G/GESCHICHTE Porträt
Peter der Große – Zar, Zimmermann, Folterknecht
Liebe Leserin, lieber Leser,
zu meinen eindrucksvollsten Reisen zählt eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking über Irkutsk am Baikalsee nach Moskau. Unvergesslich sind die endlosen Birkenwälder Sibiriens, die fast drei Tage lang am Zugfenster vorbeizogen. Sie haben mich nicht nur innerlich enorm zur Ruhe kommen lassen, sondern mir auch vor Augen geführt, wie sehr sich die Ausmaße Russlands von denen unseres gedrängten Mitteleuropas unterscheiden.
Vielleicht geht mit großen räumlichen Dimensionen auch eine große zeitliche Dimension im Denken einher. Während wir Mitteleuropäer dazu neigen, hektisch immer neue Ziele anzuvisieren, ist die russische Geduld legendär. Peter der Große war zwar persönlich ein Mensch, dem man heute wohl Hyperaktivität diagnostizieren würde, aber er verfolgte konsequent langfristige Ziele, wie er bei der Modernisierung seines Landes und der Gründung von Sankt Petersburg bewies. Auch Russlands gegenwärtiger Staatslenker Wladimir Putin denkt in großen historischen Linien, wie Sie in diesem Heft im Interview mit der langjährigen Moskau-Korrespondentin Katja Gloger lesen können.
Solch eine geschichtsbezogene Denkweise ist der europäischen Politik heute eher fremd. Das ist ein Fortschritt, wenn es darum geht, den historischen Ballast loszuwerden, der die Zusammenarbeit behindert. Eine kurzfristige Sicht kann aber auch dazu führen, dass man auf Dauer nicht wirklich vom Fleck kommt – so wie ein winziges Rauchteilchen bei der Brownschen Molekularbewegung: Es ruht zwar nie, aber flitzt nur ziellos im Zickzack hin und her.
Ihr
Dr. Christian Pantle
Chefredakteur
Der Vielseitige
Hyperaktiv und Hobbyzahnarzt: Sechs kuriose Seiten Peters
Ein Zar wird Zimmermann
Peter arbeitet als Handwerker in den Niederlanden – nur mit dem Inkognito klappt es nicht so ganz
Unverletzt aus dem Inferno
Der Zarensohn übersteht einen Aufstand und muss über Tage hinweg ein Massaker mitansehen
Kriegsspiele in der Provinz
Fern vom Moskauer Hof übt sich der Jugendliche im Kampf. Aus dem Spiel wird bald Ernst
Ungeliebte erste Ehefrau
Jewdokija Lopuchina ist adlig, artig – und Peter ein Graus
Flotte gegen die Osmanen
Im Kampf um Asow erkennt der Zar: Ohne Kriegsschiffe kein Sieg
Zweites Ego: Folterknecht
Als die Strelizen gegen Peters Neuerungen rebellieren, rächt er sich in monatelangem Blutrausch
Alte Bärte abschneiden
Mode, Wirtschaft, Wissenschaft: Alles soll westlich werden
Noch weniger Freiheit
Den Leibeigenen geht es jetzt sogar schlechter als zuvor
Umbauen und neu gründen
Wichtige Reformen und was aus ihnen bis heute geworden ist
Duell der Titanen
Wem gehört die Ostsee? Der Zar fordert die Großmacht Schweden heraus – ein riskantes Wagnis
Geschätzter Generalissimus
Alexander Menschikow ist treu – und darf sich alles erlauben
Vorstoß in den Kaukasus
Teile Persiens erobern? Ein Versuch am Kaspischen Meer
Russland wächst
Heimliche Eroberung Sibiriens und andere Expansionen
Aus dem Sumpf geboren
Auf Pfählen und Gräbern wird Sankt Petersburg errichtet, um den Zugang zur Ostsee zu sichern
Einmal Leningrad und zurück
Vom Schicksal einer Stadt
Das Venedig des Nordens
Bauwerke, Kunst und die Weißen Nächte locken heute Touristen
Unglücklicher Thronfolger
Zarensohn Alexei enttäuscht Peter und stirbt den Foltertod
Eine Magd will nach oben
Vom Bauernmädchen zur Zarin: Peters zweite Frau Katharina
„Es gilt das Recht der Macht“
Katja Gloger, langjährige Moskau-Korrespondentin, über Russlands Politik von Peter bis Putin