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Interview mit Peter Pfälzner

Graben am Rand der Sicherheit

Jahrelang forschte der Archäologe Peter Pfälzner in Syrien, seit einiger Zeit auch wieder im Irak und dem Iran. Von Krisenstimmung gibt es bei ihm im Gespräch mit G/GESCHICHTE keine Spur.

Perfekte Bedingungen in Kurdistan: Den Irak nur als Krisengebiet zu sehen ist in Peter Pfälzners Augen zu einseitig | © Peter Pfälzner

Herr Pfälzner, Sie arbeiten aktuell an einem archäologischen Projekt im Nordirak. Muss man sich Sorgen um Sie machen?

Peter Pfälzner: Nein, bestimmt nicht. Der Nordirak, genauer die autonome Region Kurdistan, hat sich als sehr sicheres Gebiet erwiesen. Es gibt keinerlei politische Probleme, Angriffe und Anschläge oder ähnliches. Perfekte Bedingungen für uns Archäologen.

Wie muss man sich Ihre Arbeitsbedingungen vor Ort derzeit vorstellen?

Peter Pfälzner: Wir arbeiten 45 Kilometer vom IS-Territorium entfernt. Dazwischen liegt eine dreifach gestaffelte Frontlinie und dahinter ist es völlig ruhig. Das ist wie ein anderes Land. Wir sind auch nicht die einzigen, die gerade in irakisch Kurdistan arbeiten. In allen drei Teilregionen – Dohuk, Erbil und Süleymaniye – sprießen die Projekte nur so aus dem Boden. Da sind deutsche, polnische, amerikanische, italienische, britische, holländische Kollegen und mehr. Kurdistan ist quasi zum neuen Eldorado für die Vorderasiatische Archäologie geworden – nicht zuletzt aufgrund der guten Arbeitsbedingungen und hohen Sicherheitsstandards.

„Viele Menschen sehen nur den krisengeplagten Irak“

Der Irak ist also völlig sicher?

Peter Pfälzner: Viele Menschen schauen auf die Landkarte und sehen nur den einen krisengeplagten Irak. Bei genauerer Betrachtung sind die einzelnen Gebiete dort aber völlig unterschiedlich, was die Sicherheit betrifft. Anders sieht es zum Beispiel im Südirak aus, die Region Kurdistan ist aber unbedenklich. Es gab 2014 einen kurzen Knick, weil unklar war, ob der IS es schafft, in die Region vorzudringen. Aber bisher hat er es an keiner Stelle geschafft und wurde auch zurückgedrängt, sodass er jetzt keine direkte Gefahr mehr bildet. Es bleibt die latente Gefahr von IS-Anschlägen, wie man sie überall auf der Welt hat, ob in Paris oder sonst wo.

Können Sie sich bei Ihrer Arbeit völlig frei bewegen oder begleiten Sie bewaffnete Sicherheitskräfte?

Peter Pfälzner: Bewaffneter Schutz ist in Kurdistan nicht notwendig, den benötigen die Kollegen im Südirak. Hier kann man sich frei bewegen. Wir wohnen in der Stadt Dohuk, haben unsere eigenen Autos und können völlig frei umherfahren. Wir gehen kein Risiko ein. Wir als Projektleiter haben ja die Verantwortung nicht nur für uns selbst, sondern für das Team, für die Studenten et cetera. Ich glaube, mit bewaffnetem Schutz könnte man nicht längerfristig arbeiten. Dann kommt niemand dorthin mit.

Politischen Brennpunkten auszuweichen ist für Peter Pfälzner fester Bestandteil seiner Arbeit | © Marc Steinmetz

Wie gehen Sie mit Reisewarnungen des Auswärtigen Amts um?

Peter Pfälzner: Die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts beziehen sich eher auf Reisen im Allgemeinen. Als Archäologen haben wir einen anderen Status: Wir kennen die Leute dort und sind nicht in unbekanntem Gebiet unterwegs. Wir arbeiten mit den lokalen Behörden zusammen, und die haben natürlich auch kein Interesse, in Regionen zu arbeiten, in denen es nicht sicher ist. Wir pflegen aber auch guten Kontakt zum Auswärtigen Amt und zum deutschen Konsulat in Erbil – und besprechen, was sie für gefährlich oder unbedenklich halten.

Haben Sie schon zu Beginn Ihres Berufswegs damit gerechnet, dass die Arbeitsgebiete zu Krisenregionen werden können?

Peter Pfälzner: Das war mir von Anfang an bewusst. Als ich 1979 angefangen habe zu studieren, war der Iran, das Forschungsland der Vorderasiatischen Archäologie schlechthin – wirklich alle haben dort gearbeitet. Dann kam die Iranische Revolution und die Archäologie dort war für Ausländer dort zunächst unmöglich. Alle Archäologen sind nach Syrien gegangen, haben dort gearbeitet – ich ja dann auch. Seit 2011 ist das Arbeiten auch in Syrien nicht mehr möglich und alle ziehen nach Kurdistan, weil man dort perfekt arbeiten kann. Auch der Iran hat sich inzwischen wieder für uns Archäologen geöffnet. Politischen Brennpunkten auszuweichen hin zu sicheren Gebieten ist seit jeher ein fester Bestandteil der Vorderasiatischen Archäologie.

„Regionen wie Kurdistan, das sind nicht nur Flüchtlinge“

Hat sich seit Ihren Anfängen Ihre Einstellung dieser Situation gegenüber gewandelt?

Peter Pfälzner: Eigentlich nicht. Man muss das realistisch sehen: Man kann nur dort arbeiten, wo es die politische Situation gerade zulässt. Und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Wir wissen ja nicht, was künftig passiert. Jetzt gehen alle nach Kurdistan, und vielleicht ist es in 20 Jahren wieder eine ganz andere Region.

Gibt es einen Königsweg, mit der immer wieder wechselnden politischen Situation umzugehen?

Peter Pfälzner: Wichtig ist, dass wir als Archäologen unsere Arbeit nicht nur machen, weil wir Spaß daran haben oder weil wir neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Tage fördern wollen. Es geht auch um die Unterstützung dieser Länder, etwa darin, ihr Kulturerbe zu bewahren. Als weiterer Aspekt kommt aber auch die Außenwirkung hinzu. Bisher werden die Länder in Europa nur sehr einseitig wahrgenommen. Regionen wie Kurdistan, das sind aber nicht nur Flüchtlinge, das sind auch wahnsinnig reiche Kulturregionen, durch die die Menschen geprägt sind. Diese kulturelle Identität gilt es zu stärken.

Das Interview führte Sebastian Kirschner

Zuletzt geändert: 16.12.2016