« zurück
Die Rosenkriege auf der Bühne

Geschichte à la Shakespeare

Die Herrscher der Rosenkriege gehören zweifellos zu den bekanntesten Monarchen Englands. Zu verdanken haben sie das Shakespeare. Doch der macht vor allem eines: Propaganda.

William Shakespeare

William Shakespeare musste in seinen Werken stets Rücksicht auf die Politik der Tudors nehmen. | © Rijksmuseum Amsterdam

 

Da ist der leichtfertige und leichtsinnige Richard II., der erst im Kerker zu menschlicher und königlicher Größe findet. Dann der von Schuld und Verschwörungsängsten gequälte „Kronräuber“ Heinrich IV., gefolgt von Heinrich V., der, kaum hat er den Thron bestiegen, sich vom verantwortungsscheuen Playboy zum Heldenkönig wandelt und seine Truppen zum glanzvollen Sieg von Azincourt führt. Sein Erbe ist der schwache Heinrich VI., der in frommer Hilflosigkeit gegenüber den Machenschaften der Machtpolitiker zum mitleidsheischenden Opfer der Politik wird. Und schließlich Richard III., das an Körper und Seele verkrüppelte Monstrum, ein Massenmörder ohne Skrupel.
In den historischen Personen mag all das mehr oder weniger eindeutig angelegt gewesen sein. Ihr klares und unverkennbares Profil haben sie aber erst durch William Shakespeare (*1564, +1616) erhalten. In seinen „Königsdramen“ hat er den Monarchen Englands und ihren GegenspielerInnen Traumrollen zugeschrieben, gegen deren Überzeugungskraft Historiker seit 400 Jahren vergeblich versuchen, ihre differenzierteren Deutungen durchzusetzen.

Die Politik spielt im Theater immer eine Rolle

Shakespeares Darstellung dieses dramatischen Jahrhunderts der englischen Geschichte ist dabei nicht nur von der legitimen Freiheit des Künstlers und den Anforderungen des Bühnendramas geprägt. Er bewegte sich bei der Behandlung dieser für ihn nicht sehr weit zurückliegenden Ereignisse auf tückischem Grund: Die Tagespolitik spielte immer mit im Globe Theatre – und in jedem anderen Theater. Shakespeares Truppe gehörte zu den privilegierten Ensembles, die bei Hofe auftreten durften. Aber auch sonst achtete der Lordkämmerer sehr genau darauf, was die Untertanen Ihrer Majestät Elisabeth zu sehen bekamen.

Die Queen war schließlich Enkelin jenes Heinrich VII. Tudor, der seine Krone auf dem Schlachtfeld von Bosworth aufgeklaubt hatte. Mit dem daraus resultierenden Dauerkonflikt der Tudor-Dynastie hatten sich nun auch Shakespeare und alle anderen Autoren auseinanderzusetzen: Durch eine Usurpation auf den Thron gekommen, die  vom Mäntelchen des Gottesgerichts nur notdürftig verhüllt wurde, fürchtete das Haus Tudor nichts mehr als potenzielle Thronrivalen und eine neue Usurpation. Während die Thronergreifung Heinrichs VII. also zu rechtfertigen war, musste jeder andere Umsturzversuch als Rebellion gegen Gottes Ordnung verurteilt werden.

Richard III.: Urbild aller Bühnenschurken

In seinem „Richard III.“ arbeitete Shakespeare daher mit dem groben Holzschnitt-Messer: Während der York-König zum Urbild aller Bühnenschurken verzerrt wurde – und damit zur Traumrolle aller großen Schauspieler – erscheint Heinrich Tudor als strahlender Gralsritter, was wohl noch weiter von der Realität entfernt war. Die Botschaft war klar: Ist der Herrscher eindeutig ein Verbrecher und seinerseits ein Usurpator, dann kann sein Sturz ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Doch gefährlich – und den Untertanen eindeutig nicht zu empfehlen – bleibt solch ein Eingriff in die göttliche Ordnung immer. Das ist jedenfalls die Botschaft von „Richard II.“, den beiden Teilen von „Heinrich IV.“ und der „Heinrich VI.“-Trilogie: Die Klagepunkte Heinrich Bolingbrokes gegen des zweiten Richards Willkür und sein nachfolgender Griff zur Krone mögen gerechtfertigt gewesen sein. Der Anspruch des Hauses Tudor leitet sich schließlich über die Lancaster-Linie ab, deren Legitimität nicht allzu kritisch hinterfragt werden durfte. Dennoch stellten die Absetzung und Ermordung Richards eine so massive Verletzung der Ordnung dar, dass das ganze Land für nahezu hundert Jahre an den Folgen zu leiden hatte. „Erlösung“ brachte erst der Tod eines anderen Thronräubers und der Triumph des Hauses Tudor.

Das Thema von Legitimität und Usurpation, von der Verletzung und der Wiederherstellung der Ordnung – manchmal gelingt sie, manchmal auch nicht – zieht sich jedenfalls durch viele der „Historien“ Shakespeares. „Macbeth“ ist darunter wohl die bekannteste Parabel vom Aufstieg und Fall eines Thronräubers. Dieses Grundthema findet sich aber auch in „Hamlet“ und in „König Lear“ sowie in etlichen der Römer-Dramen. Die Fragen nach Gerechtigkeit und Recht einer Herrschaft, um Akzeptanz oder Widerstand beschäftigte die Zeitgenossen noch lange nach den Wirren der Rosenkriege. Und sie bescherte den Bühnen der Welt einige ihrer großartigsten Dramen.

Franz Metzger

 

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015