Die Tempelritter waren ein Vorbild der Johanniter und sind einer der berühmtesten Ritterorden. Zahlreiche Legenden ranken sich um sie, seit sie 1312 gewaltsam aufgelöst wurden. Wer waren die Templer?
Januar 1153: Die Streitmacht des Königreichs Jerusalem zieht gegen Askalon. Die befestigte Hafenstadt ist Ägyptens Vorposten im „Heiligen Land“. Sie bohrt sich wie ein schmerzender Stachel in die Flanke des Kreuzfahrerstaates. Monatelang belagert das christliche Heer mit allerlei Kriegsgerät die Stadt, bis plötzlich am 15. August ein Stück der Stadtmauer nachgibt. Ohne auf Verstärkung zu warten, stürmt Bernhard von Tremelay, der Großmeister der Templer, mit 40 Ordensrittern in die Stadt. Doch den Verteidigern gelingt es, die Bresche wieder zu schließen. Die abgeschnittenen Templer werden niedergemetzelt und am nächsten Tag „zieren“ 41 Körper die Stadtmauer. Diese Geste der Verachtung spornt die Christen nur noch mehr an. Eine Woche später fällt Askalon.
Wer waren diese Tempelritter, die mit solcher Todesverachtung kämpften? Die Templer-Chronik beginnt gegen 1120, als sich neun fromme Ritter unter der Führung des Franzosen Hugo von Payns zusammenschließen, um „das Land von Jerusalem zu verteidigen und die Pilger zu schützen“. Die Ritter unterwerfen sich den drei großen Prinzipien des Mönchtums: Keuschheit, Armut und Gehorsam. Doch ihren Weg zu Gott wollen sie nicht in der friedlichen Abgeschiedenheit eines Klosters suchen, sondern auf dem Schlachtfeld.
Die Johanniter kopierten die Templer
Dieses Konzept von „bete und kämpfe“ ist revolutionär, und es begeistert: Schon bald kopieren die Johanniter, die sich ursprünglich nur der Pilgerfürsorge verschrieben hatten, die Idee des Mönchsritters. Der Herrscher des Heiligen Landes, König Balduin II., überträgt Hug von Payns und seinen Anhängern eine Wohnung auf dem Tempelberg von Jerusalem. 1139 erhalten diese „armen Ritter Christi von Salomonischen Tempel“ durch Innozenz II. die päpstliche Anerkennung: „Gott selbst hat euch zu Verteidigern der Kirche und Gegnern der Feinde Christi gemacht!“
Seine Zeitgenossen teilen die Bewunderung, in einem Pilgerbericht liest man: „Die Templer sind vortreffliche Kriegsleute. Sie tragen weiße Mäntel mit einem roten Kreuz, und wenn si ein den Krieg ziehen, wird ihnen eine Standarte mit zwei Farben (Balzaus) vorangetragen. Sie ziehen in Schweigsamkeit dahin. Ihr erster Angriff ist der fürchterlichste. Im Vormarsch sind sie die Ersten, bei der Rückkehr die Letzten. Diese Templer leben unter einer strengen religiösen Regel, sie gehorchen in Demut, haben keinen persönlichen Besitz, essen genügsam und kleiden sich bescheiden.“
Ihre Ausbildungsmethoden sind unbekannt
Das Oberhaupt des Ordens ist der Großmeister, gefolgt von seinem Stellvertreter, dem Seneschall, und dem Marschall, Herr über das Arsenal und die riesigen Stallungen des Ordens. Am unteren Ende der Templerhierarchie stehen die nichtadeligen Dienenden Brüder: Handwerker und Sergeanten. Das eiserne Rückgrat des Ordens aber sind seine Ritterbrüder. Ihre Ausrüstung ist schlicht und schmucklos, gleicht aber ansonsten derjenigen ihrer weltlichen Standesgenossen: Als Waffen tragen sie Lanze, Schwert und Dolch, den Körper schützen Kettenhemd, Helm und Schild. Auch wenn das Ordenssiegel als Symbol für die Armut zwei Reiter zeigt, die sich brüderlich ein Pferd teilen, stehen jedem Ritterbruder mindestens zwei Pferde zur Verfügung: ein Hengst als Schlachtross sowie ein Wallach oder eine Stute als ruhiges „Reisepferd“.
Leider ist nur wenig über die Trainings- und Ausbildungsmethoden der Templer bekannt. Da der Orden nur gestandene Männer rekrutiert, ist auch der Templerneuling in der Regel ein erfahrener Ritter, der sein Schlachtross beherrscht und sein Pferd zu führen weiß. Nur eines ist für ihn neu und muss intensiv trainiert werden: die Eschielle, die Kavallerieattacke der Templer. Dabei reiten die Ritter in engster Formation zusammen, „dass ein zwischen sie geworfener Apfel nicht auf den Boden fallen kann, ohne einen der Ritter oder eines der Pferde zu berühren“.
Reiterattacken mit spezieller Technik
1177 lernen die bislang siegesverwöhnten Krieger Saladins in der Schlacht von Montgiscards die tödliche Effizienz der Eschielle kennen. „Wie ein einziger Mann“ stürmen 84 Templer unter der Führung ihres Großmeisters Odo von Saint-Armand auf das muslimische Heer. Der Angriff trifft den Feind mit der Wucht eines Hammerschlags. Die Reihen brechen und der Weg ist offen für die nachfolgenden Truppen des Königreichs Jerusalem. Ein Chronist: „Und Saladin war erschüttert in seiner Bewunderung, er sah seine Truppen zerschlagen, seine Männer in heilloser Flucht oder dem Schwert der Feinde preisgegeben“.
Der Sieg schenkt dem Königreich Jerusalem eine Galgenfrist von zehn Jahren, dann holt Saladin erneut zum Schlag aus. Bei den „Hörnern von Hattin“ vernichtet er 1187 das gesamte Aufgebot des Königreichs, als dieses sich törichterweise vom lebensspendenden Wasser entfernt. In der Hitze des Julis schmilzt die Kampfkraft des Kreuzfahrerheers wie Schnee in der Wüstensonne.
Die Templer scheiterten am Wassermangel
Saladins Truppen kesseln die halb verdursteten Christen ein und setzen die umliegende Steppe in Brand, um Panik zu schüren. Dann schlagen sie zu: wer nicht fällt, gerät in Gefangenschaft – die Quellen sprechen von 15 000 Mann. Das Gros der weltlichen Ritterschaft wird verschont und später gegen Lösegeld entlassen. Mit den verhassten Templern und Johannitern jedoch mach Saladin kurzen Prozess: „Ich will die Erde von diesen beiden schändlichen Organen reinigen, die niemals ihre Feindschaft aufgeben!“ 230 Tempelritter und eine unbekannte Zahl von Johannitern wurden auf der Stelle enthauptet.
Drei Monate nach diesem Sieg erobert Saladin Jerusalem. Dass sich die Christen trotzdem weiter auf dem Boden des „Heiligen Landes“ halten können, ist nicht zuletzt der Verdienst der Templer. Umfangreiche Ländereien und Privilegien im Abendland – allein in Frankreich zählt der Orden über 1000 Niederlassungen – verleihen den Templern die nötigen finanziellen Ressourcen, den Kampf um Palästina weiterzuführen.
Verrat brachte die Kreuzfahrer zu Fall
Die beiden Eckpfeiler der Verteidigung sind die Burg Atlit (Pilgerburg) südlich von Haifa und Safed in Galiläa. Safed, „nicht von Menschen alleine, sondern eher durch die Allmacht Gottes errichtet“, ist das größte Bollwerk im „Heiligen Land“. Bereits in Friedenszeiten zählt seine Besatzung 1700 Mann: Neben einer kleinen Führungselite von 50 Rittern und 30 Sergeanten der Templer sind es vor allem Söldner aus ganz Europa und dem christlichen Orient.
Ein Heer 10 000 abhängiger Bauern und Handwerker sichert die Versorgung der Burg. Gleich dreimal versucht Ägyptens Mameluckensultan Baibar, der selbst die Mongolen bezwungen hatte, 1262 diesen „Block in der Brust des Islam“ zu stürmen – vergeblich. Die Mauern der Burg und der Mut der Templer lassen sich nicht erschüttern. Erst der Verrat durch orientalische Söldner bringt Safed zu Fall.
Ein französischer König vernichtete die Templer
Mit diesem ruhmlosen Triumph Baibars beginnt der Untergang des Kreuzfahrerreiches. 1291 ist – bis auf wenige Burgen – Akkon das letzte traurige Fragment des einst so strahlenden Königreichs Jerusalem. In einer epischen Abwehrschlacht gegen eine erdrückende Übermacht von mehr als 120 000 Mann kämpfen Templer und Johanniter Seite an Seite. Nach wochenlangen Kämpfen, bei denen der greise Großmeister des Ordens, Wilhelm von Beaujeu, den Tod findet, fällt die Stadt. Ohne Akkon sind die verbleibenden Besitzungen im „Heiligen Land“ nicht mehr zu halten; die Templer müssen auch Atlit räumen. „Dieses Mal war alles verloren, und die Christen hielten nicht einmal mehr eine Hand voll Land“, notierte beklommen ein Chronist der Templer.
Ihre letzte Niederlage erleiden die Mönche mit dem Schwert durch einen christlichen Feind: In einem Schauprozess lässt Frankreichs König Philipp IV., genannt der Schöne, unter willfähriger Duldung von Papst Clemens V. die Templer wegen Blasphemie und „Sodomie“ (damals die Bezeichnung für homosexuelle Praktiken) vor Gericht stellen. Philipp fürchtet die Macht der Ritter und giert zugleich nach deren Besitz. Durch Folter werden Geständnisse erzwungen und am 3. April 1312 wird der Orden aufgelöst. Ein Jahr später stirbt der letzte Großmeister, Jacques des Molay, auf dem Scheiterhaufen der Inquisition. Der Mythos der Templer aber überlebt die Zeiten.
Klaus Hillingmeier
Der Artikel erschien erstmals als Folge 4 der Serie „Elite-Einheiten“ in G/GESCHICHTE 4/2006 „Aufbruch in die Neue Welt – Christoph Kolumbus“
Zuletzt geändert: 25.05.2016