« zurück
Eine etruskische Erfindung?

Gladiatorenspiele

Gladiatorenspiele waren fester Bestandteil der römischen Unterhaltungsindustrie. Ihren Ursprung hatten sie im Totenkult der Etrusker.

Gladiatorenkämpfe sind heute vor allem als römische Institution bekannt. Erfunden haben sie aber die Etrusker. | © istockphoto.com/aeduard

Wissenschaftler wie Geschichtsschreiber haben so ihre Probleme mit den sogenannten ludi gladiatori, den Gladiatorenspielen. Man bedenke: Rom sah sich gerne als Wiege der Zivilisation. Recht und Ordnung spielten eine große Rolle. Wie konnte es nun sein, dass in dieser Zivilisation Menschen gegeneinander oder gegen wilde Bestien auf Leben und Tod kämpften? Meistens wartete ein sehr grausamer Tod auf den Unterlegenen. Und wie sollte man weiter verstehen, dass der Staat diese „Spiele“ finanzierte und das Volk sie mit größter Leidenschaft verfolgte? Man muss zurück zu den Anfängen, um zu erklären, wo der Ursprung der ersten Gladiatoren lag.

Gräber im Etruskerland Tarquinia zeigen Kampfspiele

Eine winzige Notiz des Rhetorikers Athenaios aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., basierend auf dem Geschichtsschreiber Nikolaos von Damaskus, liefert wohl den Hinweis auf den Ursprung der Spiele. Es wird behauptet, dass die Römer die Sitte der Spiele von den Etruskern übernommen hätten. Das Phersu-Spiel findet sich in Grabdarstellungen in Tarquinia, in der italienischen Region Latium, datiert zwischen 540 und 520 v. Chr. Die Darstellungen zeigen, wie ein Mann, bewaffnet mit einem Stock, gegen einen Hund kämpft, der wiederum von einem Dritten aufgehetzt wird. Dieser Dritte trägt eine Maske und den Namen Phersu. Von diesem etruskischen Wort wird das lateinische Wort persona (Maske) abgeleitet.

Hinrichtung, Menschenopfer oder Totenverehrung?

Die Darstellungen des Spiels sind Teil eines Gesamtbildes, welches wiederum die traditionellen Athletenwettkämpfe zu Ehren eines Verstorbenen zeigt. Sehr leicht könnte man also zu dem Schluss kommen, dass das Phersu-Spiel auch etwas mit den Bestattungsriten zu tun haben könnte. Doch ist diese Theorie haltbar und leitet sich vom etruskischen Spiel der römische Gladiatorenkampf ab?

Zweifel sind angebracht, denn es kämpften nicht zwei Männer gegeneinander, sondern es liegt die Vermutung nahe, dass es sich eher um eine grausame Hinrichtung durch Raubtiere handelte. In den Nekropolen der von den Griechen gegründeten Stadt Paestum in Kampanien finden sich zahlreiche Grabmalereien, allesamt datiert zwischen 370 und 340 v. Chr., die neben athletischen Wettkämpfen zu Ehren eines Bestatteten eben auch Zweikämpfe zwischen bewaffneten Männern zeigen. In einigen Darstellungen ist ein dritter Mann, wohl eine Art Kampfrichter erkennbar. Dessen Existenz lässt auf organisierte Kämpfe mit festen Regeln schließen. Es handelte sich wohl nicht nur um Menschenopfer am Grab eines Verstorbenen.

Die Spiele sollten die Seelen der Toten versöhnen

Offensichtlich haben die sakralen Rituale, die sich eben auf die Welt der Toten bezogen, mit der Entstehung der Kämpfe auf Leben und Tod zu tun. Der Kirchenvater Tertullian beschrieb es so, dass die Gladiatorenkämpfe die Folge jener Bestattungsriten waren, mit denen die Seelen der Verstorbenen versöhnt werden sollten. Munus, im Plural munera, ist der am häufigsten verwendete Begriff für die Spiele. Er kann mit Ehrerbietung, letzter Liebesdienst oder auch Verpflichtung übersetzt werden. Der Hinweis auf das Einlösen von Pflichten gegenüber den Toten ist also durchaus gegeben.

Mögliche Usprünge in Kampanien

Einen weiteren Beleg für den kampanischen Ursprung der munera könnte eine der ältesten Gladiatorengattungen liefern, die der samnites. Eine klare Ableitung vom Stamm der Samniten, der seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in Kampanien lebte, ist erkennbar. In Kampanien sind seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. auch die ersten gemauerten Amphitheater bezeugt. Organisation und Regeln der Kämpfe könnten also hier ihren Ursprung haben – lange bevor sie in Rom zu einem Massenphänomen wurden. Besonders in Pompeji und Capua genossen die Kämpfe ungemeine Popularität.

Der erste römische Gladiatorenkampf

Der erste Gladiatorenkampf in Rom lässt sich auf das Jahr 264 v. Chr. datieren. Livius und Valerius Maximus berichteten, dass Marcus und Decimus Junius Brutus zu Ehren ihres Vaters, des Altkonsuls Junius Brutus Pera, drei Paare gegeneinander antreten ließen. Die Veranstaltung fand auf dem Forum Boarium (Rindermarkt) statt und zeigte, dass auch in Rom zunächst der private Anlass zu Kämpfen führte. Die Kämpfe mit ihrem morbiden Reiz infizierten das römische Volk wie ein Virus. 216 v. Chr. fochten bereits 22 Paare zu Ehren des Marcus Aemilius Lepidus, 200 v. Chr. 25 und 174 v. Chr. waren es gar 74 Gladiatoren, die an den Vater von Titus Flaminius erinnerten.

Und die Spiele blieben nicht auf Rom beschränkt. 206 v. Chr. war Cartagena in Spanien der Schauplatz einer Gladiatur und wenige Jahre später inszenierte Antiochos IV. die ersten großangelegten Kämpfe in Syrien. In der späten Republik verbreiteten sich diese blutigen Inszenierungen zudem immer mehr als fester Bestandteil der Truppenbetreuung.

 

Jochen Zellner

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 2/2013 „Gladiatoren“

Zuletzt geändert: 22.5.2019