Karl der Große – Pate des Abendlandes
Liebe Leserinnen und Leser!
„Seine Stärke war so gewaltig, dass er mit einem einzigen Hieb seines Schwertes einen gepanzerten Ritter auf dem Pferde vom Haupt bis zu den Füßen und mit dem gleichen Hiebe noch das Pferd zerspalten konnte.“ Als ein anonymer Verfasser um das Jahr 1150 die „Geschichte Karls des Großen“ niederschrieb, war der Kaiser längst eine legendäre Figur, die jeden Rahmen sprengte. Zusammen mit Artus und dem Kreuzfahrer Gottfried von Bouillon zählte er zu den drei auserwählten Helden der Christenheit. 1165 wurde Karl sogar auf Initiative Friedrich Barbarossas durch den staufertreuen Gegenpapst Paschalis III. heilig gesprochen.
Ein Heiliger war der Herrscher sicherlich nicht. Karl war ein notorischer Ehebrecher und Vater einer stattlichen Zahl unehelicher Kinder. Der Mönch Wetti von Reichenau vermutete deshalb den Kaiser nach seinem Ableben in der Hölle, wo eine Bestie seine Genitalien zerfetze: „Dieser Fürst hat viel Lobwürdiges getan und Gott sehr Wohlgefälliges, doch den Lockungen des Fleisches hat er nie wiederstehen können.“
Vermutlich verstand ein frommer Mann wie Wetti nicht, dass jemand, der den christlichen Glauben verteidigt hatte und nicht müde geworden war, Bischöfe, Äbte und Mönche zu keuschen und gottgefälligen Lebenswandel zu ermahnen, zugleich das Leben in vollen Zügen hatte genießen können. Aber was wäre Karl ohne seine fast übermenschliche Vitalität und Virilität gewesen? Im Mittelalter wurden Imperien auf dem Schlachtfeld geboren.
Nur ein Kriegerkönig konnte den Mauren die Stirn bieten, die Awaren vertreiben, die Sachsen zähmen und das Königreich der Langobarden unterwerfen. Ein Widerspruch zum Mäzen der Künste und Förderer der Gelehrsamkeit? Nein! Karls Machtpolitik schuf das solide Fundament, auf dem die kulturelle Einheit des Abendlandes errichtet werden konnte. Schon zu Lebzeiten wurde er deshalb als „Vater Europas“ gepriesen.
Auf dem Zenit der Macht erhielt er die Kaiserkrone – ein Augustus aus den einst barbarischen Ländern des Nordens. Was Karl mit dem Schwert geschaffen hatte, zerfiel rasch nach seinem Tod. Auf den Trümmern seines Imperiums erblühten neue Reiche. Doch der Franke blieb Vorbild und Maßstab sowohl für französische Könige als auch für römisch-deutsche Kaiser. Karl war eben überlebensgroß.
Ihr, Euer
Dr. Klaus Hillingmeier
Chefredakteur
Schwerpunkt dieser Ausgabe
Der Kaiser und der Kalif
Wie Karl der Große zu dem weißen Elefanten Abul Abbas kam
Momentaufnahme 768
Das Frankenreich in der Krise
Die Awaren
Ein Volk reitet aus der Geschichte
Aufsteiger
Die Karriere der Karolinger
Jugendjahre eines Königs
Wie Karl ein Großer wurde
Dreißig Jahre Krieg
Karl gegen die Sachsen
Schuldig?
Die Akte Tassilo von Bayern
Der Ritt nach Roncesvalles
Entstehung des Rolandsmythos
Kaiser des Abendlandes
Wie man Erbe der römischen Imperatoren wird
Offa von Mercia
König der Angelsachsen
„Die Lockungen des Fleisches“
Fünf Ehefrauen sind Karl offensichtliche nicht genug
Renaissance im Norden
Aachen entwickelt sich zur Kulturmetropole
Gichtiger Greis
Ein Gigant wird alt
Momentaufnahme 814
Das Frankenreich auf dem Zenit seiner Macht
Das Reich zerfällt
Erbschaftsstreit auf Fränkisch
Vom Sachsenschlächter zum „Vater Europas“
Das Karlsbild im Wandel
Weitere Themen
Blickpunkt
Die Pinochet-Junta stürzt Allende
Serie – Die Weltwunder
Golden Gate Bridge
Geschichte im Alltag
Die Schraube
Porträt
Romy Schneider – Jenseits von Sissi