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Justinian und die Zirkusparteien

Der Nika-Aufstand

532 tobt der Mob durch die Straßen von Byzanz, plündert und mordet. Kaiser Justinian reagiert zuerst mit beruhigenden Worten, dann mit Gewalt. Am Ende sterben im Hippodrom 30 000 Byzantiner.

Justinians Feldherr Belisar

Justinians Feldherr Belisar im Kampf gegen die Goten. Später halfen ihm gotische Elitetruppen, für Justinian den Nika-Aufstand niederzuschlagen. Holzstich nach einem Gemälde von Hermann Vogel von 1879. | ©  istockphoto/zu_09

 

Der Auslöser der Unruhen war die Hinrichtung mehrerer Mitglieder der beiden großen Zirkusparteien gewesen, der „Blauen“ (Veneti) und „Grünen“ (Prasini). Die Zirkusparteien wurden ursprünglich als antike „Fanclubs“ verschiedener Wagenlenker gegründet. In der Spätantike gewannen sie rasch auch politische Bedeutung, da sie die öffentliche Meinung durch gezielte Provokationen gegen den Kaiser aufstacheln konnten. Der Zirkus bot dem Volk in der Antike die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern. Sprechchöre, Akklamationen, Schmährufe und Hetzgesänge sorgten nicht nur für eine ungeheure Lärmkulisse, sondern auch für ein angeheizte Atmosphäre. Für die römischen Kaiser waren diese Veranstaltungen Stimmungsbarometer und Gefahr zugleich.

Schon der Vorgänger von Justinian, Kaiser Anastasius, wäre 20 Jahre vorher beinahe einem solchen Aufstand zum Opfer gefallen. Justinian hingegen, ein begeisterter Anhänger der Blauen, unterstützte die Partei und ließ ihr sogar so viel strafrechtliche Freiheit, dass der Augenzeuge Prokopius von Caesarea sich beschwerte: „Und die Schurken ermordeten ihre Opfer, ihnen völlig unbekannte Menschen, die sie kurzerhand für Grüne erklärten.“ (Anekdota, Kapitel 7) Im Januar 532 verschärfte der Kaiser plötzlich seinen Kurs und wollte die Anführer beider Parteien, die wegen der hohen Steuerlast auf den Straßen demonstriert hatten, hängen lassen. Bei der Hinrichtung rissen jedoch die Galgenstricke und den Anführern gelang die Flucht ins kirchliche Asyl.

Für den Aufstand schließen sich verfeindete Parteien zusammen

Am 13. Januar, an dem üblicherweise Pferderennen im Hippodrom stattfanden, baten die Anhänger der Parteien den anwesenden Kaiser um Gnade für ihre Anführer, doch Justinian zeigte keine Reaktion. Die bereits aufgeheizte Stimmung kippte, die beiden Parteien – einander eigentlich so feindlich, dass es häufig zu Straßenschlachten kam – verbündeten sich unter dem Losungswort „Nika!“ („Siege!“) zu einem gemeinsamen Aufstand. Noch am selben Tag brannte das Haus des Stadtpräfekten Eudamion, am 14. Januar folgten die Holzbänke des Hippodroms und Teile des Palastviertels, am 15. das Kaiserforum und der Vorgängerbau der Hagia Sophia.

Justinian war so entsetzt, dass er sogar an Flucht dachte. Er versuchte zunächst, die Menge im Hippodrom mit dem Evangelium in der Hand zu beruhigen, und bot sogar Straffreiheit an. Für einen Moment schien er damit Erfolg zu haben, doch der Mob zerrte stattdessen Hypatios, einen Neffen von Justinians Vorgänger Anastasius, auf das Konstantinsforum, legte ihm eine goldene Kette an und rief ihn zum Gegenkaiser aus. Nun war die Geduld Justinians erschöpft. Da sich die Palastwachen während des Aufstandes neutral verhalten hatten, griff der Kaiser auf seinen Feldherrn Belisar und dessen gotische Elitetruppen zurück. Das Ergebnis hat der oströmische Historiker Johannes Malalas in seiner Weltchronik festgehalten: „Jetzt drangen die Feldherrn mit ihren Truppen in den Hippodrom ein und ließen von den beiden Eingängen her auf die dichtgedrängten Haufen einhauen, dabei schossen die einen mit Pfeilen, während die anderen ihre Schwerter verwendeten … Die Zahl derer aber, die im Hippodrom ums Leben gekommen waren, belief sich auf etwas mehr oder weniger als 30.000“.
Saskia Kerschbaum

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015

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