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Ein halber Erfolg

Preußens Sieg bei Königgrätz

Die Schlacht bei Königgrätz hatte weitereichende Auswirkungen auf das Machtverhältnis zwischen Österreich und Preußen. Aber was passierte auf dem Schlachtfeld eigentlich genau?

Die Schlacht von Königgrätz © DHM

Die Schlacht von Königgrätz, Gemälde von Georg Bleibtreu (1828-1892) | © DHM

 

Die Stimmung im Hauptquartier der habsburgischen Nordarmee in der Prager Vorstadt der Elbfestung Königgrätz war am 1. Juli 1866 alles andere als zuversichtlich. Seit ihr Oberbefehlshaber, August von Benedek, nur eine Woche zuvor mit seinen Armeekorps von Olmütz an die obere Elbe marschiert war, hatten die Österreicher nur herbe Niederlagen gegen die Preußen einstecken müssen. Selbst der Rückzug des Gegners aus Trautenau war mit vierfach höheren österreichischen Verlusten bezahlt worden. Zuletzt war das vorgeschobene I. Armeekorps zusammen mit dem Sächsischen Korps am 29. Juni bei Gitschin von den nur halb so starken Preußen aus ihren überlegenen Stellungen gedrängt worden und nach einem chaotischen Rückzug in einem verzweifelten Zustand an der oberen Elbe eingetroffen. Mehr als 30 000 Mann, praktisch ein ganzes Armeekorps, waren in nur wenigen Tagen verloren gegangen und gegen das dreimal so schnell schießende preußische Zündnadelgewehr, so hieß es in der Truppe, sei kein Kraut gewachsen.

Kaiser Franz Joseph gab widersprüchliche Befehle

Nach einer längeren Besprechung mit dem eigens aus Wien nach Königgrätz gereisten militärischen Berater des Kaisers, Friedrich Graf Beck-Rzikowsky, kabelte Benedek kurz vor Mittag an den Monarchen in Wien, dass die Nordarmee auf eine Katastrophe zusteuere und daher um jeden Preis ein Frieden geschlossen werden müsse. Nur zwei Stunden später traf die höchst ambivalente Antwort des Kaisers ein: Ein Friede zu schließen, sei unmöglich. Franz Joseph befahl jedoch, falls unvermeidlich, den Rückzug anzutreten und erkundigte sich zuletzt, ob denn eine Schlacht stattgefunden habe. Von der verklausulierten Aufforderung des Kaisers, vor dem Rückzug über die Elbe noch eine Schlacht zu schlagen, schien sich Benedek jedoch nicht beeindrucken zu lassen. In einer Besprechung mit seinen Korpskommandanten am Nachmittag des 2. Juli war jedenfalls von einem erneuten Kräftemessen mit den Preußen noch keine Rede. Der Feldzeugmeister wollte seinen angeschlagenen Truppen noch einen weiteren Ruhetag gönnen, ehe man den Rückzug über die Elbe antrat. Doch schon am frühen Abend häuften sich die Meldungen, dass der Gegner sich auf breiter Front nähere.

Schlacht bei Königgrätz

Truppenbewegungen am Morgen der Schlacht bei Königgrätz | © Mit freundlicher Genehmigung des Theiss Verlags entnommen aus „1866. Bismarcks Krieg gegen die Habsburger“ von Klaus-Jürgen Bremm

Der neue Befehlshaber Moltke änderte kurzfristig den Plan

Auch die Preußen realisierten erst am Abend desselben Tages, dass der Gegner tatsächlich die Elbe noch nicht passiert hatte. Preußische Ulanen hatten auf dem Plateau jenseits der Bistritz, einem Nebenlauf der Elbe, zahlreiche Biwakfeuer der Österreicher ausgemacht und ihre Beobachtung sofort an Prinz Friedrich Karl, dem Oberbefehlshaber der Ersten Preußischen Armee, gemeldet. Die Offiziere im Armeestab waren überrascht. Seit der Schlacht von Gitschin hatten die Preußen die Fühlung mit dem Feind verloren und jetzt zeigte sich, dass er noch mit mindestens drei Armeekorps in Schlagweite stand. Der Schlachtplan war schnell geschmiedet. Die Erste Preußische Armee wollte den Gegner am nächsten Tag frontal angreifen, wenn die Armee des Kronprinzen Friedrich Wilhelm wenigstens mit einem Korps unterstützte. Doch zu Friedrichs Karls Verdruss veränderte der ebenfalls in seinem Gitschiner Nachtquartier alarmierte General Helmuth von Moltke den Plan.

Erst am 2. Juni 1866 hatte König Wilhelm I. den 66-jährigen Chef des Generalstabes der Armee, der bis dahin nur als Berater und Planer gewirkt hatte, dazu autorisiert, den Armeebefehlshabern in seinem Namen operative Weisungen zu erteilen. Nach Moltkes Willen sollte nunmehr am kommenden Tag die gesamte Kronprinzenarmee mit allen ihren vier Armeekorps den Österreichern von Norden in die rechte Flanke fallen. Moltke hatte sofort erkannt, dass er die gesamte österreichische Armee vor sich hatte, und hoffte jetzt, die lange geplante Einschließungsschlacht endlich schlagen zu können. Daher hatte er auch konsequent darauf bestanden, dass die beiden preußischen Hauptarmeen entgegen der herrschenden Lehre bis zum Auftreffen auf den Feind getrennt bleiben mussten. Nur so schien es überhaupt möglich, acht Armeekorps gleichzeitig in Front und Rücken zu packen. Allerdings war Moltke klar, dass die etwa 25 Kilometer entfernt bei Königinhof stehende Kronprinzenarmee erst am frühen Nachmittag auf dem Schlachtfeld eintreffen würde. Prinz Friedrich Karls Erste Armee, der auch die so genannte Elbarmee mit ihren drei Divisionen unterstellt war, musste also für etliche Stunden die Hauptlast des Kampfes tragen und den Gegner in einer Gesamtschlacht halten, wie Moltke es ausdrückte.

Die Österreicher handelten aus Not

Auch die Nordarmee bereitete sich jetzt auf eine Schlacht vor. Dabei war man sich der Gefahr eines preußischen Flankenstoßes von Norden durchaus bewusst. Benedeks Stabschef, General Gideon Krismanic, hatte daher noch in der Nacht zum 3. Juli die zwei schlagkräftigsten Korps der Nordarmee zum Schutz der rechten Flanke bei Chlum und Nedelischt postiert. Zwei weitere Korps bildeten zwischen Lipa und Langenhof das österreichische Zentrum, das mit seinen 134 Geschützen die Bistritzübergänge zwischen Makrowous und Sadowa beherrschte. Den linken Flügel der Nordarmee zwischen Popowitz und Nechanitz sollte das Sächsische Korps halten. Krismanic hatte hier auch noch ein österreichisches Korps eingesetzt, ohne aber dessen Unterstellung unter den Befehl des Sächsischen Befehlshabers, Kronprinz Albert, klar zu regeln.

Unverkennbar war der österreichische Plan aus der Not geboren. Zwar waren die Stellungen im Zentrum sehr stark, aber beide Flankenpositionen höchst anfällig, während die Elbe im Rücken im Falle eines erzwungenen Rückzuges ein weiteres Risiko bildete. Gleichwohl war Krismanic durchaus optimistisch. Er rechnete sogar mit der Möglichkeit eines österreichischen Gegenangriffes, sobald sich die Preußen beim Sturm auf Lipa verausgabt haben würden und hatte daher zwei weitere Korps direkt hinter dem Zentrum als Reserve platziert. Insgesamt verfügte Benedeks Nordarmee am Morgen des 3. Juli einschließlich des sächsischen Kontingents über acht Armeekorps mit knapp 210 000 Mann. Ihre rund 700 Geschütze besaßen bereits ausnahmslos gezogene Läufe, womit sie präziser und weiter schossen als die Masse der preußischen Artillerie, die noch zu Zweidritteln aus Glattrohrgeschützen bestand.

Die ersten Schüsse fielen um 7.30 Uhr morgens

Die Preußen hatten zu Beginn der Schlacht zunächst nur 150 000 Mann zur Hand und würden erst am frühen Nachmittag nach dem Eintreffen der Kronprinzenarmee mit ihren 115 000 Mann über eine deutliche Übermacht verfügen. Auf österreichischer Seite war die Stimmung am Morgen des 3. Juli wieder zuversichtlich. Als Benedek mit seinem Stab von Königgrätz nach Lipa ritt, wurde er überall mit Jubel begrüßt. Unter den schwungvollen Rhythmen der überall aufspielenden Militärkapelen waren die demütigenden Niederlagen der vergangenen Woche auf einmal vergessen.

Die ersten Schüsse der Schlacht, die neben der Völkerschlacht von Leipzig zu den größten des 19. Jahrhunderts zählt, fielen gegen 7.30 Uhr. Vier Divisionen der Ersten Preußischen Armee drangen parallel zur Bistritz vor und vertrieben die gegnerischen Vorposten aus den malerischen Dörfern des Flusstals. Planmäßig zogen sich die Österreicher auf ihre vorbereiteten Hauptstellungen am gegenüberliegenden Hang zurück, während ihre überlegende Artillerie die nachrückenden Preußen unter massiven Beschuss nahmen. Zu Brennpunkten des Kampfes wurden in den kommenden Stunden der Swiepwald nördlich von Cistowes und der Holawald südlich der Straße Sadowa–Königgrätz. Während hier das überlegene Feuer der Österreicher die Bataillone der 8. Preußischen Divisionen niederhielt, behauptete sich im Swiepwald die 7. Division des Generals Eduard von Fransecky in mörderischen Kämpfen gegen einen zuletzt weit überlegenen Feind. Denn entgegen Benedeks Befehl hatten die beiden Befehlshaber der zum Schutz der österreichischen Nordflanke bestimmten Korps ihre Brigaden nach und nach im Swiepwald eingesetzt. Damit gelang es ihnen zwar, Franseckys dezimierte Bataillone allmählich aus dem mit Toten und Verwundeten übersäten Waldstück herauszudrängen, doch die Nordarmee war nun in ihrer rechten Flanke ungeschützt. Nur widerwillig folgten die beiden Befehlshaber Benedeks striktem Befehl, wieder ihre alten Stellungen zu beziehen. Doch der Schaden war nicht wieder gut zu machen. Die nördliche Flanke war der Österreicher entscheidend geschwächt.

Moltke kämpfte mit einer Erkältung und Fieber

Auf ihrem Beobachtungsposten auf dem Roskosberg oberhalb von Sadowa ahnten weder König Wilhelm und noch Moltke, der an diesem Tag tapfer mit einer fiebrigen Erkältung kämpfte, von den Schwierigkeiten auf der Gegenseite. Der Chef des Generalstabs der Armee war voll und ganz damit beschäftigt, seinen immer nervöser werdenden Monarchen zu beruhigen. Anlass zur Sorge bestand tatsächlich, denn Prinz Friedrich Karls Divisionen zeigten nach stundenlangem Verharren im gegnerischen Feuer starke Auflösungserscheinungen. Einzelne Abteilungen, manchmal nur noch von Feldwebeln geführt, wankten vor den Augen ihres Königs und obersten Kriegsherrn dezimiert und betäubt aus der Feuerzone. Gegen Mittag war von der Kronprinzenarmee immer noch nichts zu bemerken und auch auf dem rechten preußischen Flügel kamen die Divisionen der Elbarmee kaum über die Bistritz. Noch hielten die Sachsen in ihren starken Stellungen bei Prim und Problus und selbst Moltkes dringende Ermahnung, mehr Initiative zu zeigen, konnte den verantwortlichen Befehlshaber, General Herwarth von Bittenfeld nicht dazu bewegen, endlich alle seine Divisionen über die Bistritz zu bringen. Doch der erfahrene Offizier, ein Veteran aus den Befreiungskriegen, fürchtete wohl, abgeschnitten zu werden, falls das preußische Zentrum durch einen massiven Gegenangriff der Österreicher zerschlagen würde. Tatsächlich schien dieser Gegenangriff unmittelbar bevorzustehen und immer mehr Offiziere im Hauptquartier der Nordarmee drängten darauf, die zwei Reservekorps gegen die erschöpften Preußen einzusetzen. Alle wussten, dass sich das Zeitfenster bis zum Eintreffen der Kronprinzenarmee allmählich schloss.

Die Entscheidung fiel bereits gegen 15 Uhr

Seit 13 Uhr war das Artilleriefeuer des Preußischen Gardekorps, das die Speerspitze der Kronprinzenarmee bildete, im Norden immer deutlicher zu vernehmen. Auch die Lage bei den Sachsen verschlechterte sich von Minute zu Minute. Benedek aber zögerte. Vielleicht wusste er auch, dass die Preußen im Zentrum noch starke Reserven hatten und fürchtete ein erneutes Abschlachten seiner Angriffskolonnen wie bei Nachod und Skalitz. Allerdings konnte er sich auch nicht durchringen, seine beiden Reservekorps zum Schutz der entblößten Nordflanke einzusetzen und alle Vorbereitungen für einen geordneten Rückzug zu treffen. Gegen 14 Uhr zeichnete sich die Katastrophe für die Nordarmee immer deutlicher ab.

Im Süden hielten die Sachsen zwar noch Problus mit einer Brigade, hatten aber ansonsten schon mit dem Rückzug begonnen. An der Nordflanke wiederum hatten die österreichischen Batterien ihre Stellungen bei Horonowes geräumt und die 1. Preußische Gardedivision bereitete sich zum Sturm auf Chlum vor. Als die Preußen gegen 15 Uhr diese herausragende Position der Österreicher kaum einen Kilometer von Benedeks Lipaer Gefechtsstand gleich im ersten Ansturm einnehmen konnten, war dies bereits die Entscheidung der Schlacht. Verzweifelt versuchte ein konsternierter Benedek, die Ortschaft zurückzunehmen und opferte dazu fast seine gesamte Reserve. Generalmajor Leopold Graf von Gondrecourts I. Armeekorps verlor bei diesen letzten vergeblichen Angriffen fast 10 000 Mann im Feuer der preußischen Zündnadelgewehre. Nach mehr als einer Stunde musste der Feldzeugmeister den Befehl zum allgemeinen Rückzug geben, da im Süden Problus inzwischen auch gefallen war und die Preußen schon kurz vor der Straße von Sadowa nach Königgrätz standen.

Moltke sah die Schlacht nur als Teilerfolg

Einzig dem entschlossenen Einsatz seiner Artillerie und seiner Kavallerie verdankte es Benedek, dass er die Masse seiner Armee halbwegs geordnet über die Elbe bringen konnte. Doch 44 000 Mann waren gefallen oder gefangen genommen worden, ein Drittel der Geschütze verloren. Auf preußischer Seite betrugen die Verluste knapp 9000 Mann, davon waren etwas mehr 2000 getötet worden oder vermisst. Auch wenn die Österreicher entscheidend geschlagen waren, bedeutete Königgrätz für Helmuth von Moltke jedoch nur einen halben Erfolg. Eine völlige Einschließung des Gegners wäre möglich gewesen, doch im Süden hatte Herwarth zu zögerlich agiert. Seinen Befehl an das bisher noch nicht ein eingesetzte V. Preußische Korps, von Norden her die Elbübergänge zu besetzen, annullierte Moltke angesichts des Durcheinanders auf dem abendlichen Gefechtsfeld sogar selbst. Erst die Schlacht von Sedan am 2. September 1870 sollte ihm das erhoffte „Cannae“ bringen.

Klaus-Jürgen Bremm

Mehr Informationen über die Hintergründe und Auswirkungen der Schlacht finden Sie in dem 2016 bei Theiss erschienenen Buch des Autors „1866. Bismarcks Krieg gegen die Habsburger“

Zuletzt geändert: 25.05.2016