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Fast 70 Jahre an der Macht

Franz Joseph I.

Im Revolutionsjahr 1848 wird Franz Joseph I. Kaiser von Österreich. Heute ist er vielen vor allem aus den Sissi-Filmen bekannt. Seine Regierungszeit war turbulent – und dauerte bis zum Ersten Weltkrieg.

Franz Joseph I.

Franz Joseph I., Kaiser von Österreich: Er regierte fast 70 Jahre lang. | © istockphoto.com/GeorgiosArt

Wenige Monate bevor der 18-jährige Franz Joseph 1848 die Nachfolge seines Onkels Ferdinand als Kaiser antrat, war noch gar nicht so richtig klar, ob es überhaupt etwas zu regieren geben würde. Sein Vater, Erzherzog Franz Karl, hatte zugunsten seines Sprösslings auf die Krone verzichtet. Angestoßen von den Aufständen in Frankreich schwappte jedoch die Revolution durch Europa und machte auch vor den altehrwürdigen Habsburgern nicht halt.

Der junge Monarch setzt auf Neoabsolutismus

Es kam zu Aufständen in Wien, in Ungarn erhob man sich, kurzzeitig auch in Prag und in Italien, wo des neuen Kaisers Vorfahren über beträchtliche Ländereien herrschten. Überall wurde der Ruf nach politischer Mitbestimmung und nationaler Einheit lauter. Doch bevor der 1830 in Wien geborene Franz Joseph die Macht übernahm, hatten die Militärs für Ordnung gesorgt – zumindest vorerst. In Italien gewann Feldmarschall Graf Joseph Radetzky noch einmal für Habsburg die Oberhand. In Böhmen und Wien war es Alfred Fürst zu Windischgrätz. In Ungarn wurde die Rebellion mit russischer Hilfe unterdrückt, aber erst 1849, im ersten Regierungsjahr Franz Josephs.

Kurz schien die Monarchie gerettet. Allerdings hatten die revolutionären Unruhen in dem multinationalen Reich, das Gebiete unter anderem in Österreich, Ungarn, Italien, Böhmen, Galizien-Lodomerien und Kroatien umfasste, verdeutlicht, dass das Problem des jungen Kaisers nicht nur der Wunsch nach politischer Mitbestimmung war. Die nationalistischen Bestrebungen, die in vielen dieser Gebiete aufkeimten, bedrohten den Zusammenhalt des Riesenreiches. Franz Josephs Antwort: Unterstützt von Ministerpräsident Fürst Felix Schwarzenberg setzte der junge Monarch auf eine Regierungsform, die als Neoabsolutismus in die Geschichte eingegangen ist.

Der Ruf nach Mitbestimmunge verhallt

Noch einmal wurde der Staat ganz auf den Monarchen zugeschnitten. Zentralisierung war die Devise, durchgesetzt vor allem mit der Armee, einem üppigen Verwaltungsapparat und der Person des Kaisers. Der Ruf nach politischer Mitbestimmung verhallte zunächst. Von den Revolutionären ausgearbeitete Verfassungsentwürfe wurden kurzerhand kassiert und im März 1849 durch des Kaisers sogenannte oktroyierte Verfassung ersetzt. Doch auch dieses Werk, das etwa einen neuen Reichstag mit Ober- und Unterhaus vorsah, hatte nicht lange Bestand. Mit dem sogenannten Silvesterpatent des Jahres 1851, das das Gesetzeswerk aufhob, war vorerst Schluss mit dem Streben nach einer Verfassung in habsburgischen Landen. Noch einmal hatte das absolutistische Prinzip „Der Staat bin ich“ über den Konstitutionalismus gesiegt.

Eine revolutionäre Errungenschaft aber konnte sich halten: die Bauernbefreiung, die ein Abgeordneter schon 1848 auf den Weg gebracht hatte. Dabei blieb es unter Franz Joseph, allerdings wurden die Grundherren, die zuvor über ihre Untertanen verfügen konnten, üppig entschädigt. Die entstehenden Verluste rechnete man hoch: Ein Drittel übernahm der Staat, ein Drittel der Freigelassene, auf ein Drittel musste der ehemalige Grundherr verzichten. Für die Wirtschaft des Habsburgerreichs, dessen Staatskasse über Jahrzehnte dauerhaft klamm war, bedeutete das einen Schub, an dem auch der Wiener Börsenkrach von 1873 nicht viel änderte. Denn viele dieser Gelder flossen in den Gründerjahren in die aufkommende Industrialisierung, die für die Unterschichten allerdings erhebliche Härten bedeutete.

In der Außenpolitik agiert Franz Joseph unklug

Ihnen gegenüber standen Unzufriedenheit ob fehlender politischer Mitbestimmung und die nicht endenden nationalen Bestrebungen in den Ländern des Reiches. Trotzdem: Es blieb beim Neoabsolutismus. Wer weiß, was aus dem Habsburgerreich geworden wäre, hätte die Außenpolitik dem jungen Kaiser nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dabei sah der Anfang noch harmlos aus. In Russlands Krimkrieg (1854 – 1856) gegen das Osmanische Reich, das mit Frankreich und Großbritannien verbündet war, bemühte Franz Joseph sich um Neutralität. Bündnispolitisch war das ein Supergau, denn auf Seiten der Franzosen und Engländer zog das Haus Piemont-Sardinien, Vorkämpfer für die italienische Einheit, in den militärischen Konflikt. Dumm gelaufen: 1859 erinnerte sich der französische Kaiser Napoleon III. daran und rang in einem phasenweise äußerst blutigen Krieg Habsburg die Lombardei für die Italiener ab.

1860 folgte der eine oder andere Aufstand und Habsburgs Herrschaft in Ober-und Mittelitalien war fast zu Ende. Der Weg für das Königreich Italien war geebnet, auch wenn Franz Joseph weiter über Gebiete wie Venetien oder Triest herrschte. Ein herber Schlag, doch es sollte noch dicker kommen. In der deutschen Frage waren Innen- und Außenpolitik nicht eindeutig zu trennen. Nach der großdeutschen Lösung herrschten die Habsburger über ihre Teile des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches. Mit der kleindeutschen Lösung vereinten sich die Deutschen aber unter der Führung der protestantischen Hohenzollern. Anfang Juli 1866 entschied Preußen die deutsche Frage auf dem Schlachtfeld bei Königgrätz zu seinen Gunsten. Die Konsequenz: Die Donaumonarchie, die mit den Preußen bislang die erste Geige im Deutschen Bund gespielt hatte, schied aus dem Bündnis aus. Freie Bahn für das 1871 gegründete deutsche Kaiserreich unter preußischer Führung.

Mit Sisi wird Franz König von Ungarn

Für Franz Joseph hatten die beiden Niederlagen als Schlussakkorde des Neoabsolutismus gravierende innenpolitische Folgen. Da die Staatskassen kriegsbedingt noch leerer waren, schien es ihm nun an der Zeit, die Untertanen politisch mitreden zu lassen. Deshalb akzeptierte der Kaiser die Einführung einer Verfassung mit dem sogenannten Oktoberdiplom von 1860, dem Februarpatent von 1861 und schließlich der Dezemberverfassung von 1867. Wählen konnte jedoch nur, wer ausreichend Steuern zahlte. Erst bis 1907 wurde das Wahlrecht sukzessive auf alle Männer ausgeweitet. Der Monarch behielt ein Vetorecht bei der Gesetzgebung, die in Krisenzeiten auch per Notverordnung erfolgen konnte.

Und die Konsequenzen von Königgrätz? Immer hatte es im Kaiserreich nationalistische Bestrebungen der einzelnen Länder gegeben. Ungarn hatte sich besonders deutlich bemerkbar gemacht, zum Beispiel mit Steuerverweigerungen. 1867 erreichte es sein Ziel: Der Habsburger erkannte die weitgehende Souveränität Ungarns an. Im Juni ließ er sich mit Sisi zum ungarischen König krönen, seitdem spricht man von der kaiserlich-königlichen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn.

Mitten im Ersten Weltkrieg stirbt der Kaiser

Außenpolitik scheint nicht Franz Josephs Sache gewesen zu sein. Im Lauf der Jahre hatte er verschiedene Bündnisse geschlossen, doch als es 1914 zum Äußersten kam, verließ er sich vor allem auf Deutschland. Lange schon hatte es Konflikte auf dem Balkan gegeben, als Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 vom Bosnier Gavrilo Princip in Sarajewo erschossen wurde. Österreich-Ungarn sah den Hauptschuldigen im Königreich Serbien, wie Franz Joseph in einem Brief an Wilhelm II. vom 2. Juli deutlich machte: „Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald.“ Es folgte am 23. Juli ein Ultimatum, das so formuliert war, dass Serbien die Bedingungen gar nicht vollständig annehmen konnte.

Zwischenzeitlich hatte sich Österreich der deutschen Rückendeckung versichert, um Serbien am 28. Juli den Krieg zu erklären. In einem Manifest „An meine Völker“ wandte sich der Kaiser am selben Tag an seine Untertanen: „Es war mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die mir durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen.“ Der Krieg entwickelte sich dank der Bündnispolitik der Großmächte zum Ersten Weltkrieg. Mittendrin, am 21. November 1916, starb Franz Joseph in Wien. Zwei Jahre später zerfiel sein Reich.

Stephan Scholz

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE-SPEZIAL „Die Habsburger“

Zuletzt geändert: 17.8.2017