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Vom Herzog zum Jesuitengeneral

Der Jesuit und Heilige Franz von Borgia

Beim Namen Boriga denkt man zunächst an Begriffe wie Skandal und Sünde, bei den Jesuiten eher nicht. Franz von Borgia, ein Nachfahre Papst Alexanders, war jedoch Mitglied bei den Jesuiten und brachte es sogar zum Heiligen der katholischen Kirche.

Franz von Borgia

Der heilige Jesuit Franz von Borgia bei einer Vision, von Schelte Adamsz Bolswert, 1624 | © Rijksmuseum Amsterdam

Am 15. August 1534, dem Festtag von der Himmelfahrt Mariens, versammelten sich sieben Studenten der Sorbonne-Universität auf dem Montmartre in Paris. Nicht um es sich an einem schönen Sommerabend gutgehen zu lassen. Vielmehr wollten sie in der Kapelle des „Bergs der Märtyrer“ ein höchst ernsthaftes Gelübde ablegen. Eine ebenso ernsthafte Person war auch ihr Wortführer, der baskische Edelmann Ignatius von Loyola. Der war zu diesem Zeitpunkt schon 43 Jahre alt und hatte ein Leben voller Wendungen hinter sich.

Sein Traum von einer militärischen Karriere war von einer Kanonenkugel zerschmettert worden. Auf dem monatelangen Krankenlager fand er als einzige Lektüre Lebensbeschreibungen von Heiligen. Ihrem Beispiel wollte er von nun an folgen und in Zukunft als „Soldat Christi“ nur noch mit spirituellen Waffen kämpfen. In seiner Heimat Spanien erregte der spätberufene Theologiestudent die Neugier der Inquisition. Deshalb wechselte Ignatius nach Paris, an die Sorbonne, wo er die Gefährten – überwiegend ebenfalls Adelige – fand, mit denen er nun eine neue Gemeinschaft gründete. Zu den klassischen Mönchsgelübden von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam fügten sie in ihrem Versprechen die Missionstätigkeit hinzu. Die wollten sie zunächst im Heiligen Land ausüben – ein gefährliches Pflaster und damit eine würdige Aufgabe für die „Soldaten Christi“!

Der Papst erkannte früh das Potenzial des Jesuitenordens

Der Aufbruch in den Orient endete allerdings schon in Italien, denn die Routen ins Heilige Land waren unterbrochen, und so kehrten die sieben Gefährten nach Rom zurück, um Papst Paul III. ihre Dienste anzubieten. Der Heilige Vater erkannte das Potenzial, das eine Gemeinschaft von hoch qualifizierten und strategisch denkenden Ordensbrüdern für die Ausbreitung und Festigung des römischen Glaubens besaß. Es galt, die neu eroberten Überseegebiete zu missionieren, und auch im Abendland hatte man sich der Reformation entgegenzustellen. 1540 erhielt die „Gesellschaft Jesu“ die päpstliche Billigung als neue und neuartige Glaubensgemeinschaft: Ihre Angehörigen trugen keine Mönchskutten, und ihre Ordenshäuser waren keine abgeschlossenen Klöster, sondern standen für alle Menschen offen, die auf Glaubensfragen Antworten suchten.

Der neue Orden, straff nach militärischem Vorbild geführt, übte umgehend eine große Anziehungskraft aus, gerade auf Männer von Stand. Zu denen gehörte Franz von Borgia, eigentlich Francisco de Borja y Aragón, Erbe des Herzogtums Gandia als Enkel von Juan, dem ermordeten Lieblingssohn Alexanders VI. Durch Heirat mit dem Herrscherhaus von Aragón verbunden, konnte dieser Zweig der Borgia-Familie sich die Herrschaft über Gandia bewahren. Nachfahren von Franz von Borgia tragen den Titel noch heute. Als Urenkel eines Papstes und von der Mutterseite ein Nachfahre König Ferdinands II. von Aragón trat der junge Franz in den Hofdienst Kaiser Karls V. und heiratete standesgemäß eine Hofdame der Kaiserin Isabella von Portugal. Franz von Borgia verehrte die Kaiserin – wie im Übrigen auch Karl V. selbst; sie muss eine eindrucksvolle Persönlichkeit gewesen sein. 1539 starb Isabella bei der Geburt ihres fünften Kindes, was Franz von Borgia beinahe das Herz brach. „Nie wieder will ich jemandem dienen, der sterblich ist!“, soll er ausgerufen haben. Tatsächlich entschloss er sich um diese Zeit, in den Dienst Gottes und der Kirche zu treten.

Franz von Borgia „outete“ sich erst später als Jesuit

Doch noch hielten ihn die Pflichten eines Granden von Spanien in der Welt fest: Karl V. berief Franz von Borgia zum Vizekönig von Katalonien, und als 1543 sein Vater starb, musste er Amt und Würden des Herzogs von Gandia übernehmen. Gleichzeitig hatte er aber Kontakt zu Ignatius von Loyola geknüpft, der den Borgia nach dem Tod von dessen Frau 1546 in die Gesellschaft Jesu aufnahm – zunächst noch im Geheimen. 1551 gestattete der Kaiser, dass der Herzog Titel und Besitztümer an seinen Sohn übergab. Franz von Borgia „outete“ sich als Mitglied des Jesuitenordens. Er empfing die Priesterweihe und wurde noch von Ignatius als Generalkommissar für Spanien und Portugal berufen.

Sein Vorbild und seine Beziehungen brachten dem Orden eine große Zahl neuer Mitglieder aus adeligen Häusern. Als Generalvikar des Ordens kehrte er 1564 nach Rom zurück, wo er es ablehnte, in die glanzvollen Borgia-Gemächer des Vatikans einzuziehen, die man ihm angeboten hatte. 1565 zum dritten General der Jesuiten berufen, legte er besonderes Augenmerk auf den Ausbau einer Missionstätigkeit, welche die örtlichen Verhältnisse und Traditionen in Betracht ziehen sollte. Gleichzeitig präzisierte er die von Ignatius vorgegebenen Regeln der Ordensgemeinschaft, die unter Borjas Führung bedeutend an Schlagkraft gewann.

1572 starb Franz von Borgia in Rom. Seine Gebeine ruhen in der Jesuitenkirche von Madrid. Ein Jahrhundert später wurde der Herzog, Familienvater und Ordensführer mit dem berüchtigten Namen zum Heiligen der katholischen Kirche erhoben.

Franz Metzger

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 10/2015 „Borgia“

Zuletzt geändert: 20.12.2016