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Giuseppe Mazzini

„Italien schafft es allein“

Giuseppe Mazzini hat einen Traum: Ein geeintes Italien, frei von fremden Mächten und regiert durch das Volk. 1849 scheint seine Vision Gestalt anzunehmen – bis Österreicher und Franzosen intervenieren.

Giuseppe Mazzini

Statue von Guiseppe Mazzini in Rom. | © istockphoto.com/Paolo Gaetano

Die radikalen Köpfe Italiens, die ihr Land geeint sehen wollten, sammelten sich zwischen 1831 und 1849 um Giuseppe Mazzini hinter der Losung: „L’Italia farà da se“, Italien schafft es allein. Erfunden hat sie Giuseppe Mazzini.

Geboren 1805 in Genua, entwickelt sich der studierte Jurist zu einem der wichtigsten Kämpfer für die Einheit Italiens. Im Juli 1831 gründet er „Giovine Italia“ (Junges Italien), den einflussreichsten Geheimbund seiner Zeit. Mazzini will das Volk, „die große Einheit, die alle Dinge umfasst“, für die nationale Einigung des zersplitterten Landes und für die Republik gewinnen.

Giuseppe Mazzini wird mehrmals zum Tode verurteilt

Er und seine Anhänger organisieren Aufstände: in Piemont 1833/1834, Bologna 1843 und Rimini 1845. Mehrmals wird der Verschwörer in Abwesenheit zum Tode verurteilt; die meiste Zeit seines Lebens verbringt er im Exil in der Schweiz und England. Als sich im Januar 1848 die Sizilianer gegen ihren König Ferdinando II. erheben, scheint die Zeit der Mazzinianer gekommen. Ferdinando II. gewährt eine Verfassung für sein „Königreich beider Sizilien“, das die Insel und Süditalien umfasst. Im Februar zieht der König von Sardinien-Piemont, Carlo Alberto, nach. Es folgen Leopoldo II. von Toskana und Papst Pius IX. im Kirchenstaat.

Die Verfassungen sollen das Volk beschwichtigen. Doch sie orientieren sich an der französischen von 1830 und berücksichtigen allein die höheren Stände. Mazzini und seine Anhänger sind nicht überzeugt. Der Sturz des österreichischen Staatkanzlers Metternich am 13. März 1848 gibt das Signal in dem von Österreich regierten Königreich Lombardo-Venetien. In einem fünftägigen Kampf vom 18. bis 22. März verjagen Handwerker und Arbeiter Feldmarschall Radetzky und seine Truppen aus Mailand.

Der Kirchenstaat enttäuscht Italien

Carlo Alberto von Piemont-Sardinien sieht seine Chance gekommen und zieht gegen Österreich ins Feld. Der Erste Unabhängigkeitskrieg beginnt. Doch das piemontesische Heer verliert gegen Radetzky in zwei Schlachten. Carlo Alberto muss zugunsten seines ältesten Sohnes Vittorio Emanuele II. abdanken, der mit Habsburg Frieden schließt.

Eine besondere Rolle spielt in den Revolutionsjahren der Kirchenstaat. Bereits 1846 hat Papst Pius IX. begonnen, das Staatswesen zu modernisieren. Er protestierte gegen die österreichische Besatzung der norditalienischen Stadt Ferrara – die zum Kirchenstaat gehörte – und wurde dadurch in den Augen vieler zum nationalen Hoffnungsträger. Doch ein Krieg gegen die katholische Großmacht Österreich kommt für den Papst nicht infrage. Am 29. April 1848 stoppt er seine Truppen an der nördlichen Grenze des Kirchenstaates und enttäuscht damit seine patriotischen Landsleute.

Die ersten gleichen und geheimen Wahlen Europas

Als Reaktion folgen Aufstände in Rom. Pius IX. flieht am 24. November aus der Stadt. Mazzini konstatiert: „De facto ist Rom eine Republik, denn außer dem Volk existiert keine Quelle der Autorität mehr.“ Die Römer wählen nun in den ersten gleichen und geheimen Wahlen Europas eine verfassungsgebende Versammlung, die die Republik ausruft. Mazzini erreicht am 5. Februar 1849 Rom und bildet mit zwei lokalen Anführern ein Regierungs-Triumvirat. Doch der Römischen Republik ist wenig Zeit beschieden. Aus seinem Exil ruft Papst Pius IX. Österreich, Frankreich, Spanien und das Königreich beider Sizilien zur Hilfe. Giuseppe Garibaldi organisiert die Verteidigung der kleinen Republik gegen die Großmächte.

Im April besetzen österreichische Truppen die nördlichen Provinzen des Kirchenstaates. Der frisch gewählte französische Präsident Louis-Napoleon Bonaparte entsendet Truppen, die Rom am 3. Juli 1849 besetzen. Mazzini flieht mit amerikanischem Pass erneut ins Exil; Pius IX. ist wieder Herr im Haus.

„Italien schafft es allein“ erwies sich als Illusion

Nach dieser Niederlage war die italienische Einigungsbewegung vorerst gescheitert, die piemontesische Monarchie diskreditiert. Doch auch „Italien schafft es allein“ hatte sich als Illusion erwiesen. Mazzinis Ideologie blieb den einfachen Italienern fremd. Das Bürgertum und der Adel hielten seine demokratische und fortschrittsgläubige Weltanschauung für zu radikal. Dennoch war das Ansehen der Nationaldemokraten gewachsen. Mazzini, Garibaldi und ihre Anhänger hatten heldenhaft für ihre Ideale gekämpft. Mazzini starb 1872. Sein Traum von der demokratischen Republik Italien in einem Europa der Nationen erfüllte sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Michael Tschiggerl

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 9/2017 „1848“

Zuletzt geändert: 23.2.2018