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Edgar Aetheling

Englands vergessener König

Im Jahre 1066 wurde Wilhelm der Eroberer König von England. Doch er war nicht unangefochten. Zahlreiche Widersacher machten ihm den Thron streitig. Einer der eher unbekannten Kandidaten war Edgar Aetheling.

Teppich von Bayeux

Eduard der Bekenner verstarb kinderlos. Zu den zahlreichen Verwandten, die sich um seine Nachfolge stritten, gehörten Harold Godwinson (im Bild) und auch sein Großneffe Edgar Aetheling | © istockphoto.com/Duncan Walker

 

Edgar war um das Jahr 1051 als einziger Sohn des designierten englischen Königs Eduard Aetheling und als Enkel von König Edmund II. Ironside in Ungarn geboren worden. Als sein Vater 1057 starb, entschied sich der amtierende König, Edward der Bekenner, für einen anderen Kandidaten und Edgar ging leer aus. Das war auch im Januar 1066 der Fall, als die Versammlung der Sächsischen Ältesten (Witan) davor zurückschreckte, einen Teenager zum König zu wählen. Stattdessen wurde Edwards Schwager Harold Godwinson auf den Thron gehoben. Lange konnte der seinen Posten jedoch nicht genießen, denn schon am 14. Oktober fiel er in der Schlacht von Hastings. Nun hatte Edgar seinen kurzen Auftritt, denn der Witan wählte nun ihn zum König und Stigand, der Erzbischof von Canterbury, krönte ihn. Doch der unerfahrene junge Mann hatte gegen den anrückenden Wilhelm keine Chance und tat das einzig richtige, er unterwarf sich.

Edgar war wie ein Stehaufmännchen

Wilhelm kehrte bald darauf in die Normandie zurück und nahm den jungen Edgar mit sich. Der hatte sich mit seiner untergeordneten Rolle jedoch keineswegs abgefunden und probte 1068 gemeinsam mit den Earls Edwine und Morcar den Aufstand. Mit dem Erfolg, dass er sich kurz darauf als Flüchtling bei seiner ältesten Schwester Margaret wiederfand, die den schottischen König Malcolm III. geheiratet hatte.

Edgars Misserfolge setzten sich im folgenden Jahr fort, als er sich einem missglückten Aufstand der Bevölkerung von York anschloss. Erneut musste er sich bei seinem Schwager in Sicherheit bringen. Doch das Stehaufmännchen Edgar sah sich wieder im Aufwind, als der dänische König Sven im Sommer 1069 eine Flotte von 240 Schiffen nach England schickte, um seinen Anspruch auf den Thron kund zu tun. Doch gegen Wilhelm half das nicht und Edgar floh erneut nach Schottland.

Nach Wilhelms Tod blieb Edgar ein Machtfaktor

1072 kam es zwischen Wilhelm und Malcolm zum Vertrag von Abernethy, in dem sich die beiden einigten und sich Malcolm dem Normannen beugte. Welches Schicksal für Edgar in dem Vertrag vorgesehen war, ist nicht ganz klar, aber sein Widerstand gegen Wilhelm scheint gebrochen gewesen zu sein, denn im Jahr 1081 finden wir ihn an dessen Seite bei einem Kriegszug gegen Südwales.

Die glücklose Geschichte Edgars ging noch weiter. Als Wilhelm der Eroberer 1087 starb, schlug sich Edgar zunächst auf die Seite von Robert Kurzhose. Dem war von seinem Vater Wilhelm die Herrschaft über die Normandie übertragen worden, während in England Roberts jüngerer Bruder, Wilhelm II. (Rufus), regierte. Edgar scheint sich mit Wilhelm II. arrangiert zu haben, denn um 1097 führte er eine englische Armee nach Schottland, um den dortigen Usurpator Donald Brane abzusetzen.

Auch am Ersten Kreuzzug nahm Edgar teil

Sympathien hegte er wohl auch weiterhin für Robert, denn im Sommer 1098 finden wir ihn in Antiochia. Robert hatte bereits 1096 seine Ländereien an Rufus verpfändet, um das Kreuz nehmen zu können. Am 15. Juli 1099 stürmte er schließlich mit dem Kreuzfahrerheer Jerusalem. Mit von der Partie war Edgar Aetheling.

Kaum zurück in England, war er 1101 auch schon wieder an der Seite seines Freundes Robert in einen neuen Kampf um den Thron verwickelt. Diesmal ging es gegen Roberts jüngsten Bruder Henry, der im Jahr zuvor die Nachfolge angetreten hatte. Aber erneut ging Edgar leer aus, denn Henry I. siegte in der Schlacht von Tinchebray und sperrte seinen Bruder lebenslänglich ein. Edgar wurde begnadigt und hatte nun endgültig genug. Er zog sich an die Grenze zwischen Hampshire und Sussex zurück und starb 1125 oder kurz danach. Da er weder Frau noch Kinder hatte, verliert sich die Spur dieses vergessenen englischen Königs.

Klaus-Dieter Dollhopf

Zuletzt geändert: 17.08.2016