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Ausstellung

Verbrecher, Helden und Legenden: 7000 Jahre Räuber in Koblenz

Von Pirat Blackbeard bis Robin Hood – Das Landesmuseum Koblenz lädt ein zum Blick auf Geschichte und Lebensumstände der Räuber von der Jungsteinzeit über die Germanen, Wikinger und Raubritter bis hin zu marodierenden Banden im 19. Jahrhundert. G/GESCHICHTE-Autor Dr. Heiko Schmitz sprach mit Andreas Schmauder, Direktor des Landemuseums, über Parallelen zwischen Wikingerhorden, Schinderhannes und Bankräubern.

Andreas Schmauder, Leiter des Kulturzentrums Festung Ehrenbreitstein und des Landesmuseums Koblenz. | © privat

G/GESCHICHTE: Herr Prof. Schmauder, wann haben Sie Ihren letzten Krimi gelesen oder geguckt?
Prof. Schmauder: Ich bin eher Zuschauer als Leser. Ich sehe leidenschaftlich gern die Serie „Mord mit Aussicht“, das ist mein Lieblingskrimi. Nicht nur, weil er in der Eifel spielt, sondern auch, weil ich diese Art Krimi mit Humor und Regionalität sehr gelungen finde. Ich mag die Charaktere und die Orte, die sympathisch rüberkommen – man gewinnt die Eifel lieb dabei.

Haben Sie generell ein Faible für düstere Geschichten und Gesellen, oder wie kam es zur Idee einer Ausstellung zu „7000 Jahren Tatort Mittelrhein“?
Das fing so an, dass wir das Angebot bekamen, die Räuber Hotzenplotz-Ausstellung zu zeigen, die in Stuttgart für Kinder von vier bis acht Jahren gezeigt worden war. Die Idee fanden wir gut, wollten das Thema aber erweitern und nicht nur für Kinder aufbereiten.
In unserer Region von Eifel, Westerwald und Taunus spielen Raub und Räuber seit Jahrtausenden eine große Rolle und lassen sich bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. So kam es zur kulturhistorischen Ausstellung mit der großen Zeitspanne von 7000 Jahren.

„Der Mittelrhein bot gute Verstecke und Ausgangspunkte für Überfälle“

Ist der Hotzenplotz denn noch dabei?
Ja, er ist auch dabei. Ab dem 3. Juli zeigen wir zusätzlich eine Etage über der Räuber-Schau auch die Hotzenplotz-Ausstellung für Kinder als interaktive Familienausstellung.

Mehr über Robin Hood lesen Sie in unserem Porträt über den berühmten Räuber (aufs Bild klicken für mehr Infos).

Ist der Mittelrhein eigentlich eine besonders gefährliche Region?
Auf jeden Fall bot die Gegend mit ihren ausgedehnten Waldgebieten und der territorialen Zersplitterung gute Verstecke und Ausgangspunkte für Überfälle. Der Wald spielt ja auch bei Robin Hood eine große Rolle. Die Kaufleute mussten hier durch, die wenigen Menschen vor Ort waren arm. Das blieb so bis zur Einrichtung der Rheinprovinz, aber selbst die Franzosen taten sich schwer, eine Gendarmerie aufzubauen. Die Region war ein El Dorado für Räuber.

Macht es denn Sinn, einen Bogen zu spannen von neusteinzeitlichen Rivalitäten bis zu gesprengten Bankautomaten? Welche Parallelen und Konstanten gibt es zwischen den Akteuren und ihren Taten?
Raub ist fester Bestandteil unserer Kulturgeschichte, im Grunde eine anthropologische Konstante. Wir stellen Fragen wie: Wer waren Räuber und Opfer? Wie hat sich das Raubgut verändert? Wie und warum ist es später zum „Mythos Räuber“ gekommen? Was alle verbindet, ist die Veranlagung zur Gewalt und/oder die soziale Not, die sie abhängig macht vom Rauben und Wildern. Räuber sind bereit, Gewalt anzuwenden und tragen dafür Waffen. Die Grenzen zum Raubmord sind fließend. Je weiter wir zurückgehen, desto geringer ist der Wert des Lebens der Opfer. Deshalb hat sich auch immer die Frage nach Vorbeugung und Schutz gestellt. Es geht um herrschaftliche und staatliche Gegenmaßnahmen sowie die bis heute aktuellen Fragen: Wie bewerte und bestrafe ich Raub?

Die Geschichte ist ziemlich männerlastig, oder?
Ja, Raub ist eine Männerdomäne. Frauen sind viel seltener vertreten und wenn, dann meist als Komplizinnen oder Partnerinnen wie bei Bonnie und Clyde. Frauen waren am Mittelrhein keine wesentlichen Akteure. Es gab aber durchaus Seeräuberinnen.

Zu Land oder auf See: Räuber finden immer einen Weg. Die Ausstellung „Räuber“ im Landesmuseum Koblenz thematisiert den räuberischen Mensch im Mittelrhein (Wikinger, Dreißigjähriger Krieg, Räuberbanden) bis in die 1970er Jahre. | Foto: Heiko Schmitz

Das Verhältnis zu Gestalten wie Robin Hood oder Schinderhannes ist ambivalent: Der Weg vom Bösewicht zum Helden ist kurz. Woher kommt die Faszination, vor allem in Literatur und Film?
Das hat viel mit gutem Marketing und Propaganda zu tun, auch der Räuber selber. Die Literaten fühlten sich schon früh magisch angezogen von Bösewichten, siehe Schillers „Räuber“, vor allem aber im 19. und 20. Jahrhundert. Unser Räuberbild ist vielschichtig, aber es stammt aus Romanen oder Serien, in denen es um gute Stories geht. Räuber waren auch Vorbilder für den Widerstand gegen die Obrigkeit und später im Klassenkampf. Ich nenne nochmal Robin Hood, dessen Existenz von der literarischen Gestalt gar nicht mehr zu trennen ist. Er ist der gute, gerechte Räuber, der den Reichen nimmt und den Armen gibt.

„Räuber wurden über die Jahrhunderte verharmlost“

Dann steckt im „Mythos Räuber“ auch viel Verharmlosung?
Absolut. Wenn Räuber zu „Stars“ in Schauprozessen werden, zu Freiheitskämpfern und sympathischen Gaunern, führt das zu einer extremen Verharmlosung einer ernsten Thematik – auch der Hotzenplotz ist ja letztlich ein netter Kerl. Das Phänomen der Verharmlosung über die Jahrhunderte sehen wir auch bei Hexen: Sie wurden zu charmanten, zauberhaften Wesen, auch für Kinder und in der Folklore. Die massenhafte, brutale Hexenverfolgung und Ermordung über vier Jahrhunderte hinweg spielt dabei keine Rolle mehr.

Haben Sie eine Lieblingsfigur unter den Spitzbuben?
Der Schinderhannes ist für mich die faszinierendste Gestalt. Ein kleiner Krimineller, der es immer wieder schafft, sich neu zu organisieren, Banden zu bilden, Verstecke zu finden, neue Raub-Projekte zu initiieren und aus der Haft zu entkommen – es hieß ja sogar, er könne sich unsichtbar machen. Er ist auch ein Beispiel für gutes Eigenmarketing und war schon zu Lebzeiten berühmt, obwohl er bei weitem nicht der erfolgreichste Räuber war.

 

Blick in die Ausstellung. | Foto: Heiko Schmitz

Die Ausstellung „Räuber – 7000 Jahre Tatort Mittelrhein“ ist bis zum 9. Januar 2022 zu sehen im Kulturzentrum Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Weitere Infos hier und unter www.tor-zum-welterbe.de