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Marktplatz der Völker

Die Wikingersiedlung Haithabu

An keinem Ort in Deutschland ist die Wikingerzeit noch so lebendig wie in der Wikingersiedlung Haithabu.

Haithabu

Geschichte hautnah: In Haithabu ist die Lebensweise der Wikinger sehr anschaulich erfahrbar. | © istockphoto.com/Steffen Hoejager

„Haithabu ist eine sehr große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres.“ So beschreibt der arabische Chronist Ibrahim ibn Ahmed At-Tartûschi um 965 in einem Reisebericht den Ort. Mit rund 1000 Einwohnern ist Haithabu im 10. Jahrhundert eines der bedeutendsten Handelszentren der Wikinger: Ob Quecksilber aus Spanien, chinesische Seide, orientalische Gewürze, fränkisches Glas oder Sklaven, in Haithabu fand alles Abnehmer. Von diesem „Wirtschaftswunder“ profitierte die wahrhaft internationale Einwohnerschaft aus Friesen, Dänen, Schweden, Norwegern, Sachsen, Franken, Slawen und Arabern, die sich hier einfanden. Immer mehr Reichtum sammelte sich in der Stadt an.

Von zentraler Bedeutung für den Standort war der Hafen. Hatte man anfangs die Boote noch an Land ziehen müssen, wurden schon bald weit in den Fjord hinausragende Stege errichtet, die es selbst großen Handelsschiffen ermöglichten, anzulanden. Mehrere derartige Stege verband man schließlich zu einer Plattform von über 1500 Quadratmetern Fläche. Hier wurde Ware gelagert, man trieb Handel und tauschte Informationen aus. Die guten Handelskontakte ermöglichten nicht nur die Beschaffung begehrter Rohstoffe, sondern erleichterten auch den Absatz handwerklicher Produkte in der näheren Umgebung.

Ein Heer griff Haithabu an und zerstörte die Wikingersiedlung

Doch so erfolgreich das Unternehmen Haithabu auch war, im 11. Jahrhundert war sein Ende gekommen. Die letzte urkundliche Erwähnung Haithabus stammt aus dem Jahr 1066. Damals griff ein slawisches Heer die Stadt an und zerstörte sie. Ob sie noch einmal aufgebaut wurde, bleibt fraglich. Archäologische Untersuchungen bestätigen jedenfalls, dass Haithabu im Verlauf des 11. Jahrhunderts endgültig verlassen wurde. Das neue Zentrum wurde Schleswig, am gegenüberliegenden Ufer der Schlei.

Heute deuten kaum noch Relikte in der Landschaft auf die einstige Bedeutung dieses Areals innerhalb des Halbkreiswalls hin. Erst archäologische Ausgrabungen brachten die längst vergangenen Spuren wieder ans Licht und halfen, die Geschichte dieser Wikingersiedlung „am Rande des Weltmeeres“ zu schreiben. Bereits seit 1900 suchten Archäologen sehr erfolgreich nach den Überresten der einstigen Wikingermetropole. Bis heute sind zwar erst fünf Prozent der rund 26 Hektar großen Ansiedlung untersucht, doch erlauben sie aufschlussreiche Einblicke.

In Haithabu können Besucher Bogen bauen und töpfern

Wer heute, über 1000 Jahre später, über das Areal spaziert, der trifft hier, zumindest in den Sommermonaten, ebenfalls auf rege Betriebsamkeit. Jedes Jahr informieren sich viele Tausend Besucher über die Welt der Wikinger. Zum Teil an den Originalstandplätzen wiedererrichtete Häuser geben nicht nur einen Einblick in die Struktur des Ortes, sondern auch in die vielfältigen Konstruktions- und Funktionsweisen der Gebäude. Veranstaltungen aller Art, vom Bogenbau bis zum Töpferhandwerk, hauchen der Vergangenheit neues Leben ein. Das 2010 völlig neu konzipierte Museum präsentiert nicht nur Funde von Tongefäßen bis hin zu restaurierten Wikingerschiffen, sondern bietet mit multimedialen und interaktiven Techniken auch eine zeitgemäße Darstellung des Lebens der Nordmänner.

Klaus-Dieter Dollhopf

© Bildnachweis Vorschaubild: istockphoto.com/Ollo

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 3/2013 „Die Wikinger“

Zuletzt geändert: 14.9.2017