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Von Robespierre zu Napoleon

„Die absolute Gleichheit ist ein Hirngespinst“

Die Zeit nach Robespierre ist eine Zeit des Übergangs und der Ungewissheit. Bald wird der Ruf nach einem „starken Mann“ laut. Ein Anwärter steht schon bereit

Napoleon zu Pferd

Das Volk feierte den Feldherrn Napoleon als Helden. Im Chaos nach Robepierres Tod gelingt es ihm, die Alleinherrschaft an sich zu reißen.  | © Rijksmuseum Amsterdam

 

Im Konvent hatten ab dem 10. Termidor die gemäßigteren Kräfte das Sagen. Frieden herrschte auf den Straßen deshalb noch nicht. Junge Männer vor allem aus dem Bürgertum, genannt „jeunesse dorée“ (Vergoldete Jugend), machten mit Knüppeln Jagd auf  Jakobiner. Ihr Kampflied „Réveil du peuple“ (Erwachen des Volkes) ertönte nun anstelle der „Marseillaise“. 
Der Politiker und spätere Außenminister Charles-Maurice Talleyrand schrieb, als er 1797 aus dem Exil nach Frankreich zurückkehrte: „Wie wenig Ähnlichkeit hat dieses Paris … mit dem der Revolution! Bälle, Schauspiele und Feuerwerke sind an die Stelle der Gefängnisse und Revolutionsausschüsse getreten …“. Auch die Regeln für die Wirtschaft veränderten sich wieder. Fabrikanten durften wieder Produkte aus dem Ausland beziehen, die sie in ihren Werkstätten brauchten. Am 24. Dezember 1794 hob der Konvent das „Maximum“ bei der Preisregulierung auf.

Die Teuerung erreichte schwindelerregende Ausmaße: Die Kosten für die Lebenshaltung stiegen in Paris, gemessen an denen des Jahres 1790, bis März 1795 auf das Siebenfache. Neue Unzufriedenheit machte sich breit. Unbeirrt arbeitete der Konvent weiter. Am 18. April 1795 wurde eine elfköpfige Kommission eingesetzt, um den Entwurf für eine neue Verfassung zu erarbeiten. Nach gut zwei Monaten legte die Kommission ihr Papier vor. Der Royalist Boissy d’Anglas stellte fest: „Die absolute Gleichheit ist ein Hirngespinst“. Die wohlhabenden Eigentümer sollten die Führung im Land haben.

Zwei Monate lang beriet der Konvent über den Entwurf. Am 22. August 1795 verabschiedete er die neue Verfassung. Nach Volksabstimmungen trat sie am 26. Oktober in Kraft. Artikel I der Erklärung von 1789 – „Die Menschen sind frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es“ – war in der neuen Verfassung gestrichen. Viel ausführlicher wurden dafür die Eigentumsrechte herausgestellt.
 Statt des Konvents gab es nun ein Parlament mit zwei Kammern: dem „Rat der Fünfhundert“ und dem „Rat der Alten“ mit 250 Mitgliedern. Der Erstere stellte künftig eine Liste auf, aus dem der Ältestenrat ein fünfköpfiges Direktorium auswählte. Dieses Direktorium hatte nun die Funktion der Exekutive. Zur neuen Verfassung schrieb Mignet: Sie war die „beste, die klügste, die liberalste und die umsichtigste, die man bisher eingeführt oder entworfen hatte …“

Die Direktorien sind alles andere als stabil

Doch das Modell des Direktoriums führte nicht zu stabilen politischen Verhältnissen.
 Das erste Direktorium amtierte ab dem 31. Oktober 1795 mit 568 Tagen am längsten. Ein wichtiger Beschluss war sicherlich im Februar 1796, die „Assignaten“ abzuschaffen – das während der Revolution eingeführte Papiergeld, mit dem sich eine dramatische Geldentwertung verband. Sie wurden zunächst durch „Territorialmandate“ abgelöst. Beides wurde aber erst am 21. Mai 1997 für ungültig erklärt.
 Das zweite Direktorium schaffte es gerade auf 106 Tage, das dritte auf 287 und das vierte auf 334 Tage. Die Lage spitzte sich zu, weshalb sich das fünfte Direktorium nur 31 Tage und das sechste nicht mehr als drei Tage halten konnte. 142 Tage währte das Regiment des siebten Direktoriums. Jedes Mal auf der Liste der Direktoren stand Paul Barras, Nachkomme einer alten Adelsfamilie aus der Provence. Er hatte der Hinrichtung Ludwigs XI. zugestimmt und war am Sturz Robespierres beteiligt. Barras wird von Biographen als Lebemann und korrupt beschrieben.

Erst ab dem fünften Direktorium gehörte Emmanuel Joseph Sieyès dem Gremium an. Er sollte eine wichtige Rolle beim weiteren Gang der Dinge spielen. Royalistische Strömungen machten sich breit. Gleichzeitig geriet die Außenpolitik immer stärker ins Blickfeld. Die revolutionäre Entwicklung in Frankreich hatte den Krieg mit den europäischen Monarchien heraufbeschworen.
Der Korse Napoléon Bonaparte erwies sich als glänzender Feldherr. Als Befehlshaber in einem Feldzug nach Norditalien überrannte er mit 40 000 Soldaten österreichische und sardinisch-piemontesische Truppen mit zusammen 70 000 Mann. Das machte ihn populär und zu einem Hoffnungsträger auch für die Politik in der Heimat.
Dort gewannen die Gegner der Republik durch Wahlen im März 1797 an Einfluss.  Die Republikaner im Direktorium riefen den gerade aus Italien zurückgekehrten Napoleon zu Hilfe. Der Feldherr willigte ein und schickte seinen General Charles Pierre Augereau nach Paris. Mit dessen militärischer Unterstützung gelang am 18. Fructidor des Jahres V (4. September 1797) ein Coup: Zwei royalistische Mitglieder des Direktoriums verloren ihr Amt. Die Wahlergebnisse wurden in 49 Departements für null und nichtig erklärt; über 170 royalistische Abgeordnete verloren ihre Mandate. Das verstieß eindeutig gegen die neue Verfassung. Einmal mehr folgten turbulente Wochen und Monate. Terror kehrte auf die Straßen zurück. Etliche prominente Köpfe wurden in Arbeitslager in den Kolonialgebieten deportiert. Trotzdem blieb die Angst vor einem Staatsstreich der Royalisten. Sieyès rief mit am lautesten  nach einem starken Mann.

Am 16. Oktober war Napoleon nach einer Expedition in Ägypten nach Frankreich zurückgekehrt. Obwohl er die militärischen Ziele nicht erreicht hatte, feierte ihn das Volk als Helden. Es kam der 18. Brumaire VIII (9. November 1799). Früh um sieben Uhr wurde der Rat der Alten zusammengerufen und mit der Nachricht einer geplanten Verschwörung konfrontiert. Beide Kammern wurden in das Schloss von Saint-Cloud westlich von Paris verlegt. Dort begannen am folgenden Tag gegen 13 Uhr ihre Sitzungen. Das Gelände war von 4000 bis 5000 Soldaten Napoleons umstellt. Der Feldherr ergriff das Wort, aber damit konnte er nicht überzeugen. Doch Soldaten trieben die Abgeordneten auseinander. Am Abend traf sich noch einmal eine Minderheit der „Fünfhundert“ und eine Mehrheit der „Alten“. Sie beugten sich dem Wunsch des Korsen: Sie verfügten das Ende des Direktoriums und segneten eine neuerliche Verfassung ab, an der Sieyès mitgewirkt hatte. Sie sah als Regierungsform ein „Konsulat“ vor. Der Staatsstreich war gelungen. Am 10. November 1799 wurde Napoleon zum Ersten Konsul gewählt und übernahm am Ende die Alleinherrschaft.

             
Wolfgang Mayer

 

 

 

Zuletzt geändert: 08.06.2015