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Zwischen Staufern und Welfen

Walther von der Vogelweide

Der herumfahrende Minnesänger Walther von der Vogelweide wünschte sich nichts sehnlicher als einen festen Wohnsitz. Dafür wechselte er auch mal die Seiten zwischen Staufer und Welfen.

Sängerkrieg Wartburg

Walther von der Vogelweide mit Kollegen beim fiktiven Sängerkrieg auf der Wartburg Anfang des 13. Jahrhunderts. Wie der Dichter in echt aussah, ist nicht überliefert. | © istockphoto.com/wynnter

Walthers Vermächtnis besteht aus mehr als 90 Liedern und 150 Sprüchen. Sie sind nicht nur Zeugnisse des höfischen Lebens seiner Zeit, sondern berichten auch über die politischen Vorgänge. Doch über ihn selbst als Person ist nur wenig in seinen Werken oder den Liedern anderer Sänger zu erfahren. Nicht einmal sein Geburtsort ist durch „von der Vogelweide“ eindeutig zu identifizieren, da es im Mittelalter nahezu bei jeder Burg und jeder Stadt eine „Vogelweide“ für die Falkenjagd gab. Als historische Person tritt er einzig in einer Notiz des Passauer Bischofs Wolger von Erla am 12. November 1203 auf, die den „Sänger Walther“ als Empfänger von fünf Schilling für einen Pelzmantel nennt. Des Weiteren wissen wir, dass er von Reinmar dem Alten seine Sangeskunst am Hof der Babenberger in Österreich erlernte.

Als der Babenberger Herzog Friedrich I. 1198 starb, endete Walthers Lehrzeit. Er musste sich seinen Lebensunterhalt nun selbst verdienen, indem er von Hof zu Hof zog und seine Lieder vortrug. Dafür hatte er in seinem Repertoire neben dem Minnesang, also der gesungenen Liebeslyrik, auch seine Spruchdichtung, sodass er je nach Geschmack der Zuhörer aufspielen konnte. Die Spruchdichtung nutzte er als erster deutschsprachiger Literat, um das politische Geschehen im Reich zu kommentieren. Er war somit mittelalterlicher Popstar und Kabarettist in einem.

Walther von der Vogelweide wollte einen starken Regenten

Walther trat für eine starke Zentralgewalt ein, wobei der Gegensatz zwischen Staufern und Welfen für ihn eine untergeordnete Rolle spielte: „Ihr aber, Länder deutscher Zunge, wie steht es mit eurer Ordnung? Selbst die Mücke hat einen König, aber euer Ansehen zerfällt, unaufhaltsam. Bekehrt euch, bekehrt euch! Die Fürstenkronen haben zu viel Macht, die kleinen Könige drängen sich vor. Setzt dem Philipp die Kaiserkrone auf und heißt die anderen zurücktreten!“ Damit propagierte Walther die Wahl des Staufers Philipp von Schwaben zum deutschen König. Nach dessen Ermordung 1208 besang er jedoch den Welfen Otto IV. von Braunschweig als einzig möglichen Herrscher. Als dessen Stern sank, setzte er sich erneut für das staufische Lager ein, diesmal für den Sizilianer Friedrich II.

Für Walther hatte die starke Einheit des Reiches Vorrang; sein Herz gehörte jedoch der staufischen Sache. Im Dienste des Welfen Otto betonte Walther 1212 in seiner Dichtung „Hêr keiser, sît ihr willekommen“ nur dessen von Gott gegebene kaiserliche Herkunft als Grund für den Thronanspruch. Nach dem Wechsel in Friedrichs Dienste schwelgte der Dichter aber in Lobeshymnen über den Staufer: „Herr König, ihr seid der Beste, da Ihr guten Lohn gebt!“ Der ökonomische Gedanke spielte eine entscheidende Rolle bei all seinem Tun: Stets war Walther darauf bedacht, einen Gönner zu finden, der ihm einen festen Wohnsitz bescheren würde. Deshalb bedeuteten wechselnde Arbeitgeber auch wechselnde Ansichten. Walther erreichte sein Ziel, als Friedrich II. ihm 1220 ein kleines Lehen, wahrscheinlich bei Würzburg, schenkte. Dort starb er wohl um 1230.

© Vorschaubild: istockphot.com/ZU_09

Meike Berg

Zuletzt geändert: 30.11.2016