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Vom Jäger zum Bauern

Alltag in der Jungsteinzeit

In der Jungsteinzeit müssen die Menschen ihre Lebensweise der Umwelt anpassen. Aus Jägern und Sammlern werden Bauern und Hirten. Die Innovationen bringen nicht nur Vorteile. Man denke nur an Kain und Abel.

Steinzeithütte aus Schilf

Rekonstruktion einer steinzeitlichen Schilfhütte in einem schwedischen Freilichtmuseum | © Istockphoto.com/TT

Für die Menschen des 21. Jahrhunderts zählt das Stichwort „Klima­erwärmung“ zu den großen Schreckensszenarien. Doch mussten nach einer bitterkalten Eiszeit steigende Temperaturen und ein milderes Klima nicht einen Fortschritt darstellen, eine Verbesserung der Lebensqualität? Nicht, wenn sich dieses Leben so perfekt an die Bedingungen einer Eiszeit angepasst hat, wie dies zum Beispiel der Neandertaler entwickelt hatte. Hatte man erst gelernt, mit der Kälte fertig zu werden, bot die Eiszeitwelt für Jägervölker geradezu ideale Bedingungen: Die potenzielle Beute war in der baumlosen Tundra meilenweit zu erkennen, und diese Beute bestand aus massiven, schwerfälligen Tieren wie dem Mammut oder Riesenhirschen.

Das Leben als Steinzeit-Jäger war mühselig

Wurde die Tundra nun aber zunehmend von Wäldern überwuchert, war das Wild nicht nur schwieriger zu finden; es passt sich auch seinerseits der neuen Umwelt an, wurde kleiner, flinker, schneller. Der Mensch wäre nicht der Mensch gewesen, hätte er für schwierigere Bedingungen nicht neue Techniken entwickelt. Etwa Pfeil und Bogen, mit dem sich leichtfüßiges Wild auf größere Strecken erlegen ließ. Oder er verlegte sich zunehmend aufs Fischen, dessen Techniken ebenfalls immer mehr verbessert wurden. Doch es führte kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Das Jägerleben war mühselig geworden!

Mensch und Wolf finden zueinander

Das galt auch für jene Landstriche, die sich wie ein breiter Halbmond von Nordafrika über Kleinasien bis zum Zweistromland erstreckten. Dort manifestierte sich der nacheiszeitliche Klimawandel in einer zunehmenden Trockenheit und Versteppung. Die Herden der Beutetiere – hauptsächlich Schaf- und Ziegenarten, zum Teil auch Ur-Rinder – wanderten von Wasserstelle zu Wasserstelle, von grünem Fleck zu grünem Fleck, und die Jäger-Menschen wanderten zwangsweise mit. Bis sie sich die Frage stellten, ­warum sie nicht selbst das Kommando übernehmen sollten. Hielt man die Herden zusammen, hatte man immer genug zu Essen. Unerwartete Helfer für diese neue Lebensform des Hirten fand man in den Wölfen, die sich seit längerem den Menschensippen angeschlossen hatten. Dort gab es immer Abfälle zu fressen, während die Menschen die wachsamen und wehrhaften Begleiter zu schätzen wussten, die sich nun auch beim Herdenhüten nützlich machten.

War es der Übergang vom Wolf zum Hund oder die Entwicklung der ersten „Hausschafe“ und „Hausziegen“ (Häuser kannten die Hirtenvölker ja noch nicht), was die Hirten-Menschen das Prinzip der Zuchtwahl erkennen ließ? Wir wissen es nicht, wohl aber, dass sich diese erste Säule der Landwirtschaft vor gut 15.000 Jahren ausformte. Mit ihr war ein neues Kapitel der jungen Menschheitsgeschichte aufgeschlagen: Zum ersten Mal griff der Homo sapiens direkt in die Natur ein, um sie nach seinen Interessen zu verändern! Und er brachte sein neues Wissen dann sogar auf andere Tierarten wie Schweine oder Geflügel zur Anwendung.

Ackerbau als Schritt in Richtung Sesshaftigkeit

Das Prinzip, sich die Natur zurecht zu züchten, übertrug der Mensch dann auch auf die zweite Säule der Landbewirtschaftung. Gab es nicht ausreichend Jagdbeute, hatten sich die Menschen schon immer mit Beeren, Früchten oder Pilzen ausgeholfen, oder auch mit den essbaren Körnern bestimmter Graspflanzen, deren Nährwert man allmählich zu schätzen begann. Einige Gruppen der Körneresser mochten an frühere Lagerplätze zurückgekehrt sein und hatten festgestellt, dass dort, wo Körner zu Boden gefallen waren, besonders viele Gräser nachgewachsen waren. Rasch begriffen die Noch-Nomaden das Prinzip von Aussaat und Ernte und dass sich durch gezielte Auswahl auch bei Pflanzen der Ertrag und damit die Nützlichkeit verbessern ließen. Die Gerste wurde das erste systematisch angebaute Getreide; ihre Spur reicht im Nahen Osten 15.000 Jahre zurück. Später kamen Einkorn und Emmer hinzu, die Urformen unseres Weizens. In Asien vollzogen sich vergleichbare Entwicklungsschritte mit den Graspflanzen Reis und Hirse, in Amerika mit dem Mais – unabhängig von einander, aber mit denselben Ergebnissen. Unsere Speise-Vorlieben haben also ihre Wurzeln in der Jungsteinzeit!

Die „Erfindung“ des Ackerbaus hatte dabei tiefer reichende Auswirkungen auf die Entwicklung der Menschen als jene des Hirtenwesens. Zwar erforderte die rasche Erschöpfung der Böden noch längere Zeit ein Halbnomadentum, wie es bis heute indigene Völker in den Tropen führen, aber zumindest zwischen Aussaat und Ernte musste man am Ort bleiben. Der Mensch hatte den Weg zur Sesshaftigkeit beschritten.

Und während er auf das Reifen seines Getreides wartete, hatte der Homo sapiens auch reichlich Zeit, sich Dinge auszudenken, die den Ertrag und die Nutzungsdauer seiner neu entdeckten Feldwirtschaft vergrößerten: Weiteres Land wurde gerodet oder bewässert; grub man die Erde mit Hacken oder ersten einfachen Pflügen um, verbesserte dies die Ernte ebenso, wie wenn man den Dung der inzwischen voll domestizierten Haustiere auf den Feldern verteilte. Jetzt war es nicht mehr notwendig, nach ein paar Jahren weiterzuziehen; aus provisorischen Hütten-Siedlungen wurden Dörfer mit massiven Bauten für Mensch und Vieh und ihre Vorräte.

Erfindung der Keramik an der Schwelle zur Jungsteinzeit

Diese sicher aufzubewahren wurde eine weitere Herausforderung. Natürliche Hohlgefäße aus organischem Material waren selten zu finden und von der Hygiene her problematisch. Eine bessere Lösung fand man mit dem Ton aus Lehmgruben, aus dem sich alle möglichen Gefäße formen ließen, die in der Sonne schön hart wurden, und man lernte bald den Prozess durch Feuerhitze zu beschleunigen. Die Keramik wurde eine weitere der großen Erfindungen an der Schwelle der Jungsteinzeit, und auch sie hatte langfristige Folgen: Manche Dorfbewohner waren geschickter beim Formen von Tongefäßen, wie es andere bei der Herstellung von Feuerstein-Messerklingen und anderem Steingerät waren. Machte es da nicht Sinn, dass diese Sippenmitglieder sich auf die Produktion konzentrierten und für ihre Werkstücke dann Nahrungsmittel und Ähnliches bezogen? Der Mensch erfand die Arbeitsteilung und den Tauschhandel und betrat damit eine weitere Stufe zur Zivilisation. Der Warenaustausch profitierte seinerseits von der Erfindung von Rad und Wagen – die Zivilisationsspirale begann sich zusehends schneller zu drehen.

Kain und Abel: Vorräte locken Diebe

Hatte der Urmensch – nun durchgängig von der Spezies sapiens, da der Neanderthaler dem Wandel nicht folgen konnte und ausgestorben war – damit das Paradies gefunden? Nur bedingt. Zum einen lockten die Vorräte und Produkte, die bei der neuen Wirtschaftsform entstanden, Diebe und Räuber an, tierische, aber vor allem auch andere menschliche. Die neuen dörflichen Siedlungen mussten daher auch nach Verteidigungs-Geschichtspunkten angelegt werden, auf Hügelkuppen, auf Inseln, auf Pfählen in sumpfigem Gelände. Dass sich die beiden neuen Lebenswelten mitunter blutig in die Quere kamen, davon berichtet eine alte Erzählung aus der Bibel: „Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer. Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar; auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht. Hierauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn …“

Das Zusammenleben fördert Krankheiten

Trotz der offensichtlichen Parteinahme des Gottes Israels für den Hirten Abel dürften bei Zusammenstößen eher die Kains, die sesshaften Bauern die Opfer gewesen sein – auch weil sie vermutlich körperlich unterlegen waren. Skelettuntersuchungen haben erbracht, dass die ersten Bauernpopulationen kleiner und schwächlicher waren als ihre eiszeitlichen Jäger-Ahnen. Das dürfte zum einen an der proteinärmeren Nahrung gelegen haben, zum anderen an der Ausbreitung von Krankheiten, die durch das enge Zusammenleben gefördert wurden – der Menschen, aber auch mit den Haustieren. Keime wurden übertragen und forderten ihre Opfer. Doch entwickelten sich nun auch Resistenzen; die Bevölkerung wuchs zusehends, suchte sich neues Acker- und Weideland und verbreitete damit die neue Lebensformen. Ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. erreichte sie schließlich auch Mittel- und West- und Nordeuropa, wo sich die Ausbreitung der neuen Zivilisation eindeutig der Zuwanderung einer neuen Kultur zuordnen lässt.

Franz Metzger

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 2/2014 „Wer sind unsere Vorfahren“

Zuletzt geändert: 17.12.2018