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Das schwarze Schaf der Royals

Edward VII.

Ausgerechnet der notorische Schwerenöter und Müßiggänger Edward VII. führte das Vereinigte Königreich ins 20. Jahrhundert. Aber er machte seine Aufgabe gar nicht mal schlecht.

Edward VII.

Statue von Edward VII. in Liverpool aus dem Jahr 1916 | © istockphoto.com/ilbusca

 

Stolze 59 Jahre zählte Edward VII. bereits, als er am 22. Januar 1901 den Thron bestieg. Nachdem Königin Victoria drei Generationen lang das Land regiert hatte, stand nun zu Beginn des neuen Jahrhunderts erstmals wieder ein König an der Spitze der Nation. Victorias ältester Sohn Albert Edward, oder „Bertie“, wie er im Familienkreis genannt wurde, hatte sich vom elterlichen Hoffnungsträger zum schwarzen Schaf der Familie entwickelt. Nun trat er ein Erbe an, an dem er Zeit seines Lebens schwer getragen hatte.

Die Freude im Königreich war enorm, als die Queen am 9. November 1841 einen Sohn zur Welt brachte. Dies bedeutete, dass die Thronfolge nun durch einen männlichen Nachkommen gesichert war und die erstgeborene Prinzessin Vicky hinter ihrem Bruder zurücktrat. Das ganze Land feierte den Prince of Wales, doch war es vor allem seine Mutter, die die größten Hoffnungen in ihren Sprössling setzte. Benannt hatte sie den Prinzen nach ihrem geliebten Ehemann Albert von Sachsen-Coburg und mit diesem Namen ging die Hoffnung einher, dass der junge „Bertie“ seinem Vater an Tugend und Fleiß ebenbürtig sein würde. „Ich hoffe und bete, dass er wie sein liebster Papa werden möchte“, schrieb die Königin in einem Brief an ihrem Onkel Leopold I. von Belgien. Das Vorbild des Vaters erwies sich für den kleinen Prinzen jedoch schon sehr bald als übermächtig.

Victoria gab ihrem Sohn die Schuld am Tod ihres Mannes

Schon während seiner frühen Erziehung zeigte „Bertie“ Schwierigkeiten beim Lernen und insgesamt wenig Interesse an dem elaborierten Erziehungsplan, den seine Eltern für ihn auserkoren hatten. Zweisprachig erzogen meisterte er die deutsche Sprache zuerst, während er sich mit dem Englischen zunächst schwer tat. Dennoch erhielt er ab 1859 die standesgemäße Ausbildung in Oxford und Cambridge. So großer Wert auf die schulische Bildung des Prinzen gelegt wurde, zögerte Victoria zunächst davor, ihn mit offiziellen Aufgaben zu betrauen. Seine erste diplomatische Erfahrung sammelte er bei einer Nordamerikareise im Jahre 1860. Jedoch waren es die Erlebnisse im irischen Armeelager Curragh, die seinen Ruf auf lange Zeit hin prägten.

Offizierskollegen wollten dem Prinzen ein besonderes Geschenk bereiten und „schmuggelten“ die junge irische Schauspielerin Nellie Clifden in sein Bett. Als das Stelldichein der Königin zu Ohren kam, war die Panik groß, denn „Berties“ Hochzeit mit der jungen Prinzessin Alexandra von Dänemark war bereits ausgemachte Sache. Es galt, die Affäre möglichst unter Verschluss zu halten und einen Skandal für den zukünftigen König zu vermeiden – wie sich zeigen sollte mit ungeahnt schweren Folgen. Der gesundheitlich schwer angeschlagene Albert ließ es sich wegen des Ernsts des Lage nicht nehmen, seinen Sohn selbst aufzusuchen und ihm eine persönliche Standpauke zu halten. Ein langer Spaziergang im Regen hatte fatale Folgen. Sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich und er starb kurz nach seiner Rückkehr am 14. Dezember 1861. Es war ein prägendes Ereignis, dass Victorias Beziehung zu ihrem Sohn für den Rest ihres Lebens belasten sollte. Für sie war „Bertie“ allein schuld am Tod seines Vaters. Ihrer Tochter Vicky schrieb sie in einem Brief: „Ich kann und werde ihn nie wieder ohne Schaudern anschauen.“

Die Eltern hielten Edward VII. lange aus der Politik heraus

Das Königshaus konnte angesichts der Clifden-Affäre das Gesicht wahren. 1863 wurde Albert erfolgreich mit Alexandra verheiratet. Nach außen hin galt die Ehe als glücklich, doch auch wenn er seiner Mutter gegenüber Besserung gelobt hatte, unterhielt der notorische Schwerenöter über die Jahre zahlreiche Affären. An Damenbekanntschaften bestand kein Mangel. Während sich die Königin in ihr Witwendasein nach Balmoral zurückgezogen hatte, belebte der Prince of Wales die höfische Gesellschaft wieder. Er erwies sich dabei als charmanter Gesellschafter, der es verstand, die Leute für sich einzunehmen. So gelang es ihm, auch weitere Skandale zu überstehen. So etwa 1870, als er in einem öffentlichkeitswirksamen Scheidungsprozess um seine „Bekannte“ Harriet Mordount als Zeuge aussagen musste.

Der sittenstrengen Königin war ihr ältester Sohn stets ein Dorn im Auge. Freilich trieb sie den Prinzen auch indirekt in ein müßiges Leben zwischen Jagd, Banketts und Bettgeschichten, da sie ihn stets bewusst von allen Staatsgeschäften ferngehalten hatte. Als Edward VII. schließlich den Thron bestieg, trat er gleichsam aus dem Schatten seiner übermächtigen Eltern heraus und er dürfte sich nicht zufällig gegen den Namen Albert entschieden haben. In gesellschaftlichen Kreisen gefiel er durch sein ungezwungenes und einnehmendes Wesen, das ihm auch in diplomatischen Belangen von Nutzen war. Seine vielen Reisen nach Paris nutze er nicht bloß für Besuche in einschlägigen Etablissements, sondern knüpfte geschickt Beziehungen zum alten „Erbfeind“ Frankreich. Er sorgte während seiner Regentschaft mit dafür, die alte „splendid isolation“ seiner Mutter zu beenden. Allerdings forderte der ausschweifende Lebensstil des Königs nach wenigen Jahren seinen Tribut. Edward VII. verstarb am 6. Mai 1910 – in Gegenwart der Familie und Alice Keppel, seiner langjährigen Geliebten.

Florian Praßer

 

Zuletzt geändert: 3.3.2016