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Geschichte des Kommunismus

„Idee von einer besseren Welt“

1848 veröffentlichten Marx und Engels das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Die Doku-Reihe „Aufstieg und Fall des Kommunismus“ auf ZDFinfo schildert die Folgen. G/GESCHICHTE sprach mit dem Filmemacher Michael Kloft über die Faszination, die der Kommunismus bis heute ausstrahlt.

Lenin bei einer Rede

Lenin bei einem seiner wenigen Auftritte, 1918 | © ZDF/Spiegel TV Hamburg

Sie erzählen in zwölf Folgen die Geschichte des Kommunismus und konzentrieren sich da auf die Köpfe wie Marx, Che Guevara, Stalin oder Lenin. Würden Sie sagen, dass diese Menschen trotz ihrer Unterschiedlichkeit ideologische Gemeinsamkeiten hatten?

Die Gemeinsamkeit ist am Ende eigentlich nur die Idee. Die Idee von einer besseren Welt. Manche würden sagen, von einem Himmelreich auf Erden – von Menschen gemacht, nicht nur durch göttliche Fügung. Dieser Ansatz hat sich im 19. Jahrhundert ideengeschichtlich entwickelt und wurde von Marx und Engels auf den Punkt gebracht. Später will jeder dem Kommunismus seine eigene Prägung geben. Am eklatantesten natürlich Lenin, indem er sagt, dass es reicht, wenn die Partei als Speerspitze alles für die Menschen regelt. Das ist dann der Schritt in die Diktatur.

In der ersten Folge geht es um die Metamorphosen des Gedankensystems. Sie lassen den Historiker Gerd Koenen zu Wort kommen, der sagt: Der Kommunismus, wie er sich entwickelt hat, habe mit dem, was Marx sich einmal überlegt hat, gar nichts mehr zu tun. Der Grünen-Politiker und Publizist Daniel Cohn-Bendit, den Sie auch interviewt haben, widerspricht dem. Er sagt, na ja, das hat vielleicht schon etwas mit der Art zu tun, wie Marx das formuliert hat. Wie sehen Sie das?

Ich bin Dokumentarist und stelle diese beiden Meinungen bewusst gegeneinander, weil es für beide gute Argumente gibt. Ich glaube schon, dass die Kommunisten, die in den sozialistischen Staaten Marx’ Ideologie für sich beansprucht haben, ihn nicht ganz außen vorgelassen haben. Marx spricht selbst von der Diktatur des Proletariats. Es gab hellsichtige Menschen, wie den Anarchisten Michail Bakunin, der schon sehr früh gesagt hat: Das führt in die Diktatur. Genauso ist es ja gekommen.

„Die haben wirklich von Herzen daran geglaubt, dass sie einer besseren Welt entgegengehen“

Sie haben gerade einen interessanten Punkt erwähnt. Sie sagen, Sie wären ein Dokumentarist. Sie befragen Experten, die sehr ausführlich zu Wort kommen, vielleicht mehr als in anderen Formaten. Warum haben Sie sich für diese Herangehensweise entschieden?

Es gibt eine Menge profunder Publizisten, Historiker, Politikwissenschaftler, die sich mit dem Phänomen Kommunismus sehr ausführlich und in Tausenden von Seiten starken Büchern beschäftigt haben. Die können das natürlich besser auf den Punkt bringen, als ich das je könnte. Ich versuche, die Ausführungen der Experten mit den wissenschaftlichen Recherchen zusammenzubringen und das alles mit dem verfügbaren Archivmaterial zu verbinden. Da haben wir eine sehr aufwendige Recherche gemacht, um entsprechendes Foto- und Filmmaterial zu finden. Die Bilder sollen stark sein, so dass sie die Geschichte auch abseits der Propaganda gut erzählen.

Sie zeigen wiederholt eine Karte, die die Erfolgsgeschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert verdeutlicht. Dann aber auch, wie der Einfluss dieser Ideen immer weiter zerbröckelt. Heute gibt’s da noch so ein paar Reste in Korea oder Kuba. Bei China könnte man darüber streiten, wie kommunistisch das Land heute noch ist. Hat der Kommunismus überlebt oder hat er noch mal die Chance auf ein Comeback?

Auf seiner Südreise hat Deng Xiaoping den Kapitalismus mit dem berühmten Satz eingeladen: „Es ist es egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist. Hauptsache sie fängt Mäuse“. In China oder übrigens auch in Vietnam wird der Kapitalismus bewusst ins Land geholt und ausgebaut, aber die klassische Struktur kommunistischer Parteien bleibt bestehen, auch was Zensur angeht. In China sehen wir ja, wie jede oppositionelle Meinung dann doch unterdrückt wird. Das hat sich nicht wirklich verändert.

Wie sehen Sie den Nostalgiefaktor, auf den Sie auch zu Beginn der Dokumentation eingehen?

Natürlich gibt es eine gewisse Faszination. Wir zeigen natürlich, warum es schiefgegangen ist. Aber wir wollen auch nicht verschweigen, dass es viele Menschen gab, die sich dieser Idee verschrieben haben und die nicht böse oder schlecht waren oder irgendwie gedacht haben, sie müssen andere Leute kujonieren oder umbringen. Die haben wirklich von Herzen daran geglaubt, dass sie einer besseren Welt entgegengehen. Es gibt diese Punkte in der Geschichte, da geht es in die eine oder in die andere Richtung. Das fasziniert mich selbst so an dem Projekt. Möglicherweise hätte es Alternativen gegeben. Die gemäßigten Menschewiki in Russland waren zahlenmäßig immer stärker als die radikalen Bolschewiki. Es wäre interessant zu sehen, was daraus geworden wäre, hätte Lenin sie nicht mit seinen paar Bolschewiki von der Macht weggefegt. Wir wissen es nicht. In der Regel ist es halt leider so, dass die Gewalt den Ausschlag gibt.

Die zwölfteilige Doku-Reihe ist in der ZDF-Mediathek verfügbar: www.zdf.de