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Kopfschmuck der Mächtigen

Prunkvoll, aber leider unhandlich, spottete Queen Elisabeth II. einst über ihre Kronen. Golden und mit Edelsteinen besetzt sind sie seit gut 1000 Jahren Teil der europäischen Geschichte.

von Nikolas Pfannenmüller

Edwardskrone: Charles wird sie bei seiner Krönung tragen, aber nur am Anfang. Für längere Zeit ist sie zu schwer. | Foto: Wikimedia/Royal Collection

Kronen gibt es in den verschiedensten Varianten: etwa Schaumkronen, Baumkronen oder Zahnkronen. Auch auf Münzen sind Kronen abgebildet. Währungen in diesen Nationen werden daher als ebensolche bezeichnet, etwa in Schweden. Die Kronen in diesem Text sind allerdings exquisit und nur für ausgewählte Menschen Alltagsgegenstände: für Königinnen, Könige und andere besondere Würdenträger.

Uns Deutschen ist die Monarchie über 100 Jahre nach Ende des Kaiserreichs eher fremd, doch am 6. Mai 2023 wird die Öffentlichkeit auch hierzulande interessiert nach London schauen. An diesem Samstag wird Charles, der langjährige Prinz, im Alter von 74 Jahren zum britischen König gekrönt.

Großbritannien ist zwar eine parlamentarische Monarchie, in der sich die Befugnisse des Königs de facto auf zeremonielle und repräsentative Aufgaben beschränken. Trotzdem fühlen sich viele Briten nach wie vor mit dem Königshaus verbunden.

Kronen sollen die Macht und Würde von Herrschern zeigen

Voller Vorfreude blicken sie auf den feierlichen Akt, bei dem Charles die legendäre Edwardskrone in Empfang nehmen wird: eine Lilienkrone aus Gold, die mit 444 Edelsteinen und Perlen besetzt ist und normalerweise im Tower of London aufbewahrt wird. Sie kommt nur bei der Krönung zum Einsatz, ist über 30 Zentimeter hoch und wiegt mehr als zwei Kilogramm – vermutlich auch der Grund, weshalb der Monarch sie nur für wenige Momente auf dem Kopf tragen wird.

Queen Elisabeth II., Mutter und Vorgängerin von Charles, befand die Krone im BBC-Interview 2018 als „sehr unhandlich“. Schon Wochen vor ihrer Krönung im Jahr 1953 soll sie geübt und sich an das Gewicht gewöhnt haben, indem sie die Krone bei alltäglichen Tätigkeiten wie Teetrinken oder Zeitungslesen zu Hause trug. „Also, Kronen haben einige Nachteile, aber sonst sind sie ziemlich wichtige Dinge“, scherzte die Queen.

Mit Lorbeerkranz: Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen. Porträt von 1812. | Bild: Wikimedia

Im weiteren Verlauf der Krönungszeremonie und beim Verlassen der Westminster Abbey wird Charles die deutlich leichtere Imperial State Crown aufhaben. Aber auch über jene Krone stänkerte die Queen: „Wenn man sie trägt und im Parlament die Thronrede vorliest, darf man den Kopf nicht beugen. Sonst bricht man sich das Genick.“ Generell sollen Kronen die Macht und Würde von Herrschern zum Ausdruck bringen. Das deutsche Wort „Krone“ kommt vom lateinischen „corona“, was so viel wie „Kranz“ bedeutet. Die römischen Kaiser nutzten einen Lorbeerkranz oder ein Diadem als Symbol ihrer Herrschaft. Auch die ägyptischen Pharaonen trugen ein Diadem, das mit dem Sonnenkult in Verbindung gebracht wurde. Diese Assoziation griff später Kaiser Augustus auf.

Charles wird nicht nur gekrönt, sondern auch gesalbt

Kronen und Krönungszeremonien hatten oft einen religiösen Hintergrund. Im Mittelalter wurden die christlichen Könige nicht nur gekrönt, sondern auch gesalbt. Der Erzbischof von Canterbury salbt den britischen König heute noch, allerdings wird dieser Teil der Krönung nicht im TV übertragen. Im Mittelalter müssen die römisch-deutschen Könige des Reiches nach Rom reisen, um sich vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen.

Auch Päpste machten sich bis vor wenigen Jahrzehnten die Symbolik von Kronen zunutze: Sie trugen bei feierlichen Anlässen eine Tiara, eine kegelförmige Haube mit drei eingesetzten Kronreifen. Als letzter Papst trug Paul VI. 1964 die Tiara.

Aus Pappe: Für die Kunden einer Fast-Food-Kette. | Foto: Getty Images

Im Laufe der Geschichte wurden unterschiedliche Kronen getragen: vom schlichten Kronreif über eine wuchtige Plattenkrone oder spitze Zackenkrone bis zur kunstvollen Bügelkrone, wie die Reichskrone der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation seit dem Hochmittelalter. Diese ist achteckig und aus purem Gold. Heute befindet sich die Reichskrone mit anderen Reichsinsignien wie Reichsapfel, Zepter, Schwert und Heilige Lanze in der Wiener Hofburg.

In Belgien gab es nie eine Krone oder Krönung

In den Monarchien des Mittelalters haben Kronen einen hohen symbolischen Wert, weil viele Menschen nicht lesen können. Um sich allen Untertanen – ob arm oder reich – zur Schau stellen zu können, sind Gegenstände wie die Krone unerlässlich.

Zwar existieren heute noch Monarchien, doch die Bedeutung der Kronen hat stark abgenommen. In der spanischen und niederländischen Monarchie ist die Krone allenfalls noch im Wappen zu finden. In Belgien gab es nie eine Krone, es fand auch nie eine Krönung statt. Die königliche Einsetzung erfolgt durch einen feierlichen Eid im Parlament.

Krönungen mit realer Krone gibt es nur noch in wenigen Ländern, etwa im Inselstaat Tonga, im afrikanischen Eswatini, im asiatischen Bhutan und eben in England. Insofern können wir am 6. Mai 2023 an den Fernsehgeräten eine Seltenheit bestaunen.

 

 

 

Dieser Artikel stammt aus unserem aktuellen Heft „Die Maya – Aufstieg und Kollaps einer Hochkultur“ (Für mehr Infos aufs Bild klicken). Hier bestellen