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Hitlers Sympathisanten

Die Windsors und die Nationalsozialisten

Es war der Skandal des Sommers 2015. Die britische Boulevardzeitung „The Sun“ zeigte eine Filmaufnahme aus den 1930er-Jahren, in der die spätere Queen Elizabeth II. den Arm zum Hitlergruß erhob.

Queen Elizabeth II. im Juni 2015

Queen Elizabeth II. bei den Feiern zu ihrem Geburtstag im Juni 2015. Einen Monat später löste ein Foto, das die Königin als Mädchen in den 1930er-Jahren beim Hitlergruß zeigt, einen Skandal aus. | © istockphoto.com/Kylie Ellway

Die britische Öffentlichkeit war nach der Veröffentlichung tief gespalten. Handelte es sich hier nur um das Herumalbern eines Mädchens oder steckte mehr dahinter? Tatsächlich war nicht das Verhalten des Kindes entlarvend, sondern das der Erwachsenen, von denen es umgeben war. Neben der kleinen Elizabeth und ihrer Schwester konnte man den Prinzen von Wales (später Edward VIII .) und seine Schwägerin Elizabeth, die zukünftige Queen Mutter, sehen, die ebenfalls den deutschen Gruß vollführten. Der Kameramann, der die ganze Gesellschaft animierte, war niemand anderes als der spätere König George VI. All das machte den Ausschnitt zu einem brisanten Dokument.

Bis heute ein Tabuthema

Bis heute ist das Verhalten der Windsors in der Zwischenkriegszeit ein Tabuthema. Das liegt vor allem daran, dass die königlichen Archive toxisches Material unter Verschluss halten. Forschungen zu den 1930er-Jahren sind unerwünscht. Stattdessen wird immer wieder das vorbildliche Verhalten der Royals nach Kriegsausbruch betont. Wir wissen, dass die britischen Adeligen, mit denen die Royals täglich verkehrten, in den 1930er-Jahren keine großen Berührungsängste zu autoritären und faschistischen Regimen zeigten. Dafür gab es mehrere Gründe: Die Angst vor dem Kommunismus, die Sorge um den Zerfall des Empires und eine wachsende Skepsis gegenüber dem Parlamentarismus.

Da war Mussolini, der das Nachkriegschaos in Italien erfolgreich „in den Griff bekommen“ hatte. Oder Admiral Horthy, den man als die ungarische Version eines typisch englischen Landadeligen schätzte. Auch Franco wurde bald eine Heldenfigur. Der radikalste Bewunderer faschistischer Bewegungen in Großbritannien war Sir Oswald Mosley, der Begründer der „British Union of Fascists“. Mosley wurde von seiner Ehefrau Diana Mitford und ihrer fanatischen Schwester Unity tatkräftig unterstützt. Beide Damen hatten es in den inneren Kreis um Hitler geschafft, regelrechte „Nazi-Groupies“. Doch Diana und Unity waren nicht die Einzigen, die seine Politik verkauften. Es gab eine ganze Menagerie von Adeligen, die sich für die „Verbesserung“ der deutsch-britischen Beziehungen einsetzten. Mit Erfolg.

Vor allem Edward VIII. sympathisierte mit den Nazis

Bald galt es in der Oberschicht als schick, zu den Nürnberger Parteitagen eingeladen zu werden und sich als VIP-Tourist das „neue“ Deutschland anzusehen. Ein wichtiger Grund für diese Begeisterung war auch die Vorreiterrolle des populären Prinzen von Wales, Edward. Seine Mutter, Queen Mary aus dem deutschen Hause Teck, hatte ihre Söhne ermahnt, die deutschen Wurzeln nicht zu vergessen. Sie sorgte dafür, dass sie ein enges Verhältnis zu den Verwandten der Häuser Hessen, Coburg und Hannover entwickelten. Es waren gerade diese Adelshäuser, die früh für den Nationalsozialismus entflammten. Die Erzählungen der deutschen Verwandten begeisterten vor allem Edward und seinen Bruder, den Herzog von Kent. Für Edward waren zwei Punkte interessant an den Nationalsozialisten: ihr Antikommunismus und ihre „modernen“ Sozialprogramme.

Bereits 1933 äußerte er die Meinung, England brauche ebenfalls eine Bewegung wie den Nationalsozialismus, weil es vom Kommunismus bedroht sei. In seiner kurzen Regierungszeit 1936 zeigte er sich dann auch als ausgesprochen deutschfreundlich, vor allem während Hitlers überraschender Remilitarisierung des Rheinlandes. Der „Führer“ schickte während dieser Krise einen Verwandten Edwards, den Herzog von Coburg, nach London, um jegliches Misstrauen zu zerstreuen. Die Abdankung Edwards VIII. wurde von den Nationalsozialisten als schwerer Schlag empfunden. Ihre Hoffnung war, nun bei George VI. und seiner Frau Verständnis zu finden.

Die Royals waren eng mit dem deutschen Adel verwandt

Tatsächlich gehörte das Paar, gemeinsam mit Queen Mary, seit 1937 zu den wichtigsten Unterstützern der Beschwichtigungspolitik von Premierminister Chamberlain gegenüber Hitler. Während der Sudetenkrise empfing auch George den Herzog von Coburg. Als Chamberlain das Münchner Abkommen unterzeichnete, demonstrierte der König seine volle Solidarität. Bis in den Sommer 1939 hoffte George VI., über die deutsche Verwandtschaft einen Krieg zu vermeiden. Erst mit Kriegsausbruch änderten die Royals ihre Politik gegenüber Hitler.

Wichtige Nachlässe sind bis heute für die Forschung gesperrt

Nur Edward blieb seinen alten Überzeugungen treu. Seit seiner Abdankung trug er den Titel eines Herzogs von Windsor. Für ihn blieb der Krieg gegen Hitler ein schwerer Fehler britischer Politik. Im Juni 1940 erklärte er einem spanischen Diplomaten, wenn er noch politisch aktiv wäre, würde er Politiker wie Anthony Eden – Kriegsminister unter Churchill – gegen eine Wand stellen. Es wären Leute wie Eden, gemeinsam mit Juden und Kommunisten, die Schuld am Kriegsausbruch hätten. Die einzige Lösung, einen schnellen Frieden zu erlangen, wäre, wenn die Deutschen Großbritannien bombardieren würden. Dieser Wunsch wurde ihm bald darauf erfüllt, ohne freilich die erwartete Wirkung zu zeigen.

Heute gilt Edward VIII. als schwarzes Schaf. Das liegt vor allem daran, dass die Nachlässe seiner Brüder und seiner Mutter weiterhin gesperrt sind. Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende wird damit die Forschung zur Zwischenkriegszeit weiter behindert.

Karina Urbach, Autorin des Buchs „Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht“ (Theiss 2016, € 29,95)

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 4/2016 „Die Windsors. Eine Dynastie mit deutschen Wurzeln“

Zuletzt geändert: 14.12.2017