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Symbolischer Sieg

Die Schlacht bei Lepanto

Die Schlacht bei Lepanto zwischen Christen und Osmanen kostete Tausende Menschen das Leben – und tötete einige politische Illusionen. Gefeiert wird sie dennoch – für ihre Symbolik.

Die Schlacht bei Lepanto

Die Schlacht bei Lepanto am 7. Oktober 1571, dargestellt von einem unbekannten Maler | © istockphoto.com/sedmak

 

68 000 Gebete steigen in den wolkenlosen Himmel über dem östlichen Mittelmeer: „Herr, steh’ uns bei in diesem heiligen, gerechten Unternehmen!“ Der 7. Oktober 1571, ein Sonntag, beginnt auf den 212 Kriegsschiffen der „Heiligen Liga“ mit einem Gottesdienst. Admiral Don Juan de Austria hat für 9 Uhr angeordnet, was in christlichen Heeren vor großen Schlachten üblich ist. Und der Beistand des Höchsten ist an diesem Morgen vor der griechischen Küste bei Lepanto bitter nötig. Denn die Soldaten und Ruderer der Galeerenflotte unter spanischer Führung sehen einer Übermacht entgegen. 77 000 Osmanen auf rund 260 Galeeren erwarten sie, im Schlepptau den Nimbus der Unbesiegbarkeit.

Nach dem Gebet spricht Don Juan seinen Männern Mut zu: „Jetzt ist die Zeit, ewigen Ruhm zu erringen!“ Ruhm und Krieg, damit kennt sich der Spanier aus. Seine Familie ist damit zur mächtigsten der Welt geworden – der Alten und Neuen. Allein um seinem Hause Ehre zu machen, ist ein Sieg des Kreuzes über den Halbmond Pflicht! Nach der Ansprache bejubelt die Besatzung des spanisch-italienischen Flottenverbands ihren 24-jährigen Kommandanten. Das war nicht zu erwarten, denn bis dato herrschten Missgunst und Abneigung zwischen Italienern und Spaniern. Dem charismatischen Habsburger scheint es indes zu gelingen, eine echte Einheit in die Schlacht zu führen.

Politik einte eher als der Glaube

Dennoch sind die ungünstigen Vorzeichen des nahenden Machtkampfs allen Christen klar: Ihre Gegner aus dem Orient sind gefährlich und auf See noch ungeschlagen. Ihnen entgegen stemmt sich ein Zweckbündnis, das sogar beinahe auf sein größtes Kontingent hätte verzichten müssen, weil Spanien lange nichts von einer „Heiligen Liga“ wissen wollte. Doch die Männer wissen auch: Für jenen Sonntag im Golf von Patras sind innerchristliche Differenzen beigelegt und Weigerungen überdacht worden. Das bedeutet viel, und es geht um viel: den Kampf gegen das, was die Christen für „schändlichen Unglauben“ halten – und um politische Einzelinteressen.

Offiziell rudern die christlichen Galeeren bei Lepanto gegen die Westexpansion des Glaubensfeindes aus dem Morgenland an. Die Türken sind seit der Eroberung Konstantinopels 1453 bis auf den Balkan vorgedrungen; das Abendland fürchtet die neue Großmacht. Zuletzt haben die Krieger des Sultans das von Venedig kontrollierte Zypern besetzt – und die Gründung der „Heiligen Liga“ ausgelöst. Denn obwohl die Lagunenstadt und der Papst nicht immer einer Meinung sind, folgt der Heilige Vater einem venezianischen Hilfsgesuch zur „Türkenabwehr“ und ruft die Allianz des Glaubens aus. Inoffiziell befeuern sie machtpolitische Impulse: Venedig geht es de facto um die Verteidigung seines Mittelmeerhandels, der Papst träumt von einer Renaissance der Kreuzzüge und der christlichen Einheit. Anschluss findet die Liga in Genua, der Toskana, auf Malta – und zuletzt in Spanien.

Die Christen zweifelten an ihrer Mission

Die Herren der Welt mit ins Boot zu holen, hat den Papst die größte Mühe gekostet. Denn Spaniens König Philipp II. verachtet die Venezianer, schimpft sie zügel- und gottlos. Dass er der Liga dennoch beitritt, hat vor allem mit seiner Religiosität und seinem nationalen Pflichtbewusstsein zu tun. Für Philipp gilt: Wer von Amerika über halb Europa bis zu den Philippinen über ein Reich gebietet, in dem die Sonne niemals untergeht, der kann sich kaum vor den Osmanen drücken. Ein Habsburger muss die Liga zum Sieg führen. Um Gottes Macht zu demonstrieren. Und Spaniens.

Das überlässt der König seinem Halbbruder Juan, 1547 in Regensburg geborener Bastard Karls V. und bereits erfahrener Feldherr, der bei Lepanto um 9.30 Uhr die Signalkanone zum Schlachtbeginn donnern lässt. Trotz der Motivation, die seine Männer jetzt eint: Mit Beginn des Gemetzels kommen den Christen Zweifel an ihrer Mission. Weil gegen die schiere Übermacht der Osmanen keine Taktik hilft, entwickelt sich das Seegefecht größtenteils zu einem blutigen Enterkampf, Mann gegen Mann. Die Schlacht fordert Illusionen, Material und Tausende Menschenleben. Am Ende zahlt sie sich nur symbolisch aus – dennoch, oder gerade deswegen – wird ihrer noch jahrhundertelang gedacht.

Berühmter Augenzeuge: Cervantes war mittendrin

Der Waffengang findet entlang einer kilometerbreiten Schlachtlinie statt. Zwischen je zwei wendigen Flügeln liegen sich im Zentrum die Flaggschiffe gegenüber. „La Real“ kommandiert Don Juan; auf der „Sultana“ befielt Ali Pascha, Kommandant der Türken. Als Westwind aufkommt und die ersten Geschwader aufeinanderprallen, gehen spanische, italienische und türkische Befehle im Höllenlärm der Seeschlacht unter. Der noch immer wolkenlose Himmel über der griechischen Küste füllt sich mit den Geräuschen eines erbitterten Schlachtens: Holz birst, Kanonen donnern, Pulverdampf verhüllt schreiende Menschen, die über Bord gehen, verbluten und sterben. Auch der spanische Soldat Miguel de Cervantes wird verwundet, der das Grauen später in Weltliteratur fasst: „Kaum ist einer dort gefallen, so nimmt ein anderer seinen Platz ein […] Ohne nur dem Sterbenden Zeit zum Sterben zu lassen“.

Die Zuversicht der Christen schwindet weiter, als es den Türken gegen 11 Uhr gelingt, das venezianische Kontingent zu dezimieren und den Befehlshaber der Seerepublik zu töten. Doch der Gegenschlag folgt mit Venedigs Galeassen, die die Schlacht letztlich entscheiden werden. Jene neuartigen Mega-Galeeren sind acht Meter länger als übliche Galeeren (40 Meter lang, fünf Meter breit), dazu höher, schwerer zu entern und tödlicher. Denn ihre Kanonen feuern – eine Innovation im Kriegsschiffsbau – in alle Richtungen auf die türkischen Schiffe, die daraufhin kentern. Angetrieben werden alle Schlachtschiffe von Sklaven, die angekettet bis zur Erschöpfung rudern, während an Deck christliche Arkebusen gegen türkische Pfeile schießen.

Der Sieg war militärisch und politisch wirkungslos

Das Kapern, Kämpfen und Töten scheint endlos, bis gegen Mittag die überraschende Entscheidung fällt. Auf den beiden Flaggschiffen tobt eine zähe Schlacht in der Schlacht, bei der die Christen sogar Sklaven freilassen und zum Kampf rufen. Die Türken scheinen dem Sieg nahe, doch dann fällt ein Schuss – und trifft Ali Pascha mitten in den Kopf. Das ist das Ende. Das ahnt auch der verwundete Don Juan und reißt unter dem Jubel seiner Männer den nun abgeschlagenen Kopf des Türkenadmirals in die Höhe. Die „Sultana“ wird erobert, danach geht es schnell. Gegen 13.30 Uhr ist ein Großteil der Halbmond-Flotte versenkt, der Rest entkommt. Um 15 Uhr feiern die Christen den Zittersieg, dessen Bilanz schaurig ist. Die Muslime hinterlassen über 30 000 Tote und 117 versenkte Schiffe. Die Liga hat über 8000 Menschen und 13 Schiffe geopfert. 8000 Männer sind verwundet, 12 000 christliche Rudersklaven befreit. Die Freude der Christen ist unbändig, sie haben erreicht, was sie wollten, die Osmanen sind vernichtend geschlagen.

Glauben sie. Doch schon bald wird klar, dass der hart errungene Sieg politisch und militärisch wirkungslos ist. Denn die Türken rüsten schnell wieder auf: „Indem ihr unsere Flotte besiegt habt, habt ihr uns nur den Bart abrasiert“, verkündet ihr Großwesir schon 1572 gen Westen. „Er wächst nun umso dichter.“ Das merkt vor allem Venedig, das, im Niedergang begriffen, Zypern bald sogar diplomatisch an Istanbul abtritt. Auch Rom wird enttäuscht. Pius V. schreibt seine Illusion von Einheit durch Kreuzzug ab, als die Liga zerfällt. Dass das Andenken an Lepanto trotz politischer Kurzlebigkeit überdauert, hat mit der Symbolik der Schlacht zu tun. Als glorreicher Triumph des Abendlandes über die nicht länger unschlagbaren „Ungläubigen“ geht sie in die kollektive christliche Psyche ein.

Der Papst erklärte Don Juan zum „Retter der Welt“

Den Tag, der die Osmanen entzaubert hat, preisen fortan zahlreiche Künstler und bannen ihn etwa auf Kirchenfresken. Präsent bleibt der Sieg auch, weil Pius den 7. Oktober zum „Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Sieg“ ausruft. Seit einer Umbenennung durch Gregor XIII. feiern die Christen das Datum jährlich als Rosenkranzfest. Dass der Tag von Lepanto in Spanien gepriesen wird, liegt nicht nur am Triumph des „wahren Glaubens“. Auch machtpolitisch verbucht man den 7. Oktober dort als Coup. Und die imperiale Zufriedenheit bleibt lange ungetrübt. Don Juan de Austria ist vom Papst zum „Retter der Welt“ erklärt worden. Der Oberbefehlshaber hat seiner Nation alle Ehre gemacht. Auch Philipp II. applaudiert seinem Halbbruder. Seine Allerkatholischste Majestät ist überzeugt, dass der Sieg klar gemacht hat, wem die weltliche Führung der Christenheit obliegt. Wer zu Recht über das erste Weltreich der Geschichte gebietet. Wer vor und nach Lepanto im Zenit seiner Macht steht: nur Spanien.

Frauke Scholl

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 6/2012 „Das Spanische Weltreich“

 

Zuletzt geändert: 25.05.2016