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Erfurt

Jüdische Kunst im christlichen Dom

Eine Bronzestatue aus dem Erfurter Dom ist wahrscheinlich jüdischen Ursprungs. Im Hochmittelalter fand die Plastik als Kerzenhalter ihren Weg in die katholische Kirche – doch ursprünglich sollte sie wohl einen anderen Zweck erfüllen. 

Dom hill of Erfurt Germany

Der Mariendom (links) ist die älteste Kirche Erfurts. | © istockphoto.com/de/portfolio/Meinzahn

Wissenschaftler der Universität Erfurt haben möglicherweise Belege dafür gefunden, eine Bronzestatue aus dem Erfurter Dom jüdischen Ursprungs ist.

Die lebensgroße Bronzedarstellung eines Mannes, der mit leicht angewinkelten Armen zwei Kerzen in die Luft streckt, sei demzufolge nicht, wie bislang angenommen im christlichen Kontext entstanden. Und dass, obwohl sie in der ältesten christlichen Kirche der Stadt – dem Dom – steht.

Wen soll die Statue darstellen?

Bislang war die Figur als „Wolfram“ bekannt, da eine Inschrift auf der Bronze, einen gewissen Wolfram und seine Frau Hildburg als Stifter der Statue ausweist. Dies half den Forschern bei der Frage, wen die Figur darstellen sollte, allerdings auch nicht groß weiter: dass sich ein bürgerlicher Stifter in einem so aufwendigen Kunsthandwerk selbst darstellen lassen könnte, sei undenkbar.

In jüdischen Handschriften fand die Arbeitsgruppe einen Hinweis auf die Herkunft des fälschlich benannten „Wolfram“. In einem über 700 Jahre alten Schriftstück wird Aaron, der ältere Bruder Moses, in der gleichen Körperhaltung wie die der Bronzefigur dargestellt.

Bildete dieses Bild die Vorlage für die Bronze? Folgt man dieser These, wurde das Abbild der biblischen Figur wahrscheinlich von der jüdischen Gemeinde der Stadt in Auftrag gegeben.

Ursprünglich ein anderer Zweck

Während die Figur heute als Halter für zwei Stumpenkerzen dient, sei sie an ihrem möglichen ursprünglichen Platz – der Synagoge – wohl als Halterung für die Thorarollen eingesetzt. Diese Schriftrollen werden heute in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt.

Laut der Pressemitteilung der Universität Erfurt wurde die Bronzestatue während des Pogroms vom 21. März 1349 aus der Synagoge entfernt, blieb jedoch in der Stadt. Noch vor 1425 – dies belege eine Inschrift mit einem Nachtgebet aus dem 13. Jahrhundert – soll der „Wolfram“ seinen neuen Platz im Dom gefunden haben.

Katharina Behmer

Zuletzt geändert: 10.03.2016