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Kreisauer Kreis, Eiserne Front, Roter Frontkämpferbund

Gegner des NS-Regimes

Während die Massen Hitler zujubelten, riskierten einige ihr Leben, um ihn zu bekämpfen. Wer waren sie? Weshalb waren es nur so wenige? Und warum scheiterten sie?

Helmuth James Graf von Moltke, Bundesarchiv Bild Nr. 147-12777

Helmuth James Graf von Moltke, Begründer der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis, vor dem „Volksgerichtshof“ der Nationalsozialisten | © Wikimedia Commons, Bundesarchiv Bild Nr. 147-1277, CC-BY-SA 3.0

„Das war kein Sieg, denn die Gegner fehlten“, sagte der Publizist Oswald Spengler 1933 über die Machtübernahme der Nazis. Hitler sah es ähnlich: „Man hätte nie einen so kläglichen Zusammenbruch für möglich gehalten“, wunderte er sich Anfang Juli. Oft wird von einer Kapitulation, ja einer Selbstaufgabe der ersten deutschen Demokratie gesprochen. Dabei war die Republik keineswegs wehrlos: Allein die 1931 gegründete „Eiserne Front“, eine Organisation zur Verteidigung der Republik aus Gewerkschaften, Sozialdemokraten und linkem Zentrumsflügel, zählte über dreieinhalb Millionen Mitglieder; von ihnen war eine Viertelmillion bewaffnet. Diese Truppe wartete in den ersten Wochen nach dem 30. Januar sehnlichst auf das Zeichen zum Losschlagen. Aber es kam nicht.

Einer der Gründe dafür war, dass sich die demokratischen Parteien einen faschistischen Versuch der Machtübernahme ganz anders vorgestellt hatten: etwa so wie den Kapp-Putsch von 1920, einen gewaltsamen Staatsstreich, der dann mithilfe eines Generalstreiks niedergeschlagen werden konnte. Aber nachdem Hitler 1923 in München mit seinem Coup gescheitert war, änderte er seine Strategie. Er wollte die Macht auf legalem Weg erobern. Und tatsächlich war es der Reichspräsident selbst, der ihn schließlich an die Spitze der Regierung berief. Es waren Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die zur Ruhe aufriefen. Es sollten nicht die Demokraten sein, die als Erste gegen die Verfassung verstießen….

Als Erstes ging Hitler gegen Kommunisten vor

Tatenlos sahen sie zu, wie Hitler unter dem Anschein der Legalität den demokratischen Rechtsstaat zerschlug. Schnell gaben die Demokraten ihre Sache verloren. Die Republik genoss schon lange kein Ansehen mehr: Sie war diskreditiert durch Massenarbeitslosigkeit, Straßenschlachten und die schleichende Entmachtung des Parlaments durch Notverordnungen. Wie überholt die Verfassung von Weimar schien, zeigt die Tatsache, dass keine der späteren Widerstandsgruppen daran dachte, nach der Überwindung der Nazi-Herrschaft zur Weimarer Verfassung zurückzukehren.

Hitler ging als Erstes gegen die Kommunisten vor. Göring gab die kompromisslose Parole aus: „Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen!“ Schon in den ersten Monaten kamen etwa 50 000 Nazi-Gegner in Konzentrationslager. Wer konnte, tauchte ab. Binnen Wochen hatten die neuen Machthaber den einst so weit verzweigten Apparat der KPD erschlagen.

Einige Widerstandskämpfer sind heute fast vergessen

Untergrundkämpfer mussten sich auf eigene Faust durchschlagen – wie etwa Fritz Erhardt, der Leiter des „Roten Frontkämpferbundes“ in Oberhausen. Erst versteckte er sich im Kohlenkeller, dann im Gänsestall. Mit Not gelang ihm die Flucht nach Holland. Dort druckte er Flugblätter, die seine Frau Änne ins Ruhrgebiet brachte. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte Erhardt gegen Franco, dann schlug er sich nach Brüssel durch, wo er nach sieben Jahren seinen Sohn wiedersah. Als kurz danach die Deutschen in Belgien einmarschierten, landete Erhardt in einem Internierungslager in Südfrankreich. Dreimal misslang die Flucht, dann konnte er mithilfe französischer Partisanen entkommen. Bis zum Kriegsende kämpfte der Oberhausener in den Reihen der Résistance. Heute ist sein Name vergessen.

Gefährlich sind die Kommunisten dem Regime nie geworden: „Der rein symbolische Widerstand kleiner immer wieder ausgehobener und immer wieder neugebildeter kommunistischer Gruppen, menschlich gewiss respektheischend in seiner todesverachtenden Ausweglosigkeit, war für Hitler ein reines Polizeiproblem“, musste der Historiker Sebastian Haffner im Rückblick feststellen.

Selbst die „innere Emigration“ führte oft zur Isolation

Kaum anders erging es der SPD. Ihre Führung hatte bis zuletzt gehofft, mit Zurückhaltung das Schlimmste zu verhindern. „Wir sind mit Wilhelm und Bismarck fertig geworden, wir werden auch mit der Reaktion von heute fertig werden“, kündigte Alfred Grzesinski, ein führender Sozialdemokrat, 1933 an. Noch im selben Jahr ging er ins Exil. „Sie können doch nicht alle an die Riviera ziehen!“, protestierte sein Genosse Carlo Mierendorff – und bezahlte seine Standhaftigkeit mit fünf Jahren KZ. Bis Mitte der 1930er-Jahre hatte die Gestapo praktisch alle sozialdemokratischen Widerstandsgruppen aufgerieben.

Große Charakterstärke war erforderlich, um nicht den Weg des geringsten Widerstands zu beschreiten. Selbst die „innere Emigration“ bedeutete oft schon Selbstisolierung und Ausschluss aus der „Volksgemeinschaft“. Hitler war ja – mit den Worten des englischen Historikers Ian Kershaw – „kein Tyrann, der einem unterdrückten deutschen Volk seinen Willen aufzwang, sondern ein Produkt der deutschen Gesellschaft und für einen Großteil der 30er-Jahre der wohl populärste politische Führer der ganzen Welt und der Gegenstand weit verbreiteter und außerordentlicher Bewunderung“. Wer da nicht mitzog, stand schnell außen vor. Deshalb erstaunt es kaum, dass nur diejenigen auf Distanz gingen, die eine feste Überzeugung oder einen starken Glauben hatten: eingefleischte Kommunisten, Sozialdemokraten und Christen. „Repräsentanten von Handwerk, Gewerbe und Industrie und der freien Berufe fehlten im Widerstand gänzlich“, hat Hans Mommsen festgestellt, und „dass der breite Mittelstand völlig dem Sog der nationalsozialistischen Propaganda erlegen war.“

Die Widerstandsgruppen arbeiteten kaum zusammen

Wobei Widerstand ein dehnbarer Begriff ist: Waren Widerstandskämpfer nur jene, die wie die Geschwister Scholl oder Stauffenberg ihr Leben einsetzten? Oder waren es am Ende auch Familien, die Juden versteckten? Am Ende gar Journalisten, die im Feuilleton der „Frankfurter Zeitung“ hochintellektuelle Betrachtungen mit verschlüsselter Kritik verflochten, die allenfalls Eingeweihte verstanden? Zur besseren Abgrenzung hat die Wissenschaft hierfür Begriffe wie „Resistenz“ (Martin Broszat) und „Dissens“ (Ian Kershaw) geprägt.

Nachdem die sozialistischen Widerstandsgruppen zerschlagen waren, verlagerte sich der Schwerpunkt des Widerstands auf konservative Kreise: hohe Beamte, Diplomaten, Intellektuelle, Offiziere – viele davon Adelige und oft Leute, die Hitler anfangs mitgetragen hatten. Eine geschlossene Gruppe waren sie nicht; es waren versprengte Zirkel und Einzelpersonen, die miteinander oft nur indirekt in Kontakt standen. Viele misstrauten sich gegenseitig. Den Kreisauer Kreis etwa um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg tat Stauffenberg verächtlich als „Verschwörerkränzchen“ ab. Den Kreis um den nationalkonservativen Carl Friedrich Goerdeler beschimpfte Moltke als „reaktionäre Exzellenzen“, während Goerdeler die Kreisauer als „Salonbolschewisten“ verachtete.

Das Recht zum Widerstand war schwach entwickelt

Noch größer war das Spektrum bei den Militärs: Am einen Ende der Skala standen erklärten Antisemiten wie Carl-Heinrich von Stülpnagel, der als Oberbefehlshaber der 17. Armee persönlich Befehle zur Judenvernichtung gab und doch einer der tatkräftigsten Verschwörer des 20. Juli wurde. Der Gegenpol war Generalmajor Hans Oster, ein radikaler Hitlerfeind und Gegner der Judenverfolgung, der 1940 über die Niederlande vorab über den deutschen Einmarsch unterrichtete.

Was diese Männer einte, war die Erkenntnis, dass der Nationalsozialismus etwas völlig anderes war, als sie zunächst geglaubt hatten. Vor allem nach der Besetzung Polens und den anschließenden Massenmorden erkannten sie wie Stauffenbergs Mitverschwörer Hans-Bernd von Haeften, dass Hitler „ein großer Vollstrecker des Bösen“ war. Und dennoch rangen viele noch Jahre mit sich, ehe sie begannen, den Tyrannenmord zu planen. Das Widerstandsrecht war in der deutschen Verfassungstradition mit ihrem idealistischen Staatsverständnis nur schwach entwickelt. Die Militärs fühlten sich zudem an ihren Treue-Eid auf Hitler gebunden, und sie fürchteten den Ruch des Vaterlandsverrats. Auch die alliierte Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation schreckte ab. Anderen war es dagegen seit 1943 geradezu eine vaterländische Pflicht, durch Hitlers Sturz den Untergang Deutschlands zu verhindern.

Warum scheiterte der Widerstand?

Warum ist der Widerstand gescheitert? „Er war zu halbherzig, zu schwach und zu spät, um Erfolg zu haben“, meint Elie Wiesel, der jüdische Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger. Es war immer ein Widerstand ohne Volk. So ließ der 20. Juli die Sympathien der Bevölkerung für Hitler ein letztes Mal aufflackern. Und schon zwei Stunden nach der Hinrichtung von Sophie Scholl gab es vor der Universität eine Loyalitätskundgebung für das Regime. Drei Tage später erntete ein NS-Studentenführer großen Jubel für seine Spottrede auf die Scholls. Doch schon 1946 rettete Churchills Wort die Ehre des Widerstands: „In Deutschland lebte eine Opposition, die zum Edelsten und Größten gehört, was in der politischen Geschichte aller Völker hervorgebracht wurde. Diese Menschen kämpften ohne Hilfe von innen und außen – einzig getrieben von der Unruhe des Gewissens. Solange sie lebten, waren sie für uns unsichtbar, weil sie sich tarnen mussten. Aber an den Toten ist der Widerstand sichtbar geworden. Diese Toten vermögen nicht alles zu rechtfertigen, was in Deutschland geschah. Aber ihre Taten und Opfer sind das unzerstörbare Fundament des neuen Aufbaus.“

Christoph Driessen

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 7/2004 „Bomben gegen Hitler: Widerstand im Dritten Reich“

Zuletzt geändert: 20.04.2017