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Kampf um den Schatz der Erde

Metalle schreiben Geschichte

Metalle wie Kupfer, Bronze oder Eisen veränderten die Welt so tiefgreifend, dass ganze Epochen nach den Werktstoffen heißen.

Bronzedolch

Replika eines Dolches aus der Bronzezeit | © istockphoto.com/Norbert Speicher

 

Kupfer ist das erste Metall, dessen sich der Mensch bemächtigte. Vor rund 10 000 Jahren beginnen unsere steinzeitlichen Vorfahren in Vorderasien damit, den eigenartigen grünen Stein zu bearbeiten. Sie finden heraus: Wenn wir die Brocken ins Feuer werfen und erhitzen, können wir das Material besser formen. Und so rücken sie dem natürlich vorkommenden Metall alsbald mit ihren Steinwerkzeugen zu Leibe. Heraus kommen einerseits Dekorationen von Totenmasken und von vornherein erhält der neue Werkstoff eine mystische Bedeutung. Andererseits entstehen neue Waffen: Der Keulenkopf von Canhasan in der Türkei, der vor mehr als 8000 Jahren mühevoll gehämmert wurde, ist die älteste erhaltene Waffe aus Metall.

Die Entdeckung von Kupfer, seine Weiterverarbeitung und Verwendung fallen in etwa zusammen mit der Zeit, da der Mensch beginnt, vom Nomaden zum Bauern zu werden. Kleine, befestigte Dörfer entstehen. Ackerbau kommt auf, das Vieh wird erstmals systematisch zur Milch- und Fleischversorgung gezüchtet. Die nachhaltige, auf Sesshaftigkeit angelegte Wirtschaftsweise erzwingt neben dem ökonomischen auch einen sozialen Wandel. Hierarchien bilden sich heraus, die über dem Sippenverband stehen. Als Abzeichen ihrer Würde wählen die neuen Herren Schmuck und Waffen aus Metall. Der 5300 Jahre alten Gletscherleiche „Ötzi“ wird eine besondere gesellschaftliche Stellung zu Lebzeiten zugeschrieben. Warum? Das Beil aus Kupfer, das er bei sich trug, hebt ihn über die Masse hinaus.

Metall wird der Motor des zivilisatorischen Wandels

Nebenbei erweisen sich Kupferwerkzeuge auch im Alltag als überlegen gegenüber Stein und Holz. Der Bedarf an Kupfer steigt rasch. Und mit ihm das technische Know-how. Die Menschen der späten Jungsteinzeit, in der Wissenschaft auch Kupferzeit genannt, lernen immer besser, wie sie aus Erz Metall gewinnen können. Siedlungen in der Nähe von Kupferminen, zum Beispiel in der Region um Fenan im heutigen Jordanien, entwickeln sich zu Bergbauzentren. Hier wird unter großem Aufwand Erz abgebaut, das Kupfer herausgeschmolzen und weiterverkauft oder getauscht. Von Vorderasien aus entwickelt sich zum ersten Mal eine Art internationales Handelssystem. Denn die Anziehungskraft des goldglänzenden Kupfers macht weder vor Bergen noch vor Meeren halt. Metall ist endgültig zum Motor des zivilisatorischen Wandels geworden.

Grabbeigaben aus dem 4. und 3. Jahrtausend zeigen: Kupfer macht den Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen Herrschern und Beherrschten. Im Vergleich der Kulturen lassen sich anhand der metallischen Funde Rückschlüsse auf die jeweiligen Entwicklungsstufen ziehen.

Bronze wird zuerst für Prunkstücke verwendet

Was für Kupfer gilt, trifft erst recht für Bronze zu. Bereits vor über 5000 Jahren legieren die ersten Schmiede in Vorderasien Kupfer mit Arsen. Das Ergebnis: Schwerter, Pflüge und Beile, die aus Arsenbronze geschmiedet sind, werden härter, halten länger, sind effektiver als ihre kupfernen Gegenstücke. Heute würde man sagen: Sie sichern ihren Besitzern einen Wettbewerbsvorteil. Irgendwann jedoch bricht die Beimischung von Arsen oder auch Antimon zu Kupfer ab. Doch die Alternative ist schnell gefunden: Zinn. Mit der Verbreitung der Zinnbronze beginnt nun tatsächlich ein neues Zeitalter, die eigentliche Bronzezeit. Die ältesten erhaltenen Stücke aus dem neuen Material finden sich in Mesopotamien und Ägypten. Es handelt sich dabei aber nicht etwa um Waffen, Werkzeuge oder andere Gebrauchsgegenstände, wie wohl zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr sind es Gefäße und Prunkstücke.

Die angenehme goldbraune Färbung des noch seltenen Materials zieht die neuen Oberschichten gerade solcher Weltgegenden in Bann, die selbst nicht über Zinnlagerstätten verfügen. Paradox: Ägypten hat damals die einzigen Zinnvorkommen der gesamten Region, es nutzt sie aber offensichtlich nicht. Regelmäßig verwendet wird Zinnbronze am Nil erst seit dem Neuen Reich um 1200 v. Chr., als global schon die Eisenzeit anbricht.

Die erste Massenproduktion von Waffen

Seit Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. tritt die Zinnbronze ihren Siegeszug an. In den mächtigen Metropolen des Zweistromlandes wie Ur und Uruk, in Anatolien, in Troja, im gesamten ägäischen Raum und in der kretische-minoischen Kultur erweisen sich die harten Schwerter und durchschlagkräftigen Lanzen aus Bronze als äußerst begehrte Utensilien der Machtausübung. Die Schmiede werden immer geschickter im Umgang mit der Legierung. Erstmals können wir im 3. Jahrtausend v. Chr. von einer Massenproduktion von Waffen sprechen. Die Eroberung fremder Reiche stützt sich auf die technologische Überlegenheit der Ausrüstung und Waffen.

Doch Kupfer und Zinn sind nicht unbegrenzt verfügbar. Vor allem Zinn musss teils von weit her eingeführt werden. Vor allem Zinn musss teils von weit her eingeführt werden, aus dem Kaukasus, von der iberischen Halbinsel, aus der Bretagne und England. Sein Marktwert steigt. Internationaler Fernhandel und Güteraustausch müssen organisiert werden. Sie bringen extrem entfernt liegende Regionen miteinander in Kontakt. Von Vorderasien aus breitet sich die Bronze über die Periode eines halben Jahrtausends in etwa gleichmäßig nach Ost und West aus. Nördlich der Alpen scheinen Bronzegüter um 2200 v. Chr. ihren Einzug gehalten zu haben. Bis nach Skandinavien dauerte es noch etwas länger.

Bronze aus Steinen: Die Verarbeitung erschien geheimnisvoll

Gegenüber Kupfer bietet Bronze eine Reihe von Vorteilen: Sie ist härter und nutzt sich nicht so schnell ab. Der Schmelzpunkt liegt niedriger. Geschmolzene Bronze ist besser geeignet für größere und kompliziertere Geräte, die man etwa zum Schlagen und Schneiden benötigt. Erst seit einigen Jahren kennt die Forschung eine Mine, in der schon vor mehr als 4000 Jahren gleichzeitig Zinn und Kupfer abgebaut wurden: Bei Muschiston in Tadschikistan, auf 3000 Meter Höhe, enthält das Gestein tatsächlich Erz von beiden Metallen. Die dort gefundenen Steinschlägel, Tonscherben und Holzbalken lassen darauf schließen, dass hier von etwa 2100 bis 1000 v. Chr. intensiver Bergbau betrieben wurde. Muschiston liegt außerdem an einer großen Handelsstraße in die Metropolen Mesopotamiens, damals die wichtigsten Abnehmer für Bronze. Liegt in den Bergen Tadschikistans der „Geburtsort“ der Zinnbronze?

Die Zinnbronze als Zufallsfund – ausgeschlossen ist das nicht. Wird ein entsprechender Gesteinsbrocken erhitzt, fließen die beiden Metalle ineinander. Die Technik der Metallgewinnung und -bearbeitung ist so aufwendig, dass schon früh eine Arbeitsteilung einsetzte. Der wichtigste Part kam den Schmieden zu: Sie verwandelten in einer geheimnisvollen Prozedur Steine in Bronze. Diese frühen Metallurgen, so scheint es, waren den Herrschenden so wichtig, dass sie ihrem Handwerk häufig auf dem Palastgelände nachgingen und unter dem besonderen Schutz des Machthabers standen. Man könnte auch sagen: in seiner Abhängigkeit.

Die frühen Schmiede genossen eine hohe Stellung

Die besonders widerstandsfähige Zinnbronze besteht zu 90 Prozent aus Kupfer und zu 10 Prozent aus Zinn. Die Verhüttung von erzhaltigem Gestein in Lehmkuppelöfen über den Erz- und Kohlelagen war schon seit der Kupferzeit bekannt. Die Metallurgen setzten Blasrohre ein, um die Temperatur im luftdicht geschlossenen Ofen auf bis zu 1300 Grad Celsius zu treiben. Das Rohkupfer wurde in einem weiteren Lehmofen geschmolzen. Wurde es mit Zinn versetzt, sank sein Schmelzpunkt auf unter 1000 Grad Celsius. Die so gewonnene Legierung lässt sich leichter und über einen längeren Zeitraum formen. Endlich war es möglich, kompliziert gestaltete Gegenstände zu gießen, zum Beispiel Schwerter oder Schmuckstücke, weil Bronze länger flüssig bleibt, sich in der Gussform besser verteilt und auch die Ecken ausfüllt.

Kein Wunder, dass die frühen Schmiede eine herausgehobene Stellung genossen. Sie hielten den Schlüssel für die wichtigste Technologie eines ganzen Zeitalters in der Hand. Die Griechen widmeten ihnen mit Hephaistos einen eigenen Gott – wie viele andere Völker auch. Schmiede standen schließlich im Weltbild des bronzezeitlichen Menschen mit den Göttern im Bunde: Sie bändigten das Feuer, verarbeiteten einen der Erde abgerungenen Rohstoff und fertigten daraus lebensnotwendige, auf die Ewigkeit angelegte Gegenstände und zugleich Symbole der Macht und Herrschaft.

 

Ulrich Graser

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 5/2009: „Die großen Rätsel der Bronzezeit“

Zuletzt geändert: 18.02.2015