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Interview mit Johannes Krause

Krankheiten prägen die Geschichte

Johannes Krause erforscht die Evolution von Krankheitserregern. Im Gespräch mit G/GESCHICHTE erklärt er, wie sie die Entwicklung der Menschheit beeinflussen.

Johannes Krause übernahm 2013 an der Uni Tübingen den weltweit einzigen Lehrstuhl für Archäo- und Paläogenetik. 2014 ging er als Gründungsdirektor ans Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena | © Sven Döring / Agentur Focus

 

Herr Krause, Sie erforschen am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena nicht nur alte Gene, sondern auch historische Krankheitserreger. Haben diese den Verlauf der Geschichte geändert?

Johannes Krause: Sogar ganz massiv. Krankheiten gibt es seit Anbeginn der Evolution. Meist mit negativen Konsequenzen natürlich, weil Millionen von Menschen durch sie gestorben sind.

Wie schwer trifft das Gesellschaften?

Johannes Krause: Krankheiten können Zivilisationen zusammenbrechen lassen. Die Justinianische Pest im späten Römischen Reich beendet die Antike und läutet das Mittelalter ein. Die Geschichte Mittelamerikas wäre eine andere, hätten Krankheiten nicht 95 Prozent der lokalen Bevölkerung in den ersten 100 Jahren nach dem ersten Kontakt mit den Spaniern dahingerafft.

„Manche behaupten, die Pest beendete das Mittelalter“

Haben Seuchen nur negative Folgen?

Johannes Krause: Das ist Ansichtssache. Im Mittelalter etwa stirbt zwar die Hälfte aller Menschen an der Pest. Andererseits hat die andere Hälfte plötzlich doppelt so viele Ressourcen zur Verfügung. Manche behaupten, das hat das Mittelalter beendet und die Renaissance eingeleitet.

Wo liegen Ursachen für Pandemien?

Johannes Krause: Für massive Krankheitswellen muss sich ein Erreger ausbreiten, gegen den ein Großteil der Bevölkerung nicht immun ist. So war es bei der Entdeckung Amerikas. Oder die Menschen sind vorgeschwächt, etwa durch andere Krankheiten, Hunger, Kriege. Wie bei der Spanischen Grippe 1918: Sie konnte sich so gut ausbreiten, weil die Welt in den Nachkriegswehen lag.

„Gerade die Grippe ist ein großes Problem“

Welcher Erreger hat die Menschheit am nachhaltigsten geprägt?

Johannes Krause: Vermutlich die Pest. Für das Mittelalter wissen wir um ihren starken Effekt. Erst kürzlich konnten wir nachweisen, dass sie Europa schon um 3000 vor Christus massiv beeinflusste. Großbritannien etwa wird entvölkert und eine ganz andere Gruppe von Menschen aus der eurasischen Steppe breitet sich aus. Die Menschen, die Stonehenge erbaut haben, werden verdrängt.

Können Krankheiten heute noch die Geschichte lenken?

Johannes Krause: Das Potential ist da, ja. Gerade die Grippe ist ein großes Problem, das wir noch nicht im Griff haben. Weltweit sterben an ihr jedes Jahr Millionen von Menschen. Würden die Beulenpest, Cholera oder Typhus heute solche Todeszahlen verursachen, gäbe es mehr Schlagzeilen. So bleibt nur hängen: »Oh, war mal wieder Grippewelle«

 

 

Das Interview führte Sebastian Kirschner

Zuletzt geändert: 23.05.2018