G/GESCHICHTE Januar 2023

Die Hunnen – Attilas Krieger überrollen Europa

Liebe Leserin, lieber Leser,

Grausamkeit und Toleranz sind Begriffe, die in heutiger Zeit nicht recht zusammenpassen. Jedenfalls rühmen sich unsere westlichen Regierungen gerne ihrer Menschlichkeit und Toleranz, während mehr oder weniger feindlich gesinnte Autokratien wegen ihrer Grausamkeit und Intoleranz verurteilt werden. Die Begriffspaare anders zu kombinieren, ist definitiv nicht üblich. Oder kennen Sie ein Regime, das etwa als menschlich und intolerant tituliert wird? (Falls ja, schreiben Sie uns gerne an g@roularta.de.)

Manche Aspekte der Hunnen erscheinen uns vielleicht auch deswegen so fremd. Nahezu sämtliche Quellen vom Römischen Reich über Indien bis China betonen die außerordentliche Grausamkeit der hunnischen Völker – was den Verdacht nahelegt, dass diese tatsächlich grausam vorgingen. Auf der anderen Seite erlaubte es Attila allen Unterworfenen in seinem Reich, nach eigener Fasson selig zu werden. »Das war alles andere als ein totalitärer Staat«, urteilt Professor Falko Daim im Interview ab Seite 60. Die Hunnen zeigten sich derart offen und tolerant, dass eine spezifisch hunnische Kultur und Religion heute kaum mehr auszumachen sind.

Mit dieser Vorgehensweise standen sie nicht allein: Auch die Römer kombinierten vor ihrer Christianisierung erschütternde Grausamkeit mit hoher Toleranz. Völkermorde, Massenversklavungen und entsetzlich qualvolle Hinrichtungen gehörten zum Standardrepertoire. Zugleich gewährten Roms Behörden freie Religionsausübung, solange man dem Kaiser huldigte, also gleichsam auf dem Boden ihres Grundgesetzes stand. Hunnen wie Römer zeigen so, dass es machtvolle Herrschaftsmodelle gibt, die weit von unserem Erfahrungshorizont abweichen.

Ihr

Dr. Christian Pantle
Chefredakteur

Themen dieser Ausgabe

Schlacht der Völker
Auf den Katalaunischen Feldern besiegt 451 ein Bündnis um den Römer Aëtius die Hunnen Attilas

Angriff aus dem Nichts
Als die Hunnen 375 auftauchen, flüchten die Goten gen Westen. Bald wankt das Römische Reich

Fantasie und Wirklichkeit
Ein Römer schildert die Hunnen, ohne sie je getroffen zu haben

Neue Europäer
Mal Feind, mal Bündnispartner

Ein Mann will alle Macht
Attila herrscht ab 434, begeht einen infamen Mord und giert nach dem Weströmischen Reich

Zu Tisch mit Attila
Ein Oströmer besucht den Hunnen

Legendäre Feldzüge
Attilas Vorstöße 451 ins heutige Frankreich und 452 nach Italien

Ein Rausch zu viel
Tod in der Hochzeitsnacht

Noch lange nicht am Ende
Attilas Nachfolger sorgen bis 560 von Europa bis Indien für Unruhe

Immer wieder Reitervölker
Von den Awaren zu den Mongolen: Nomaden greifen aus der Steppe an

Attila und die Nibelungen
In Sagen und Epen ist der Hunne mal Völkervater, mal Teufel

Propaganda im Weltkrieg
Warum die Alliierten ab 1914 die Deutschen als Hunnen schmähen

Ein beliebter Vorname: Attila
Wieso Ungarn den Hunnen liebt

„Vater und Mütter Europas“
Interview mit Falko Daim, dem Kurator der neuen Reiternomaden-Ausstellung in Halle (Saale)

Weitere Themen

Blickpunkt: Panzer
Die Rückkehr der Stahlkolosse

Serie: Gefährliche Liebschaften
Abaelard & Heloise

Geschichte im Alltag
Der Countdown

Porträt
Friedrich Nietzsche – Seine Suche nach dem guten Leben