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Seemacht Niederlande

Von Männern und Schiffen

Ihre  geringe Bevölkerungszahl machten die Niederlande durch Seestrategen wett, die Mut mit scharfem Kalkül verbinden. Doch die  Flottenführer des 17. Jahrhunderts sind widersprüchliche Helden.

Verfolgung der Silberflotte in Kuba

Piet Hein machte sich vor allem durch die Eroberung der spanischen Silberflotte einen Namen. Karte der Kaperschaft in einer kubanischen Buch aus einem Buch von Frans Hogenberg um 1630. | © Rijksmuseum Amsterdam

 

Der berühmteste Kapitän im langen Krieg gegen Spanien war Piet Hein (oder Heyn, 1577–1629). Wie zahlreiche seiner Kollegen geriet er während seiner Jugend-Fahrten zur See in feindliche Gefangenschaft und musste vier Jahre auf einer spanischen Galeere schuften, ehe er wieder freikam und in die Dienste der Ostindienkompanie eintrat, wo er es rasch bis zum Kapitän brachte. 1623 stieg er zum Vize-Admiral der Westindien-Kompanie auf und führte einen Kaperkrieg gegen die Spanier im Atlantik.

Beute im Wert von einer Milliarde Euro

Höhepunkt von Piet Heins Karriere wurde der Angriff auf die spanische Silberflotte im September 1628. Es gelang ihm, die spanischen Schatzschiffe auf die Sandbänke der Bucht von Matanzas auf Kuba zu treiben und damit kampflos zur Aufgabe zu zwingen. Die Beute soll dem Gegenwert von einer Milliarde Euro entsprochen haben; dieser Geldregen trug mit entscheidend dazu bei, dass die Niederlande den Achtzigjährigen Krieg mit Spanien bis zum siegreichen Abschluss durchhalten konnten.
Piet Hein selbst wurde von der Westindien-Kompanie mit einem Taschengeld abgespeist und verließ verärgert deren Dienst. 1629 stand er aber schon wieder auf der Brücke eines Flaggschiffs, als Oberkommandierender der Flotte der Niederlande, die gegen die Freibeuter operierte, die von Dünkirchen aus den Seehandel bedrohten. Bei einer Seeschlacht im Juni desselben Jahres fiel Piet Hein; Standbilder erinnern an ihn sowohl in seiner Heimatstadt Rotterdam wie auf Kuba.
Den Job gegen die Spanier im Ärmelkanal vollendete dann Maarten Tromp (1598–1653), der unter Hein gedient hatte. Auch er geriet in jungen Jahren in Gefangenschaft und landete als Sklave in den nordafrikanischen Piraten-Staaten, zuletzt als Navigator im Dienst des Beys von Tunis, der ihm schließlich die Freiheit schenkte.

Piet Hein

Der niederländische Seefahrer Piet Hein auf einem anonymen Porträt, 18. Jahrhundert. Bildnachweis: Rijksmuseum Amsterdam

 

Vorreiter der Seeschlachttaktik

Als Oberbefehlshaber gelang Tromp 1639 bei den Downs der entscheidende Schlag gegen die von Dünkirchen aus operierenden Spanier; bei diesem Gefecht wandte Tromp erstmals die Linien-Taktik an – den Angriff mit einer in einer Linie aufgereihten Flotte, die den Gegner unter Dauerfeuer nehmen konnte. Der Erfolg dieser neuen Taktik war so durchschlagend, dass sie umgehend von allen anderen Seemächten übernommen wurde und die Seeschlachten bis ins 20. Jahrhundert hinein prägte.
Auch gegen den neuen Gegner auf den Meeren, England, war Tromp ein entschlossener Oberbefehlshaber, musste allerdings auch die Stärke dieser neuen Seemacht erfahren. Im erbitterten Gefecht vor Scheveningen im August 1653 fiel Tromp, von seinen Matrosen als der „Großvater“ („Bestevaer“) der Flotte tief betrauert.
Gelehriger Schüler seines Vaters und noch um einiges draufgängerischer war Cornelis Tromp (1629–1691), der im Zweiten und Dritten Seekrieg gegen England kühne Einzelaktionen mit unglücklichen strategischen Entscheidungen verband. Er geriet darüber mit seinem Chef, Admiral de Ruyter, über Kreuz, war in dubiose Geschäfte verwickelt und zog mit die Fäden bei der Ermordung der Gebrüder de Witt. In den 1670er Jahren trat Tromp in dänische Dienste, wo ihm gegen die Schweden endlich auch ein Sieg als Flottenführer gelang. Zurück in den Niederlanden agierte er bis zu seinem Tod als Oberbefehlshaber der Flotte, ohne aber je wieder an einem Gefecht teilzunehmen. Als Cornelis 1691 schwer alkoholkrank starb, hatte der Name Tromp etliche Flecken bekommen.
Bis heute populär geblieben ist dagegen Michiel de Ruyter (1607–1676), der die Seemacht Niederlande erfolgreich durch schwere Zeiten führte. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen, fühlte sich früh zur Seefahrt hingezogen und lernte das Seefahrer-Handwerk als Schiffsjunge von der Pike auf. Als Matrose auf einem Kriegsschiff geriet auch er in spanische Gefangenschaft, konnte aber fliehen und danach auf diversen Handelsschiffen und auf einem Walfänger anheuern. So lernet de Ruyter die großen Weltmeere kennen, auf denen er dann zum Teil spektakulären Aktionen gegen die Feinde der Niederlande durchführte. Sein erstes Kommando richtete sich gegen die Piraten von Dünkirchen; 1641 war er im Krieg gegen Spanien bereits zum Konteradmiral aufgestiegen. In der Schlacht von St. Vincent konnte er dann erstmals sein Talent beweisen, die ihm unterstellten Schiffe aus kniffeligen Situationen mit möglichst geringen Verlusten zu befreien. Entsprechende hoch war sein Ansehen bei seinen Seeleuten.

Angriff auf England

Im Seekrieg gegen England machte er den gesamten Atlantik von der Karibik bis Guinea zum Schauplatz seiner höchst schmerzhaften Nadelstiche gegen den Feind. Im Zweiten Seekrieg wurde de Ruyter zum Oberbefehlshaber der Flotte der Generalstaaten berufen und führte diese zum spektakulären Sieg in der Vier-Tage-Schlacht vor der Themsemündung. Den angeschlagenen Gegner griff de Ruyter im folgenden Jahr auf dessen eigenen Territorium an, als er seine Flotte gegen die königlichen Werften von Chatham führte. Stolzeste Beute war das Flaggschiff König Karls II.
De Ruyter zog sich daraufhin hoch geehrt in den Ruhestand zurück. Als 1672 aber erneut der Seekrieg ausbrach, stand auch er wieder auf der Kommandobrücke. In einem unentschiedenen Gefecht gegen die französische Flotte im Mittelmeer zerschmetterte ihm eine Kanonenkugel den Fuß; de Ruyter erlag kurz darauf der schweren Verletzung, betrauert von der ganzen Nation.
Franz Metzger

Zuletzt geändert: 08.06.2015

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