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Hypothek für die Weimarer Republik

Der Friedensvertrag von Versailles

Nach dem Ersten Weltkrieg floh Wilhelm II. und Philipp Scheidemann rief die Republik aus. Das von den Alliierten ausgehandelte Friedensabkommen stieß in Deutschland auf Widerstand.

Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles

Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles. | © Library of Congress

 

Im Kampf gegen die Mittelmächte vereint, sind sich die Alliierten nach dem Ende des Massensterbens auf den Schlachtfeldern schnell uneinig. Während der amerikanische Präsident Woodrow Wilson Deutschland schonen möchte, um dauerhaft Frieden zu stiften, will Frankreich seinen Feind bluten lassen. Es hat am schlimmsten unter den Verwüstungen entlang der Westfront gelitten. Schließlich geht es in Versailles auch um die Frage, wie viele Soldaten Deutschland zum Schutz vor dem bolschewistischem Russland benötigt, ohne seinen Nachbarn erneut gefährlich zu werden. Das Deutsche Reich selbst ist zu den Friedensverhandlungen nicht eingeladen. Seine Abgesandten können den Vertragstext nur entgegennehmen und innerhalb von zwei Wochen schriftliche Kommentare einreichen. Schnell gilt der Versailler Vertrag bei einem beträchtlichem Teil der Deutschen als „Diktat“ und „Schandfrieden“.

 

US-Präsident Wilson konnte sich nicht durchsetzen

Der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau, der britische Premier David Lloyd George und US-Präsident Woodrow Wilson sind die entscheidenden Akteure der Verhandlungen. Auf dem Amerikaner und seiner modernen Vision einer Nachkriegsordnung ruhen die Hoffnungen der Deutschen. Schließlich hatte Wilson bereits vor der Unterzeichnung des Waffenstillstandes im November 1918 in einem 14 Punkte umfassenden Programm das Selbstbestimmungsrecht der Völker gefordert. Doch der Idealist Wilson kann sich nicht durchsetzen: „Deutsch-Österreich“ darf sich nicht an Deutschland anschließen. Italien kann sich dagegen das deutschsprachige Südtirol einverleiben. Das 1871 annektierte Elsass-Lothringen geht an Frankreich zurück, das Hultschiner Ländchen an die Tschechoslowakei. Das Memelgebiet gerät unter die Kontrolle der Alliierten und die „Freie Stadt“ Danzig wird dem neu geschaffenen Völkerbund unterstellt. Posen und Westpreußen werden der wieder entstandenen Republik Polen zugeschlagen, die deutsche Enklave Königsberg ist durch den polnischen Korridor von Pommern abgeschnitten. Alles in allem verliert Deutschland etwa ein Siebtel seines Reichsgebiets, ein Zehntel seiner Bevölkerung und muss auf seine Kolonien verzichten. In verschiedenen Grenzgebieten des Deutschen Reiches sollen Volksabstimmungen in den kommenden Jahren über die staatliche Zugehörigkeit entscheiden. Als Resultat fällt Eupen-Malmedy an Belgien, Nordschleswig wird zwischen Deutschland und Dänemark geteilt. Das Saargebiet bleibt dem Völkerbund bis zur Volksabstimmung 1935 unterstellt.

Neue Grenzen lassen weltweit lokale Kriege aufflammen

Die in Artikel 231 festgeschriebene Alleinschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs führt zu enormen Reparationsforderungen für die im Krieg entstandenen Schäden. Deutschland wird zu Zahlungen, Sach- und Dienstleistungen in ungenannter Höhe verpflichtet, einige Gebiete zeitweilig besetzt. Das Ruhrgebiet als Kohle und Stahl reiches Industriezentrum wird zugunsten der Alliierten bewirtschaftet und das Rheinland entmilitarisiert. Außerdem ist es den Deutschen fortan verboten, militärisches Material zu produzieren. Die deutsche Armee und Kriegsmarine werden auf 100.000 Berufssoldaten und 15.000 Matrosen beschränkt. Schwere Waffen und Luftstreitkräfte bleiben der Reichswehr versagt.  Neben dem Versailler Vertrag besiegeln die anderen Pariser Vorortverträge das weitere Schicksal von Österreich, Ungarn, Bulgarien und des Osmanischen Reichs. Die Araber fordern die im Kampf gegen die Osmanen versprochene Unabhängigkeit, mehr als 30 Länder streiten sich um ehemalige Kolonien und Gebiete der zerschlagenen Großreiche. Neue Grenzverläufe und Gebietsansprüche lassen weltweit immer wieder lokale Kriege aufflammen.

Verwundete Soldaten sind bei der Vertragsunterzeichnung dabei

Die deutsche Regierung unter Reichskanzler Scheidemann tritt im Juni 1919 zurück, da sie die Verantwortung für die Unterzeichnung des Vertrages nicht übernehmen will. Doch am Rhein stehen alliierte Truppen bereit, falls die deutschen Abgesandten nicht einwilligen sollten. Am 28. Juni 1919 unterzeichnen sie schließlich den Versailler Vertrag im Spiegelsaal des Schlosses – in Anwesenheit einiger „gueules cassées“, Soldaten mit entstellten Gesichtern, denen Augen, Nase oder Mund weggeschossen wurden. Sie sollen die deutsche Delegation an die mehr als neun Millionen gefallenen Soldaten und die unzähligen Krüppel erinnern. Neben Frankreich, Großbritannien, Italien und den Vereinigten Staaten setzen 28 weitere Länder einen Schlussstrich unter den Ersten Weltkrieg.

Später werden die Nationalsozialisten die Revision des am 10. Januar 1920 in Kraft getretenen Friedensvertrags aggressiv propagieren. Im Rückblick sehen einige Historiker in dem als „Schmach von Versailles“ empfundenen Frieden und der Dolchstoßlegende den fruchtbaren Boden für Hitlers raschen Aufstieg und damit letztlich für den Zweiten Weltkrieg. Nicht umsonst gilt der Erste Weltkrieg weithin als „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Vergessen bleibt dabei die eigene Kriegszielpolitik des wilhelminischen Kaiserreichs und der noch während des Ersten Weltkriegs von den Deutschen diktierte Frieden von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland vom März 1918 sowie die spätere Aussetzung vieler Bedingungen des Versailler Vertrages durch die Verständigungspolitik Gustav Stresemanns in den 1920er Jahren.

Andreas Schneider

 

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015

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