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Pilgerstätte gesucht

Mythos Alexandergrab

Alexander der Große brauchte gerade mal 13 Jahre, um die damals bekannte Welt zu erobern. Rätselhaft ist, wo der Leichnam Alexanders aufgebahrt wurde – und wo er heute liegt.

Alexander der Große

Alexander der Große, Gemälde von Cornelis Troost von 1737. | © Rijksmuseum Amsterdam

 

Das Alexandergrab ging vor knapp 2.000 Jahren verloren. Schon 132-mal verkündeten die Jäger des Alexandergrabs, der Leichnam sei endlich entdeckt. Aber jedes Mal entpuppten sich die Meldungen als falsch. Schon Alexanders Ende ist rätselhaft. Als der Feldherr 323 v. Chr. aus Indien zurückkehrte, zog er nach Babylon, um dort für eine Weile zu residieren und zu regieren. Nach einem Trinkgelage soll Alexander erkrankt sein. Dreizehn Tage später war er tot. Warum, ist unbekannt. Einige Historiker tippen auf Giftmord. Andere meinen, der große Feldherr sei auch ein großer Trinker gewesen und Alkoholmissbrauch habe den Makedonen dahin gerafft. Tatsächlich taucht Alexander in antiken Quellen oft als Trunkenbold auf. Persepolis, die uralte Prachtstadt der Perser, soll er im Rausch niedergebrannt haben. Bei seinem letzten Gelage soll Alexander ein Dreilitergefäß Wein unverdünnt hinuntergestürzt haben – ein Kampftrinker.

Fest steht, dass er an einem Fieber erkrankte. Bald darauf, am 10. Juni 323 v. Chr., wurde er für tot erklärt. Heute glauben US-Mediziner, der König habe zu diesem Zeitpunkt noch gelebt und nur im Koma gelegen. Denn Komazustände können bei Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse vorkommen, und die sind eine Folge von Alkoholismus. Überdies berichten antike Quellen davon, dass Alexanders Körper acht Tage lang nicht verwest sei, und das in der schwülen Hitze der Region. Sollte die Theorie vom komatösen Makedonen wahr sein, wird Alexander ohne Versorgung in der Gluthitze des Orients schließlich verdurstet sein.

Alexanders Leichnam versprach Reichtum

Die Kriege, die nach Alexanders Tod zwischen seinen Feldherren ausbrachen, beschäftigen Historiker seit 2.000 Jahren. Bei diesen Diadochenkriegen spielte der Leichnam des Königs eine große Rolle. Denn wer über dem Toten wachte, der war auch sein Erbe. Und Aristander, Alexanders bevorzugter Weissager, hatte prophezeit, dass das Reich, in dem der Leichnam begraben sei, zum reichsten Land der Welt aufsteigen werde. Die Motivation, des Toten habhaft zu werden, war entsprechend hoch. Ein gewaltiger Leichenzug setzte sich um 321 v. Chr. von Babylon aus in Richtung Makedonien in Bewegung. Ziel der Prozession war die Hauptstadt Aigai, wo alle makedonischen Könige begraben lagen. Aber dort sollte Alexanders Leiche nie ankommen. Glaubt man später verfassten Quellen, überfiel Ptolemaios, ein Jugendfreund und General Alexanders, die Prozession und entführte die Mumie in seine Satrapie Ägypten. Viele Alexanderforscher glauben, dass die Leiche das Reich am Nil nie wieder verlassen hat.

Alle antiken Autoren stimmen überein: Alexander kam in Memphis zur Ruhe. Einzig der griechische Historiker und Geograf Strabon berichtet von den folgenden Ereignissen. Demnach habe Ptolemaios II. Alexanders Mumie nach Alexandria geholt, wo er den Toten in einem prachtvollen Mausoleum habe bestatten lassen. Der Name der Grabstätte sei „sema“ oder „soma“ gewesen, was auf altgriechisch „toter Körper“ bedeutet. Bis in die frühe Neuzeit hinein trug ein Stadtteil Alexandrias diesen Namen. Der Tote selbst aber verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Liegt Alexander unter dem Markusdom in Venedig?

Einige hundert Jahre lang war das Grab in Alexandria Anziehungspunkt für Touristen, darunter viel Prominenz. Cäsar, Augustus, Caligula, Caracalla – viele Kaiser besuchten die Sema, die zum Wallfahrtsort wurde. Augustus soll sich nicht zu schade gewesen sein, den Toten zu herzen. Dabei soll sich der mächtigste Mann der Welt so ungeschickt angestellt haben, dass er der Mumie die Nase abbrach. Doch irgendwann zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert n. Chr. ging der Leichnam verloren. Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. fragte Johannes Chrysostomos, Bischof von Konstantinopel: „Sagt mir, wer kennt heute das Grab Alexanders des Großen?“ Die rhetorische Frage gilt heute als ältester Hinweis darauf, dass das Alexandergrab nicht mehr aufzufinden war.

Die Suche nach dem Makedonen beschäftigte Hobbyforscher und  Archäologen im 19. und 20. Jahrhundert. Einer Theorie zufolge soll der Leichnam in der Oase Siwa liegen, 800 Kilometer von Alexandria entfernt. Untersuchungen eines halb verschütteten Tempels in den 1990er Jahren scheiterten jedoch an Grabungsgenehmigungen. Für die meisten Forscher bleibt Alexandria der heißeste Kandidat, wenn es um Alexanders Leichnam geht. Der britische Ingenieur Andrew Michael Chugg ist hingegen der Ansicht, Alexander befinde sich in Venedig. Dort, so Chugg, sei der Leichnam im Markusdom beigesetzt worden. Dieser Theorie zufolge haben sich zwei venezianische Kaufleute im 8. Jahrhundert einer Mumie in Alexandria bemächtigt, die sie irrtümlich für die Überreste des Evangelisten Markus hielten. Tatsächlich aber brachten die Venezianer Alexander den Großen in die Lagunenstadt. Der dortige Markusdom könnte demnach nicht auf einem Kirchenmann, sondern auf einem Eroberer errichtet worden sein.

 

Dirk Husemann  

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015

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