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Die Königin tritt ab

Das Ende der venezianischen Großmacht

Im 17. Jahrhundert verliert Venedig sein Handelsmonopol mit dem Orient. Außerdem verlagert sich der Welthandel zunehmend vom Mittelmeer nach Westen zum Atlantik hin. Wie kam es dazu?

von Daniel Carlo Pangerl

Die venezianische Festung auf Kreta, Griechenland

Die venezianische Festung auf Kreta, Griechenland | © istockphoto.com/MarkGillow

Der 4. September 1669 gehörte zu den Schicksalstagen in der Geschichte Venedigs. Nachdem die Festung Candia auf Kreta über 21 Jahre der Belagerung getrotzt hatte, musste sie schließlich vor den osmanischen Türken kapitulieren. Die Venezianer wurden gezwungen, die Insel zu räumen und verloren damit ihren bedeutendsten Handelsstützpunkt im Mittelmeer. Zudem hatte der langwierige Krieg gegen den wirtschaftlichen und religiösen Gegner aus dem Orient den Staat Venedig geschätzte 125 Millionen Golddukaten gekostet, was rund 40 Jahresetats entsprach und ein gewaltiges Loch in den Staatshaushalt riss!

Mit der Globalisierung verliert Venedig sein Handelsmonopol mit dem Orient

Eine zusätzliche Gefahr für den Seehandel waren die Korsaren – muslimische Piraten aus Nordafrika, die seit dem 16. Jahrhundert unzählige Schiffe im Mittelmeer enterten, das Frachtgut raubten sowie die Besatzungen verschleppten und als Sklaven verkauften (siehe hierzu auch unser G/GESCHICHTE 05/2018-Heft zu Piraten). In der Folge schrumpften Venedigs Handelsumsätze, die mit dem Orient erzielt wurden, beträchtlich.

Venedigs Handelsumsätze schrumpfen mit der Globalisierung. | © Wikimedia/Canaletto

Zudem erwuchsen in Europa rivalisierende Wirtschaftsmächte. Die Spanier und Portugiesen dominierten den Handel mit den neu erschlossenen Provinzen auf dem amerikanischen Kontinent. Im 17. Jahrhundert entwickelten sich auch England und die Niederlande zu globalen See- und Handelsmächten. Die Niederländer konkurrierten überdies wegen ihrer weltberühmten Maler mit Venedig um die Stellung als kulturelles Zentrum Europas.

Frankreich verhängt ein Einfuhrverbot für das wertvolle venezianische Muranoglas

Ein weiterer Faktor für den Abstieg Venedigs war die Wirtschaftsideologie des Merkantilismus, die vom 16. bis 18. Jahrhundert in den absolutistisch regierten Monarchien Europas gepflegt wurde. Durch massive Staatseingriffe in den Markt sollten die wirtschaftlichen Kräfte im Inland größtmöglich unterstützt und die Exporte von Waren gefördert werden. Gleichzeitig wurden durch Zölle und Vorschriften die Importe von Erzeugnissen aus dem Ausland erheblich einschränkt. Oberstes Ziel war es, Überschüsse im Außenhandel zu erwirtschaften.

Venedig, ein traditionelles Zentrum des Freihandels, litt unter dieser Entwicklung besonders. Beispielsweise verhängte der französische König ein Einfuhrverbot für das wertvolle Muranoglas, einen Exportschlager der Venezianer, um seine eigene Glasmanufaktur zu schützen. Auch der venezianische Export von Seide nach Frankreich und England sank infolgedessen deutlich.

Die Lagunenstadt wandelt sich von einem Handelszentrum zu einem Agrarstaat

Illustration einer Frau auf einem Obstmarkt in Venedig im 19. Jahrhundert

Obstmarkt in Venedig. | © istockphoto.com/nicoolay

Und: Die Stadtregierung von Venedig beging den verhängnisvollen Fehler, ebenfalls protektionistische Maßnahmen zu ergreifen und den eigenen Markt abzuschotten. In diesem Handelskrieg, der Parallelen zur Gegenwart aufweist, zog der italienische Stadtstaat zwangsläufig den Kürzeren gegenüber den großen Monarchien, die jeweils über einen ausgedehnten Binnenmarkt und umfangreichere Vorkommen an Rohstoffen und Agrarprodukten verfügten.

Das einst glanzvolle Handelszentrum Venedig war schließlich um 1700 zu einem Agrarstaat geworden. Die Lagunenstadt ernährte seine Bürger nun weitgehend von den Erzeugnissen des eigenen Landbesitzes und ihr Handel beschränkte sich weitgehend auf die umliegenden Regionen.

 

 

Sie wollen mehr über die Geschichte Venedigs wissen? Dann schauen Sie in unser aktuelles Porträt-Heft zu Venedig