Vielleicht wäre die deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert anders verlaufen, hätte sich Kaiserin Augusta mit ihren politischen Vorstellungen durchsetzen können. Kriege hätte es jedenfalls keine gegeben.
Fast könnte man von einem „Kulturschock“ sprechen. Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, 1811 geboren und aufgewachsen am berühmten Musenhof, wo Goethe gleichsam zur Familie gehörte, war 17 Jahre alt, als sie mit dem preußischen Prinzen Wilhelm verheiratet wurde. So kam sie 1829 ins militärisch-nüchterne Berlin, in dem sie nie wirklich heimisch wurde und das sie stets als „Fegefeuer“ bezeichnete. Doch die politischen Verhältnisse in Preußen regten die intelligente und wissbegierige junge Frau an, sich näher mit politischen Fragen zu beschäftigen.
Anders als die meisten Mitglieder der stockkonservativen Hohenzollernfamilie kann man Augusta durchaus als gemäßigt-liberal bezeichnen. Sie drängte darauf, Preußen endlich eine Verfassung zu geben, wie es die Bestimmungen des Wiener Kongresses schon 1815 vorgesehen hatten. Doch am Berliner Hof stieß sie damit auf taube Ohren. So setzte sie ihre Hoffnungen auf den 1831 geborenen Sohn Friedrich Wilhelm. Er wurde im sogenannten „Dreikaiserjahr“ 1888 Kaiser Friedrich III., jedoch aufgrund einer schweren Krankheit nur für 99 Tage, weshalb man ihn auch „99-Tage-Kaiser“ nennt. Er war der erste Preußenprinz, der nicht nur eine militärische Ausbildung durchlief, sondern auch ein Studium an der Universität Bonn absolvierte. Das hatte Augusta durchgesetzt, denn es war ihr dringender Wunsch, ihn zu einem freiheitlich denkenden Monarchen zu formen, der die Vision eines friedlich geeinten Deutschlands unter der Führung Preußens in die Tat umsetzen sollte.
Kaiserin Augusta sah ihre politischen Träume platzen
Doch spätestens 1862, als Bismarck unter Wilhelm I. preußischer Ministerpräsident wurde, waren diese Pläne nur noch Makulatur. „Arme Mama! Wie bitter wird gerade diese, ihres Todfeindes Ernennung sie schmerzen“, kommentierte ihre Tochter, Kronprinzessin Vicky, die Ereignisse. Dass Bismarck die nationale Einigung „nicht mit Reden und Majoritätsbeschlüssen“ vorantreiben wollte, sondern mit „Eisen und Blut“, wie er sagte, musste ihn für die pazifistisch denkende Augusta, die Bismarck „alte Fregatte“ nannte, zum „Todfeind“ machen. Unermüdlich versuchte sie daher, ihren Mann, Kaiser Wilhelm I., von ihrer Sicht der Dinge zu überzeugen – vergeblich. Nach und nach musste Augusta erleben, wie ihre politischen Träume zerplatzten, zumal ihr auch ihr Sohn, in den sie solch große Erwartungen gesetzt hatte, nicht in der Lage war, Bismarck auch nur ansatzweise Paroli zu bieten. Während Kronprinz Friedrich Wilhelm trotzdem vielen Menschen als liberale Hoffnung Deutschlands galt, wandte sich Augusta enttäuscht von ihrem Sohn ab.
Karin Feuerstein-Praßer
G/GESCHICHTE-Autorin Karin Feuerstein-Praßer ist Autorin zahlreicher Biografien historischer Persönlichkeiten. Zum 200. Geburtstag der Kaiserin veröffentlichte sie 2011 das Buch „Augusta. Kaiserin und Preußin“ (Piper, € 10,99).
Zuletzt geändert: 16.11.2017