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Harold gegen Harald

Die Schlacht von Stamford Bridge

Harold Godwinson, der letzte angelsächsische König, starb 1066 bei Hastings. Keine drei Wochen zuvor hatte er in der Schlacht von Stamford Bridge noch die Norweger unter König Harald Hardrada besiegt.

Gedenktafel Stamford Brige

Gedenktafel zur Erinnerung an die Schlacht von Stamford Bridge in England | © istockphoto.com/WoldsRanger

Die Quellenlage über die Schlacht von Stamford Bridge ist äußerst dünn. Das meiste wissen wir aus den Schilderungen des Norwegers Snorri Sturluson, der seine Chronik ein Jahrhundert später verfasste.

Nach ihm war Harald Sigurdsson der größte Krieger des Nordens. Noch ein halber Knabe, gerade einmal 15 Jahre alt, hatte Harald in der Schacht von Stiklestad 1030 an der Seite seines Halbbruders Olaf gekämpft. Olaf fiel, wurde zum christlichen Märtyrer und schließich heilig gesprochen. Harald überlebte, floh verwundet und wurde Söldner. Die nächsten Jahrzehnte zog er – mittlerweile zum furchteinflößenden Hünen herangewachsen – von Schlachtfeld zu Schlachtfeld.

Zuerst diente sein Schwert dem Kiewer Großfürsten Jaroslaw, dann kämpfte er im Dienste des byzantinischen Kaisers in Sizilien gegen Araber und auf dem Balkan gegen Bulgaren. 1046 kehrte er in seine norwegische Heimat zurück, im Gepäck Gold und Schätze, „größer als jemals im Norden gesehen“, wie sein Biograf Snorri Sturluson schrieb.

Harolds Bruder stachelte den norwegischen König an

Von seinen Gefolgsleuten respektiert, von seinen Feinden gefürchtet, gewann er als Harald III. 1047 die Alleinherrschaft über Norwegen. Sein Beiname „Hardrada“ (der Harte) war politisches Programm. 15 Jahre führte er einen brutalen Krieg mit Dänemark, bis beide Könige der Kämpfe müde wurden und Frieden schlossen.

Nun lockte ein neues großes Spiel um Ruhm und Macht. Im Königreich der Angelsachsen war Eduard der Bekenner kinderlos gestorben und 1066 hatte Harold Godwinson den englischen Thron bestiegen. Doch Harolds Anspruch auf die Krone war umstritten und in der Verbannung lauerte ein Todfeind – Tostig Godwinson, sein Bruder. Tostig wusste, dass er niemals alleine Harold entmachten könne. Und so unterbreitete er dem norwegischen König einen Plan: Zusammen sollten sie seinen Bruder stürzen. England würde an Norwegen fallen und Tostig als Vasall seine ehemalige Grafschaft Northumbria zurückerhalten.

Harald hatte nur sehr wage Ansprüche auf den englischen Thron, doch die Insel mit ihren fruchtbaren Feldern und blühenden Städten war eine verlockende Beute für den König. Und wie lange würde er, jetzt 50 Jahre alt, noch selbst Krieger in die Schlacht führen können?

Die Huscarls waren besonders gefürchtete Krieger

In den Fjorden um die Solund Insel versammelte er im Sommer 1066 eine Flotte von 300 Schiffen und an den Ufern kampierten 10 000 Krieger, um gegen England zu ziehen. Doch böse Omen hatten ihre Schatten auf das Heer geworfen. Die Krieger flüsterten von düsteren Träumen, bevölkert von grässlichen Trollfrauen, blutgierigen Wölfen und hungrigen Raben – Leichenpicker des Nordens, die sich auf ihr Festmahl aus Norwegern freuten.

Und dann ist da noch die Warnung des alten Haudegens Ulf Ospakson an den König: „Die Streitmacht des englischen Königs stellen die Huscarls, Männer so tapfer, dass einer von ihnen mehr wert ist, als zwei von deinen Kriegern.“ (Snorri Sturluson)

Bevor Harald zu seinem Abenteuer aufbrach, pilgerte er zur Kirche von Nidaros. Er ließ sich den Schrein Olafs öffnen, um dem heiligen Bruder Fingernägel und Haare zu schneiden. Ein Brauch noch aus den Zeiten der alten Götter, als man geglaubt hatte, die Riesen würden aus den ungeschnittenen Fingernägeln ein Boot mit Segeln aus Menschenhaar bauen, um gegen Wallhall zu fahren.

Dann stach die Flotte in See. Nach einem Zwischenstopp auf den Orkney-Inseln erreichte die norwegische Flotte – nun verstärkt durch Tostig und seine Gefolgsleute – die Nordostküste Englands. Auf dem Humber ruderte man landeinwärts, dann zog man beim Ort Ricall die Schiffe auf das Ufer und marschierte in Richtung York.

Für einen kritischen Moment wankten die Norweger

Am 20. September stieß man bei Fulford auf ein angelsächsisches Heer unter dem Befehl der Grafen Edwin und Morcar. An einem Deich kam es zur Schlacht. Der Widerstand der Angelsachsen war verbissen und für einen kritischen Moment wankte die Flanke der Norweger.

Dann riefen Kriegshörner zum Gegenangriff. Harald stürzte sich mit der Elite seiner Männer auf den Feind. Ein Gewitter aus Schwertern und Äxten bracht los. Die Reihen der Angelsachen brachen und die Schlacht wurde zum Massaker. York war nun bereit zu kapitulieren und stellte Geiseln, worauf Harald ins Schiffslager von Ricall zurückkehrte, um seine nächsten Schritte vorzubereiten.

Die Wikinger wähnten sich bereits als Sieger

Es ist der 25. September, als der König mit einem Teil seiner Männer erneut in Richtung York aufbricht. Die Herbstsonne hat noch erstaunliche Kraft, und da die Wikinger glauben, den Feind vernichtend geschlagen zu haben, lassen die meisten Krieger ihre Kettenhemden im Lager. Gegen Mittag erreicht das norwegische Heer die Brücke von Stamford. Plötzlich sieht man ein fernes Glitzern von Metall. Der englische König ist gekommen!

In Gewaltmärschen hatte Harold sein Heer von der Kanalküste in den Norden getrieben. Die Hälfte seiner Männer sind zeitverpflichtete Freibauern, schlecht bewaffnet und meistens ohne Kampferfahrung. Aber auch die Kämpferelite Englands, die Huscarls, ist da. Die meisten der 3000 Berufskrieger tragen knielange Kettenhemden, schwere Schilde und wissen genau, wie man mit der schweren Axt den Tod in die Reihen des Gegners trägt. Eine andere Abteilung der Huscarls ist beritten und hat gelernt, nach dem normannischen Vorbild als Ritter zu kämpfen.

Tostig rät Harald zum Rückzug, doch Norwegens König ist nicht der Mann, der einem Feind den Rücken zukehrt. Stattdessen schickt er Boten ins Schiffslager, sie sollen die Reserven mobilisieren. Dann wird „Verwüster der Länder“, sein Kriegsbanner mit dem Raben, entrollt und die Männer bereiten sich auf den Kampf vor.

Harolds Bruder Tostig wählte Kampf statt Verrat

Bevor er angreift, schickt König Harold Unterhändler zu Tostig. Er bietet seinem Bruder ein Drittel des Königreichs an. Als Tostig fragt, was er denn König Harald anböte, erhält er die höhnische Antwort: „Sieben Fuß Erde oder sogar etwas mehr, denn er ist ein großer Mann.“ Tostig wählt den Kampf statt den bequemen Verrat. Er und seine Gefolgsleute gliedern sich in die Reihen Haralds ein. Die Norweger bilden einen Schildwall und Speere werden zur Abwehr in die Erde gerammt. Angriffswelle auf Angriffswelle der Huscarls bricht sich am Schildwall der Norweger. Plötzlich Chaos.

Die Schlachtlinie hat sich aufgelöst, die feindlichen Reiter preschen durch die Reihen der Wikinger. Wie vor fünf Tagen in Fulford will Harald erneut das Schlachtenglück wenden. Er stürzt sich mit seinen besten Männern ins dichteste Kampfgetümmel. Ohne Kettenhemd, ohne Schild, in jeder Hand eine Waffe und erfüllt vom Zorn auf den Feind, erinnert er mehr an einen Berserker als an einen König. Sein Schwert zerfetzt Kettenhemden und spaltet Helme.

Später wird ein Skalde sein Tollkühnheit mit den Zeilen besingen: „Norwegens König hatte nichts, um seine Brust in der Schlacht zu schützen. Und doch sein kriegsbewährtes Herz blieb fest entschlossen. Die Krieger Norwegens sahen, wie das Blut vom Schwert ihres mutigen Anführers tropfte als es die Feinde niederstreckte“.

Ein Pfeil tötete den „letzten Wikinger“

Nichts scheint Harald aufhalten zu können. Dann durchschlägt ein Pfeil seine Kehle. Der größte Krieger des Nordens, „der letzte Wikinger“, ist tot. Für einige Minuten legt sich der Schlachtensturm. Harold will verhandeln. Aber die Norweger und Tostig bleiben halsstarrig. Und jetzt kommt die Verstärkung von den Schiffen: Männer in voller Rüstung, bereit den Tod ihres Königs zu rächen. Der Kampf lodert wieder auf. Doch der Feind ist übermächtig. Am späten Nachmittag sind fast alle Wikinger erschlagen, auch Tostig und seine Männer bleiben auf dem Schlachtfeld. Die Raben haben ihr Festmahl bekommen.

Klaus Hillingmeier

Der Artikel erschien erstmals in G/Geschichte 3/2013 „Die Wikinger“

 

Zuletzt geändert: 17.08.2016