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Agrippina als Stadtpatronin

Neros Mutter gründet Köln

Eigentlich erfolgten römische Stadtgründungen aus politischen Erwägungen. Im Falle Kölns jedoch spielte die Eitelkeit der Kaiserin Agrippina, Neros Mutter, eine maßgebliche Rolle.

Köln

Köln wurde einst von Neros Mutter Agrippina in den Status einer römischen Stadt versetzt. Sie wurde dort geboren. | © istockphoto.com/contrastdesign_Cologne_ThomasH

 

Sollte eine vornehme Römerin, Urenkelin des Kaisers Augustus, nicht auch einen angemessenen Geburtsort vorweisen können? Wenn schon nicht Rom selbst, dann vielleicht eine andere florierende Metropole? Solche Gedanken scheint Agrippina gehabt zu haben, die um das Jahr 15 in einer kleinen Siedlung am linken Rheinufer das Licht der Welt erblickte. Zwar handelte es sich dabei um die „Hauptstadt“ der Ubier, doch die war winzig und umfasste gerade mal einen Quadratkilometer. Die Ubier waren ein germanischer Stamm, der seit geraumer Zeit mit den Römern kooperierte, ihnen Militär- und Kundschafterdienste leistete. Dass Agrippina ausgerechnet in diesem „Kaff“ geboren wurde, verdankte sie ihrem Vater Germanicus, dem Oberbefehlshaber der Rheinarmee.

Um einige Feldzüge in der Gegend durchzuführen, nutzte er die Ubiersiedlung eine Zeit lang als Militärstützpunkt, bevor die Familie nach Rom zurückkehrte, als Agrippina wohl noch in den Windeln lag. Schon früh wurde die junge Frau mit einem vermögenden und politisch einflussreichen Römer verheiratet, der aber bereits im Jahr 40 das Zeitliche segnete. Außer der Erinnerung an den Verstorbenen blieb Agrippina ein gemeinsamer Sohn, der später berühmt-berüchtigte Nero, der nun zum Dreh- und Angelpunkt im Leben seiner ambitionierten Mutter wurde. Schon früh träumte sie davon, dass ihr Sohn eines Tages den Kaiserthron besteigen sollte, und war auch bereit, alles in ihrer Macht Stehende dafür zu tun. Als Erstes beteiligte sich Agrippina an einer Verschwörung gegen ihren Bruder, Kaiser Caligula, der seit dem Jahr 37 auf dem Thron saß, dort aber keine sonderlich gute Figur abgab. Doch der Putsch misslang und Caligula schickte seine Schwester zur Strafe in die Verbannung auf eine einsame Insel. Als er schließlich doch noch einem Anschlag zum Opfer fiel, wurde Agrippinas Onkel Claudius neuer Kaiser – was der ehrgeizigen Nichte ganz neue Möglichkeiten eröffnete.

Claudius erfüllte Agrippina jeden Wunsch

Zurück in Rom begann Agrippina, dem Oheim schöne Augen zu machen. Nachdem auch ihr zweiter Ehemann Crispus eines vorzeitigen – und vermutlich gewaltsamen – Todes gestorben war, stand einer neuen Verbindung nichts mehr im Wege. Das sah Claudius wohl ganz ähnlich, obwohl er selbst verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern war. Doch seine Gemahlin Messalina ließ er beseitigen und hob anschließend ein römisches Gesetz auf, das eine Ehe zwischen engen Verwandten untersagte. Nur ein Jahr später schlossen der frischgebackene Witwer und seine schöne Nichte den berühmten Bund fürs Leben, das im Falle des Kaisers nicht mehr allzu lange dauern sollte.

Als Gemahlin des römischen Kaisers besaß Agrippina zwar keine rechtliche, sehr wohl aber faktische Macht. Claudius scheint nämlich wie Wachs in ihren Händen gewesen zu sein, bereit, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Und Agrippinas sehnlichster Wunsch war es nun einmal, dass die Ubiersiedlung, in der sie zur Welt gekommen war, zu einer Colonia (einer römischen Stadt) erhoben wurde. Und nicht nur das: Die Neugründung sollte auch ihren Namen tragen! Das hatte es bislang noch nie gegeben, keine einzige römische Stadt war je nach einer Frau benannt worden. Doch Claudius erfüllte seiner Gemahlin auch diesen Wunsch, wie der Geschichtsschreiber Tacitus in seinen Annalen zum Jahr 50 berichtet: „Um auch den verbündeten Völkern ihre Macht zu zeigen, setzte es Agrippina durch, dass in der Ubiersiedlung, in der sie geboren worden war, Veteranen angesiedelt und eine römische Pflanzstadt gegründet wurde. Diese erhielt ihren Namen.“

Plötzlich privilegiert, erlebt Köln einen Aufschwung

Offiziell hieß die neue Stadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium, abgekürzt CCAA. Die Veteranen jedoch, die hier angesiedelt wurden, nannten sich zu Ehren ihrer Stadtpatronin stolz „Agrippinenser“. Von nun an waren alle Bewohner der ehemaligen Ubiersiedlung römische Bürger, auch die bald einsetzenden Baumaßnahmen hatten unverkennbar römischen Charakter: die Stadtmauer, das Forum, Tempel und Thermen, prächtige Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude sowie solide Straßen, die mit breiten Steinplatten ausgelegt waren. Ein mehr als 70 Kilometer langer Kanal mit Aquädukten lieferte den römischen Kölnern frisches Trinkwasser aus der Eifel, unterirdische Holz- und Bleirohre verteilten das kühle Nass über die ganze Stadt und selbst für ein gut funktionierendes Abwassersystem war gesorgt. Agrippinas Stadt blühte auf, erst recht, nachdem sie im Jahr 85 im Zuge der Neuordnung des römischen Reichsgebiets zur Hauptstadt der Provinz Niedergermanien erhoben worden war.

Durch diesen privilegierten Status erlebte die Colonia sowohl in baulicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht einen gewaltigen Aufschwung und entwickelte sich zum bedeutendsten Handelszentrum im Nordwesten des Römischen Reiches. Vor allem Keramik und Glaskunst gelangten zu überregionaler Bedeutung und fanden auch Abnehmer in Rom, Lyon oder Britannien. So wurde das römische Köln tatsächlich zu jener florierenden Metropole, von der Agrippina einst geträumt haben mag. Im 2. Jahrhundert lebten hier bereits 15 000 Menschen.

Agrippina hatte nicht lange Freude an Köln

Doch Claudius und seine Gemahlin hatten an ihrer Neugründung keine lange Freude. Nachdem es Agrippina trickreich gelungen war, ihren Sohn Nero zum Thronfolger aufzubauen, stand der kaiserliche Onkel ihren ehrgeizigen Plänen nur noch im Weg. Am Abend des 12. Oktober 54 nahm Claudius nichtsahnend seine letzte Mahlzeit zu sich, ein Pilzgericht, in das seine Gemahlin Agrippina – so der Kaiserbiograf Sueton – ein tödliches Pulver gemischt hatte. Jetzt bestieg der erst 17-jährige Nero den Kaiserthron, doch Agrippina hielt es für ihre Pflicht, dem unerfahrenen Sohn mit Rat und Tat beiseite zu stehen. Man ahnt, dass das nicht lange gutgehen konnte. Als sich die Übermutter weigerte, dem jungen Kaiser freie Hand zu lassen, fasste Nero einen teuflischen Plan: Agrippina sollte bei einem fingierten Schiffsunglück ertrinken! Doch das Attentat schlug fehl, denn die resolute Dame konnte gut schwimmen. Es nützte ihr jedoch nicht viel, denn nur wenig später wurde sie von Neros Häschern in ihrem eigenen Schlafgemach erdolcht (59 n. Chr.).

Von nun an bemühte sich der Kaiser, die Erinnerung an Agrippina im ganzen Imperium zu tilgen. Ihr Geburtstag, der 8. November, galt den Römern fortan als Dies Ater, als Unglückstag. Nur die Kölner sahen das naturgemäß anders und hielten Agrippina auch weiter in Ehren, selbst wenn sie aus dem Stadtnamen getilgt wurde. Allgegenwärtig ist sie bis heute im Namen einer großen Kölner Versicherung, einer Therme und natürlich im „Dreigestirn“ des Kölner Karnevals, wo die Giftmischerin als „Jungfrau“ in römischer Gewandung an die Ursprünge von Colonia erinnert.

Karin Feuerstein-Praßer

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 10/2014: „Die Römer in Germanien“

 

Zuletzt geändert: 17.03.2016