G/GESCHICHTE Juni 2017

Mythos Indien – Die Ära der Großmoguln

Liebe Leserin, lieber Leser,

kein Gebäude lässt sich mit dem Taj Mahal vergleichen: Das Grabmal ist von unerwarteter Monumentalität und wirkt dabei fast zerbrechlich. Längst zum nationalen Symbol Indiens avanciert, ist der Taj Mahal doch das Vermächtnis einer islamischen Dynastie, die als Eroberer auf den Subkontinent kam und in deren Adern das Blut Dschinghis Khans und Timurs floss: die Moguln. 1526 hatte Babur dank mobiler Artillerie über die Elefanten des Sultans von Delhi triumphiert und ein Reich begründet, das sich von Bergen Afghanistan bis zum Ganges ausdehnte.

Der Schlüssel zum Erfolg der Moguln hieß Toleranz. Baburs Enkel, Akbar der Große, vereinte Realpolitik und Mystik in einer Person. Seine Verwaltungsreform integrierte die Eliten der Kriegerkaste in sein Lehenssystem und eine neue Gesetzgebung befreite alle anderen Hindu-Untertanen von diskriminierenden Kopf- und Pilgersteuern. Als er sein Reich auf solide Fundamente gestellt hatte, kam die Zeit für eine der kühnsten Visionen der Menschheitsgeschichte: die Religionen miteinander zu versöhnen.

Der Totengräber dieser Utopie hieß Aurangzeb. Der sechste Großmogul ließ Hindu-Tempel zerstören, errichtete auf ihren Trümmern Moscheen und befahl seinen Heerführern, den Süden des Subkontinents zu unterwerfen. Als Aurangzeb 1707 starb, war das Imperium so riesig wie morsch. Sikhs, Marathen und Rajputen schärften ihre Waffen für den Kampf gegen Delhi. Und wie Geier warteten die europäischen Mächte, allen voran die Briten, auf ihre Chance, sich auf den Kadaver des Mogulreiches zu stürzen.

Ihr

Klaus Hillingmeier,
Chefredakteur

Themen dieser Ausgabe

Zerrissenes Erbe
Was nach der Kolonialherrschaft kam

Der Tiger verschlingt Indien
Der „Mongole“ Babur wird vom Aggressor zum Landesvater

Gott ist ein Ozean
Akbar der Große will die Religionen versöhnen

Chintz
Wie ganz Europa den Farben Indiens verfiel

Der Taj Mahal
Leidenschaft in Marmor

Harem
Einblick in eine verbotene Welt

Augentrost und Morgenbrise
Warum die Großmoguln ihre Elefanten vergötterten

Ein Franzose in Indien
Der Diamantenhändler Jean-Baptiste Tavernier

Dieser verdammte Diamant
Der Koh-I-Noor brachte wenigen Glück, vielen den Tod

Der Totengräber auf dem Pfauenthron
Aurangzeb sorgt für den Niedergang des Mogulreichs

Der letzte Großmogul
Bahadur Schah wird zum Verlierer der Geschichte

Land der Tausend Götter
Indiens Religionsvielfalt

Kämpfer vor keinem Herren
Salman Rushdie und die Satanischen Verse

 

Weitere Themen

Blickpunkt
Fake News – Wenn Wahrheit Ansichtssache ist

Serie: „Menschen und Gärten“
Churchills Blenheim Palace – Natur, aber nach Plan

Geschichte im Alltag
Der Spielplatz – Von der Talentschmiede zum „Kinderreservat“

Porträt
Wilhelm von Humboldt – Preußischer Freigeist