternehmungen zu schützen, etwa durch Soldaten – daher die irreführenden Begriffe »Schutzgebiete« und »Schutztruppen« – oder eben durch finanzielle Zuschüsse.

Unser Titelbild zeigt einen Deutschen beim Springen auf einem Zebra in Deutsch-Ostafrika um 1905. Die deutschen Truppen in Afrika setzten neben Zebras auch Ochsen und Kamele als Reittiere ein. Die Tiere bekamen sie unter anderem von dem Tierhändler Carl Hagenbeck, der auch die Völkerschauen im Kaiserreich populär machte, bei denen Menschen aus den Kolonien im Zoo präsentiert wurden (siehe Beitrag ab Seite 56).

Ihr

Klaus Hillingmeier,
Chefredakteur

Schwerpunkt dieser Ausgabe

Deutsche Kolonien
Der Alptraum vom Weltreich

„Ich will keine Kolonien“
Warum Bismarck seine Meinung doch noch änderte

Die Kongogräuel
Leopold II. von Belgien trickste beim „Wettlauf um Afrika“

Die Welt wird aufgeteilt
Entwicklung des Kolonialismus seit den großen Entdeckern

Wasser gegen Kugeln
Die Stämme Deutsch-Ostafrikas im Widerstand gegen Misshandlung und Ausbeutung

Hitlers Vorbild
Carl Peters wollte leben wie ein „Herrenmensch“ – und gründete die größte deutsche Kolonie

Bismarcks Mann in Afrika
Hermann von Wissmann durchquerte als erster Europäer Afrika von West nach Ost. Als Gouverneur versagte er

Die Anfänge von „Südwest“
Missionare, Bergbau, Kaufleute

Der Herero-Aufstand: Völkermord in Deutschlands Namen
Ein Verbrechen im „deutschen Kanada“, das bis heute nachwirkt

„In Namibia ist die Bedeutung des Themas nicht zu übersehen“
Der Autor und ehemalige Geschichtslehrer Bernhard Jaumann über den Völkermord von 1904

Die Kolonien in der Südsee
Zwei Gouverneure bemühen sich um ein humanes Regime

Im Namen des Herren
Missionare zwischen Idealismus, Glaube und Politik

„Ein deutsches Hongkong“
Das Fischerdorf Tsingtau sollte eine Musterkolonie werden

Ode an die Freude
Soldaten der deutschen Kolonie Tsingtau geraten in Kriegsgefangenschaft in Japan

Menschen im Zoo
Völkerschauen machten „Wilde“ zu lebenden Ausstellungsstücken

Das Ende der Kolonien
1918 verlor Deutschland alle Kolonien. Die Öffentlichkeit reagierte verbittert – die Nationalsozialisten profitierten

Weitere Themen

Blickpunkt
500 Jahre Reinheitsgebot – Wie das Bierbrauen sich verändert hat

Serie „Hotels“
Das „Mandarin Oriental“ in Bangkok

Geschichte im Alltag
Zwieback – Gebäck fürs Marschgepäck

Pierre-Auguste Renoir
Der Impressionist feierte die Frauen wie kein Zweiter