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Das Christentum auf dem Weg zur Staatsreligion

Konstantins Wende

Unter Konstantin fanden sich die Christen erstmals auf Seiten der Herrschenden wieder – eine Wende von weltgeschichtlicher Bedeutung. Von einem Herd des Widerstands wurde die christliche Kirche zu einer Institution, die Herrscher und Staat stützte.

Mosaik Hagia Sophia

Darstellung von Kaiser Konstantin I., genannt der Große, auf einem Mosaik in der Hagia Sophia in Istanbul (rechts) | © istockphoto.com/ca2hill

War Kaiser Konstantin ein Christ? Wer glaubt, er könne auf diese Frage von Experten eine eindeutige Antwort bekommen, der irrt. Klaus Martin Girardet („Die Konstantinische Wende“) sagt: „Aus meiner Sicht ist Konstantin im antiken Verständnis von Christsein ein Christ gewesen. Konstantin war der erste christliche Kaiser.“ Manfred Clauss („Konstantin der Große und seine Zeit“) ist da viel zurückhaltender: „Konstantin hatte einen Schutzgott, und dieser Schutzgott war ein Sonnengott, und dieser Sonnengott erschien in mehreren Gestalten: als Sol, als Apoll und dann irgendwann als Christus.“

Getauft wurde Konstantin erst auf dem Sterbebett – wobei manche Experten das für spätere Propaganda halten. Inwieweit er sich selbst mit der Religion identifizierte, lässt sich anhand der Quellen nicht mit Sicherheit sagen. Ein Mann der Nächstenliebe war er nicht, doch das gilt auch für spätere Herrscher, die selbst keinen Zweifel daran hatten, fromme Christen zu sein. Viel entscheidender als Konstantins private Überzeugungen ist, dass er das Christentum nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke konsequent gefördert hat.

Konstantins Beschlüsse wirken bis heute nach

Der erste Schritt dazu war die sogenannte Mailänder Vereinbarung von 313. Darin einigte er sich mit Licinius, dem Kaiser der Osthälfe des Reiches, darauf, allgemeine Religionsfreiheit einzuführen, auch für Christen. Außerdem sollten sie Güter zurückbekommen, die während der Verfolgungen beschlagnahmt worden waren. Die christliche Kirche wurde als Körper des öffentlichen Rechts anerkannt. Eine Regelung, die bis heute nachwirkt: Das Asylrecht der römischen Tempel wurde auch für die christlichen Gotteshäuser anerkannt.

Umstritten ist, ob Konstantin oder Licinius die treibende Kraft hinter dieser Vereinbarung war. Der Ostteil des Reiches war mit etwa zehn bis 15 Prozent viel stärker christianisiert als Konstantins Westen, wo gerade einmal geschätzte fünf Prozent der Bevölkerung christlich waren. Daher hätte Licinius noch stärker an einer solchen Regelung interessiert sein müssen. Es kann aber auch sein, dass Konstantin schon zu diesem Zeitpunkt beschlossen hatte, dem Christentum zum Aufstieg zu verhelfen. Unabhängig davon, wie er persönlich dazu stand, erkannte er möglicherweise das Potenzial dieses Glaubens, zur Einheitsreligion des Reiches zu werden. „Wenn einmal alle Römer den christlichen Glauben angenommen hatten, konnte es nie mehr einen Bürgerkrieg geben“, schreibt der Konstantin-Biograf Klaus Rosen.

Die Christen beeindruckten viele Römer

Was dem Berufssoldaten Konstantin mit Sicherheit imponiert hat: Die christliche Untergrundkirche war streng hierarchisch organisiert und arbeitete effektiv. Zudem hatten sich die Christen als sehr standhaft erwiesen. Im Zeitalter der sprichwörtlich gewordenen „spätrömischen Dekadenz“ beeindruckte das viele Menschen tief, auch wenn sie selbst keine Christen wurden. Konstantin hatte ein großes Ziel, und das war die Alleinherrschaft über ein geeintes Gesamtreich. In diesem Zusammenhang war es ihm auch wichtig, Konflikte unter den Christen zu schlichten. Sobald die Christen nicht mehr verfolgt wurden und gegen keinen gemeinsamen Feind mehr zusammenstehen mussten, traten Auseinandersetzungen unter ihnen offen zutage.

Um die verschiedenen Strömungen auf eine Linie zu bringen, berief Konstantin zweimal ein Konzil ein: Beim Konzil von Arles ging es im Jahr 314 um die nordafrikanischen Donatisten. Sie vertraten die Auffassung: Priester, die vom Glauben abgefallen sind, sind unwürdig – die von ihnen gespendeten Sakramente wie Taufen oder Eheschließungen wirkungslos. Diese Auffassung wurde von dem Konzil verworfen. Das Konzil von Nicäa musste elf Jahre später ein noch grundsätzlicheres Problem lösen: War Jesus ein Mensch oder ein Gott? Diese Diskussion beschäftigte auch die einfachen Christen. Es war ja vor allem Jesus, der die Menschen faszinierte und ihnen ein Leben nach dem Tod versprochen hatte – weniger der ferne, kaum fassbare Gottvater.

Konstantin förderte die Kirche vielfach

Deswegen wollten viele Gläubige auf keinen Fall, dass Jesus zum bloßen Werkzeug Gottes degradiert wurde. Konstantin dominierte das Konzil, inszenierte sich selbst als Pontifex maximus und oberster Leiter der Kirche, der selbstverständlich auch die letzte Entscheidungsgewalt innehatte. Angeblich soll er während des Konzils selbst die Kompromissformel gefunden haben, dass Jesus und Gott wesensgleich seien. Damit war das Konzil der Moment, in dem Jesus zum Gott erhoben wurde.

Konstantin begünstigte die christliche Kirche auch auf andere Weise: Er stiftete in Rom die Lateranbasilika und den Vorläufer des Petersdoms. Der Bautyp der mehrschiffigen Basilika war römischen Gerichts- und Markthallen nachempfunden, damit er auf keinen Fall an die heidnischen Säulentempel erinnerte. So wurden Profanbauten zum Vorbild für christliche Kirchen. Konstantin gewährte der Kirche auch das Recht, Zivilverfahren zu entscheiden. Der „Apostelgleiche“, wie er sich nennen ließ, entband christliche Kleriker von sämtlichen Steuern und führte den Sonntag als Ruhetag ein. Nach und nach wuchsen der Kirche immer mehr Privilegien zu, auch wenn heidnische Kulte vorerst legal blieben. Dadurch änderte sich umgekehrt auch die Haltung der Kirche zum Staat: Sie rechtfertigte jetzt den Herrschaftsanspruch des Kaisers theologisch. Die Ostkirche verehrte den Mörder von Frau und Sohn schließlich sogar als Heiligen.

Christoph Driessen

Der Artikel erschien erstmals in G/Geschichte 12/2015 „Konstantin der Große“

Zuletzt geändert: 14.12.2016