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Castros Kuba

Die Schweinebucht-Invasion

Der Kubakrise ging ein Angriff von Exil-Kubanern auf das Regime Fidel Castros voraus. In der Schweinebucht erlitt die USA eine verheerende Niederlage.

 

Castro, Che Guevara, Camilo

Ein Propagandaplakat mit Fidel Castro, Che Guevara und Camilo in Havanna feiert die Revolution von 1959. Foto vom September 2011. | ©  istockphoto/luoman

Die CIA verkaufte die Militäraktion dem gerade erst im Amt vereidigten Präsidenten als sichere Methode, den bärtigen Revoluzzer in Havanna und seine linke Truppe zu stürzen: 1500 schwer bewaffnete und vom CIA trainierte Exil-Kubaner sollten mit Luftunterstützung durch übermalte US-Jets an der sumpfigen Südküste Kubas landen. Dort mussten sie ihren Brückenkopf nur so lange halten, bis die bereitstehende »Exil-Regierung« eintraf und von kubanischem Boden aus die USA um Militärhilfe bat.

Doch Castros Revolutionsarmee schlug so schnell zurück, dass die Invasoren aufgerieben waren, ehe sie ihren Politikern den roten Teppich ausrollen konnten. Und die Erwartung, dass sich die Bevölkerung den Angreifern anschließen würde, erwies sich ebenso als Chimäre wie die militärischen Konzepte, die in Washington ausgeheckt worden waren. Wie aber kam es zu dem Konflikt zwischen der großen Supermacht und der kleinen Zuckerinsel – einem Konflikt, der bis heute andauert, und unter dem niemand so sehr leidet wie die Bevölkerung Kubas?

Die USA hatten in kubanisches Zuckerrohr investiert

Am 1. Januar 1959 waren Castros Truppen – wilde Typen in olivgrünen Tropenuniformen – triumphierend in die Hauptstadt Havanna, La Habana, eingezogen. Nach jahrelangem Guerilla-Krieg hatten sie den gründlich korrupten Diktator Fulgencio Batista gestürzt, der mit der »US-Verbrecherwelt« Geschäfte gemacht hatte. Die meisten Kubaner jubelten ihnen zu. Die Guerilleros nannten sich »M-26-7«, nach einem früheren, misslungenen Aufstandsversuch vom 26. Juli 1953 gegen die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Neben dem Sturz Batistas forderten die Revolutionäre soziale Gerechtigkeit und taten sich mit den einheimischen Kommunisten zusammen. Die USA warteten zunächst ab, um nicht ihre legalen Geschäftsinteressen auf der Insel zu gefährden.

Aber dann stieß bereits im Mai 1959 das Regime eine Agrarreform 
an und richtete in der Landwirtschaft sozialistische Kollektive ein. Dies schreckte die USA auf, denn US-Unternehmen hatten in kubanisches Zuckerrohr investiert – 
Kuba war damals der wichtigste Produzent und Exporteur von Zuckerrohr. Zudem waren kubanische Geschäftsleute in Massen seit dem 1. Januar 1959 in die USA emigriert. Dort bildeten sie besonders in Miami eine starke Lobby und erfreuten sich der Sympathien aller Anti-Kommunisten im Kalten Krieg.

Wollte das Militär Kennedy vorführen?

Im Juli 1960 verhängten die USA ein Import- und Exportembargo über Kuba. Der Wirtschaftskrieg war eröffnet: Denn damit waren auch die Öllieferungen gesperrt worden, was wiederum die Stromerzeugung lahmlegte. Die Sowjetunion sprang als Lieferant ein, und 
der Anschluss an Moskau wurde für Kuba zu einer Frage des Überlebens. Erst recht, als klar wurde, 
dass die USA sogar eine kriegerische Lösung in Betracht zogen. Doch der Invasionsversuch in der Schweinebucht schlug katastrophal fehl. Es wurden dabei insgesamt so viele Fehler gemacht, dass bis heute ein grausamer Verdacht herrscht: Das Militär habe den ungeliebten neuen Präsidenten Kennedy und die verhasste CIA vorführen wollen.

Regierung und Exil-Kubaner gaben aber trotz der peinlichen Pleite nicht auf. Kennedy beauftragte seinen Bruder Robert mit einem Programm für Sabotage und Unterwanderung in Kuba. Dabei spielten weiterhin die »Mobster« aus der US-Unterwelt mit. Später gab die CIA acht offizielle Mordanschläge auf Castro zu. Umgekehrt existiert die Verschwörungstheorie, dass die Ermordung Kennedys am 22. November 1963 in Dallas die Rache Castros für diese Mordversuche gewesen sei.

Die gescheiterte Invasion blieb nicht ohne Folgen: Der »Comandante en Jefe« und seine Revolution gewannen an Stärke, und Kuba näherte sich zunehmend an die Sowjetunion an. Bis zur Eskalation, der Bedrohung der Welt durch die Kubakrise. Das revolutionäre Kuba geriet auf dramatische Weise in den Mittelpunkt der Weltpolitik: Im Oktober 1962 kam es zur Raketenkrise, die die Welt so dicht wie sonst nie im Kalten Krieg an den Rand eines atomaren Schlagabtausches zwischen den beiden Supermächten brachte.

Beinahe hätte es einen Atomkrieg gegeben

Nachdem Kuba sich der Sowjetunion in die Arme hatte werfen müssen, sah diese die Chance, durch Stationierung von Kurz- und Mittelstrecken-Raketen nahe an den amerikanischen Gegner heranzurücken. Die Unterlegenheit bei Interkontinental-Raketen wäre so halbwegs ausgeglichen. Castro erkannte selbstverständlich die Gefahr, dass in einem Atomkrieg die beiden Großmächte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Insel vernichten würden. Aber angesichts des würgenden US-Embargos und der ständigen Invasions-Drohung musste er den Sowjets ihren Willen lassen. Die Ereignisse überschlugen sich: Die USA entdeckten Abschussrampen für die sowjetischen Raketen und reagierten mit einer Seeblockade, während die Sowjetunion sich weigerte, die Raketen abzuziehen. Die Welt hielt den Atem an.

Der Ausweg war kompliziert, aber letztendlich legten die Supermächte die Krise bei: Moskau zog auf amerikanischen Druck hin seine Raketen wieder ab und die USA verpflichteten sich, von Angriffen auf Kuba abzusehen. Über Einzelheiten dieser »Kuba-Krise« ist auch im Zeitalter von Wikileaks noch nicht alles aus den diversen Staatsarchiven ans Licht gekommen.

Kuba will allen unterdrückten Völkern helfen

In der Folge verlagerte sich der Konflikt der Westmacht mit dem kleinen Kuba auf andere Bühnen. Gut sozialistisch und im Trend der Breschnew-Zeit bekannte sich Kuba zum »Internationalismus« – 
Hilfe für alle Völker, die irgendwie als vom westlichen Imperialismus unterdrückt bezeichnet werden konnten. Kuba leitete daraus sein humanitäres, überwiegend aber militärisches Eingreifen in Afrika und Lateinamerika ab, was dem Land hohe Opfer auferlegte. Die mussten die Untertanen leisten. Das Regime allerdings festigte dadurch seine Position als »Sub-Unternehmer« der Sowjetunion. Dabei wurde es vom »großen Bruder« aber nie so vollständig abhängig, wie es die Staaten des Warschauer Pakts waren.

Über Form und Zielrichtung dieses Engagements verkrachte sich Castro mit seinem berühmtesten Mitstreiter, Ernesto Guevara de la Serna aus Argentinien, genannt Che Guevara. Der schwärmte für den global zu führenden Kampf gegen den Welt-Kapitalismus und wurde daher vom Pragmatiker Fidel abgeschoben. Erst in den kapitalistisch orientierten Kongo, wo er Schiffbruch erlitt, und dann weiter nach Bolivien. Hier verhungerte seine Guerilla-Truppe, während er selbst vom bolivianischen Militär im Oktober 1967 zur Strecke gebracht wurde. Die Legende des gescheiterten Che Guevara lebte in der linken Bewegung des Westens weiter. Nach seinem Tod nahm das kubanische Engagement in den Befreiungskämpfen Afrikas gegen die Kolonialherrschaft sogar noch zu.

Kubas Engagement in Afrika

In den 1970er-Jahren unterstützte Castro die linken »Sandinistas« in Nicaragua, die 1979 den Präsidenten Somoza vertrieben. In Afrika zählte man insgesamt 17 kubanische Engagements, teils militärischer, teils humanitärer und ziviler Art – einige Beispiele: Ab 1961 waren kubanische Soldaten an der Seite der algerischen Aufständischen gegen Frankreich eingesetzt. Guinea-Bissau befreite sich 1974 durch einen Guerilla-Krieg von der Kolonialherrschaft Portugals und erkannte offiziell an, dass das ohne Kubas Hilfe nicht möglich gewesen wäre.

Im selben Jahr 1974 räumten die Portugiesen Angola, woraufhin die linke einheimische MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) die Hauptstadt Luanda in ihre Gewalt bekommen wollte. Im August 1975 rückten Truppen des Apartheid-Regimes in Südafrika über die südliche Grenze ein, um die Gegner der MPLA zu unterstützen. Daraufhin entsandte Castro – ohne die Sowjets um Erlaubnis zu fragen – Kampfeinheiten mit modernem Kriegsgerät sowjetischer Bauart über den Atlantik. Es gelang den Kubanern, den Angriff auf die MPLA zu stoppen und die Südafrikaner zurückzudrängen.

35.000 bis 40.000 Mann hatte Castro auf dem Höhepunkt des Angola-Engagements im Lande stehen, dazu kamen kubanische Techniker, Lehrer und Ärzte. Der Krieg dauerte an, da die Südafrikaner sich nicht geschlagen gaben und amerikanische Unterstützung bekamen. Er gipfelte um die Jahreswende 1987/88 in der monatelangen Schlacht von Cuito Canavale, in der die Luftabwehr sowjetischer Produktion die südafrikanische Luftwaffe vom Himmel fegte und MIG-Düsenjäger, von Kubanern bemannt, den Rest besorgten. Das Ergebnis war die Räumung Angolas durch die Südafrikaner, der Abzug der Kubaner und die Unabhängigkeit Namibias. Auch in Mosambik, das nach der Unabhängigkeit von Portugal 1975 bis 1990 in einen Bürgerkrieg zwischen sowjet- und US-freundlichen Kräften taumelte, waren Kubaner als Militärberater tätig.

Im äthiopischen Bürgerkrieg, den der leninistisch ausgerichtete Diktator Mengistu nach seinem Putsch 1974 gegen die eigenen Landsleute führte, mischten Castros Soldaten ebenfalls mit. Im Juli 1977 nutzte das Nachbarland Somalia die Wirren in Äthiopien aus und fiel mit seiner von Moskau ausgerüsteten Armee in die Grenzprovinz Ogaden ein. Die Sowjetunion schlug sich aber plötzlich auf die Seite Äthiopiens. 15.000 bis 17.000 Kubaner wurden per Lufttransport aus Angola an die neue Front gebracht. An denen bissen die Somalis sich die Zähne aus.

Hungerrevolte in Havanna

Mit dem Ende des Kalten Krieges passten derlei überseeische Kraftanstrengungen nicht mehr ins politische Bild. Sie hatten Kuba mehr als 10.000 Tote und tiefrote Zahlen im Staatshaushalt gekostet, ungeachtet der umfangreichen sowjetischen Wirtschaftshilfe. Unter den neuen Umständen war auch Kubas Ökonomie erledigt. Die Zuckerrohrproduktion sank dramatisch, 85 Prozent der Exportmärkte im COMECON, dem Ostblock-Wirtschaftsraum, brachen weg, das Bruttosozialprodukt sank fast um die Hälfte – 
die amtlichen Optimisten nannten das »Sonderperiode in Friedenszeiten«. Der Tourismus wurde angekurbelt, 2004 bestritt er elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Aber das glich die drückende Mangelwirtschaft nicht aus.

Am 5. August 1994 kam es in Havanna sogar zu einer Hungerrevolte. Rufe wie »Cuba si, Castro no!« erklangen. Der musste die Küstenüberwachung aufheben, um den Unzufriedenen die Gelegenheit zur Flucht zu geben und damit die Situation zu entspannen. Das Regime stand am Rande des Abgrunds – aber es brach nicht zusammen.
Eine gewisse ökonomische Erleichterung brachte die Annäherung an Venezuela, wo seit 1998 Hugo Chávez als Staatspräsident amtierte, dessen vage Ideologie zumindest in einem Punkt klar ist: der Gegnerschaft zu den USA. Chávez ersetzte die sowjetischen Öllieferungen mit eigenen zu Vorzugspreisen. Im Mai 2005 gründete Chávez mit Castro die regionale Wirtschaftsgemeinschaft der »Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika« (ALBA), mit heute neun Mitgliedern. 2007 bis 2009 soll nach amtlichen Angaben ihr Wirtschaftswachstum insgesamt 30 Prozent betragen haben.

Julian Assange beglückwünscht Castro

Trotzdem grassiert die Armut noch immer, und die Alleinherrschaft der »Kommunistischen Partei Kubas« (PCC) lockerte sich kaum. Diese war erst 1965 nach dem Zusammenschluss der das Regime stützenden Gruppierungen entstanden und übt seither das politische Monopol aus. Ihren Statuten gemäß müsste sie eigentlich alle fünf Jahre einen Parteitag abhalten. Doch der bisher letzte fand 1997 statt, der für Ende 2009 angekündigte wurde abgeblasen.

Im August 2006 musste der 80-jährige Fidel zu einer Darmoperation ins Krankenhaus, und am 24. Februar 2008 wurde sein Bruder Raúl, seinerseits im 77. Lebensjahr stehend, von der Nationalversammlung zum Staats- und Regierungschef gewählt. Auch wenn der Comandante keine achtstündigen Reden mehr erwarten lässt, so ist er dennoch nicht abzuschreiben. Er wird nicht müde, das Weltgeschehen zu kommentieren. Wikileaks-Chef Julian Assange beglückwünschte er, die USA »moralisch in die Knie gezwungen zu haben«. Eine nationale Ausgabe von Wikipedia erklärt die Welt auf kubanisch. Und Fidel spricht sich für eine Anti-Atomkrieg-Bewegung aus, er kennt die Gefahr und sieht sie weiterhin bestehen.

Rum und fröhliche Menschen: Der Mythos lebt

Anfang September 2010 gab Fidel einem US-Journalisten und der Wissenschaftlerin Julia Sweig ein verblüffendes Interview, in dem er offen sagte: »Das kubanische Modell funktioniert nicht.« Sweig interpretierte diesen Satz, Castro habe damit die Ideen der Revolution keineswegs aufgeben, sondern nur betonen wollen, dass der Staat in der Wirtschaft des Landes ein zu großes Gewicht habe. Er wolle mit seiner Autorität dem Bruder den Freiraum zur Liberalisierung des Systems schaffen, den dieser den Betonköpfen der PCC gegenüber brauche.

Der Mythos Kubas mit seinen morbiden Häusern, den alten Automobilen und fröhlichen Menschen, einer turbulenten Welt, die nach Rum und Zigarren riecht, bleibt allerdings hartnäckig bestehen. Auch wenn beispielsweise die Meinungs- und Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt sind. Über 80 Prozent der Nahrungsmittel müssen importiert werden. Viele junge Kubaner flüchten weiter von der Insel und suchen eine Zukunft in den USA.

Ein Systemwechsel in Havanna ist jedenfalls nicht in Sicht, und damit auch keine Lösung des langen Streits mit dem großen kapitalistischen Nachbarn. US-Geheimdokumente beschreiben die Kubaner als voller »Hass« gegen das Castro-Regime. Es stehe eine Rebellion bevor. Das Dokument 
stammt vom 31. März 1961. Drei Wochen später startete die Schweinebucht-Invasion.

 

Bernd Rill

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015