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Triumph über Varus

Arminius verjagt die Römer aus Germanien

Die Varusschlacht macht aus Arminius den „Befreier“ seiner Heimat. Doch der Held scheitert an den eigenen Leuten.

Hermannsdenkmal bei Detmold

Das Hermannsdenkmal bei Detmold erinnert seit 1875 an den Sieg germanischer Stämme über die römischen Legionen. | © Istockphoto.com/JFsPic

 

Der Held der Varusschlacht dürfte verärgert gewesen sein. Wütend auf Marbod, den mächtigen König der Markomannen. Jenem hatte Arminius, Fürst der Cherusker und Rom-Bezwinger des Jahres 9 n. Chr., ein bedeutsames Geschenk geschickt: den Kopf des Varus. Die Botschaft sollte ein Bündnisangebot sein. Die Zeit, um die schwer getroffenen Besatzer gemeinsam aus dem Land zu jagen, ist günstig! Aber Marbod lehnt ab und sendet den Kopf unterwürfig weiter nach Rom – ein Schlag in Arminius’ Gesicht. Die Episode macht aus Marbod und Arminius Feinde. Doch bevor es zum Krieg kommt, nimmt es Arminius weiter allein mit den Herren vom Tiber auf. Die Sensation gelingt, er befreit seine Heimat, für immer. Dennoch scheitert der Held am Ende. Nicht an Rom, nicht an Marbod – aber an den eigenen Leuten. Denn ein übermächtiger Cherusker ist ebenso unerwünscht wie ein Kaiser aus Rom.

Der Sieger über Varus ist selbst fast ein Römer

Als Held der Antike gilt Arminius seit seinem überraschenden Sieg in einem Waldgebiet zwischen Weser und Ems (die Varusschlacht tobte wohl bei Kalkriese, nicht im Teutoburger Wald). Der Mann mit dem römischen Namen – sein germanischer ist nicht überliefert – führt seine Krieger zum Sieg über Rom, und zwar nachhaltig. Denn das Imperium gibt sein Projekt Germanien bald nach der desaströsen Schlacht auf, zumindest jenseits des Rheins. Zuvor hatte die Unterwerfung der Barbaren ganz oben auf der Prestigeliste des Kaisers Augustus gestanden. Doch Varus’ Untergang trifft Rom ins Mark. Zumal ihr Bezwinger nicht etwa ein Wilder ist, sondern selbst fast ein Römer.
In Rom hat Arminius vor seinem Aufstieg zum Helden Karriere gemacht. Wie viele junge Germanen aus gutem Hause ist auch der um 17 v. Chr. geborene Sohn des Cheruskers Segimer zur Erziehung in die Hauptstadt geschickt worden – ein wohlwollender Austausch zwischen Besatzern und Besetzten. Arminius durchläuft eine militärische Schulung, er dient im römischen Heer, vielleicht als Kommandant germanischer Hilfstruppen (die ausschließlich römisch gefärbten Quellen sind spärlich, die Interpretationen widersprüchlich). Der Germane ist bei den Römern geschätzt und gut integriert. Nicht nur der Chronist Velleius Paterculus lobt den „jungen Mann aus vornehmem Geschlecht, der tüchtig im Kampf, rasch in seinem Denken war“. Arminius erhält das römische Bürgerrecht und den Rang eines Ritters – beachtliche Auszeichnungen. Doch als der Germane um 8 n. Chr. in seine Heimat zurückkehrt, kehrt er Rom nicht nur räumlich den Rücken. Es dauert nicht lange, bis Arminius zum Aufstand gegen seine Kameraden von einst ruft. An der Spitze tausender germanischer Krieger plant er einen Befreiungsschlag – und Publius Quinctilius Varus kommt ihm mit seinen drei Legionen auf dem Weg ins Winterlager gerade recht.

20 000 Legionäre gehen in Arminius‘ Falle

Denn seit der römische Statthalter in Germanien zwischen Rhein und Elbe versucht, seinen Job zu machen, ist er unbeliebt. Sein akribisches Wirken in Infrastruktur, Rechtsprechung und Steuererhebung stößt auf Widerstand; selbst romfreundliche Stämme wie die Cherusker an der Weser sehen ihren Stolz durch die römische Anmaßung verletzt. Im Herbst des Jahres 9 n. Chr. tritt der Cheruskerfürst an, die Ehre seiner Heimat zu verteidigen – und die Römer zu verraten.
Er besucht Varus, scheinbar als Verbündeter, warnt vor einem Aufstand und bittet den Statthalter, eine andere Route zu nehmen. Varus vertraut und die Falle schnappt zu: Arminius rückt aus dem Hinterhalt vor und vernichtet rund 20 000 hochgerüstete Legionäre in einer dreitägigen Schlacht in einem sumpfigen Waldgebiet. Der gedemütigte Varus nimmt sich das Leben. Sein Kopf nützt Arminius in seiner Botschaft an Marbod zwar wenig, dennoch wittert der Sieger seine Chance: Ein Germanien ohne Römer ist möglich.
Jene geraten nach der Katastrophe in Panik vor den wilden Germanen. Augustus rüstet auf, Arminius indes beeindruckt Rom noch immer. Der Historiker Tacitus lobt später: „Er war unbestritten der Befreier Germaniens.“ Der Kampf gegen den Befreier wird für das Imperium teuer und zusehends mühsam. Arminius kommt der Rheingrenze gefährlich nahe, zerstört Kastelle und führt seine Armee aus Cheruskern, Chatten oder Marsern, die bis zu 50 000 Mann fasst, in den folgenden sieben Jahren unbeirrt weiter voran. Selbst die Gefangennahme seiner Gattin Thusnelda kann ihn nicht stoppen. Im Jahre 16 fällt an der Weser die Entscheidung: Obwohl die Römer im Spätsommer zwei Mal siegen, geben sie sich geschlagen. Der neue Kaiser Tiberius hat genug von Nordgermanien und ruft seine Truppen zurück. Die Barbaren, glaubt der Imperator, werden sich mit internen Streitereien schon selbst zu Grunde richten. Er hat Recht.
17 n. Chr. zieht Arminius endlich gegen Marbod, um die alte Rechnung zu begleichen. Unterdessen schwindet sein Ansehen in den eigenen Reihen. Seine Gegner argwöhnen, dass ihm die Heldenrolle zu Kopf steigt. Will er König werden, vielleicht sogar alle Stämme Germaniens unter sich vereinen? Erfolgreich bleibt er jedenfalls: Der Showdown gegen Marbod geht unentschieden aus, dennoch zieht sich der Markomanne zurück. Arminius triumphiert – zum letzten Mal. 21 n. Chr. wird er ermordet, durch die „Heimtücke seiner Verwandten“, schreibt Tacitus. Gerüchte besagen, dass die Römer ihre Finger im Spiel hatten.

Frauke Scholl

Zuletzt geändert: 20.03.2019