Am 2. September startet die Serie „Ringe der Macht“ auf Amazon Prime. Sie basiert auf den Werken des Briten J.R.R. Tolkien, der auch „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ geschrieben hat. Seine geliebte Ehefrau Edith ist Tolkiens Muse. Dabei ist ihre eigene Liebesgeschichte hollywoodreif.
von Michael Feldhoff
Sie ist unprätentiös, wahnsinnig hübsch und seine Muse. Im Jahr 1917 beobachtet J. R. R. Tolkien seine Ehefrau Edith, wie sie auf einer Waldlichtung plötzlich anfängt zu tanzen und zu singen. „In jenen Tagen war ihr Haar rabenschwarz, ihre Haut klar, ihre Augen heller, als du sie je gesehen hast“, schreibt er viele Jahre später seinem Sohn Christopher. Der hat den Moment 1977 in der Liebesgeschichte „Lúthien und Beren“ im Band „Silmarillion“ festgehalten, einer Sammlung unvollendeter Werke seines Vaters.
Die Szene im Wald von Yorkshire 60 Jahre zuvor hat Tolkien zu der unsterblichen Elbenprinzessin Lúthien und dem sterblichen Helden Beren inspiriert (siehe Buch rechts). Deren Liebe ist verboten, so wie die seine mit Edith lange Zeit auch. Lúthien besitzt eine wunderschöne Stimme. Dank ihrer kann sie Beren aus den Hallen der Toten befreien.
1904 ist die erste Frau gestorben, die Tolkien geprägt hat: seine Mutter Mabel. Den Vollwaisen quälen Verlustängste: „Nichts scheint sicher, nichts von Dauer, kein Kampf für immer gewonnen“, so die Gedanken des eigentlich lebenslustigen zwölfjährigen Jungen. Sie werden später das dramaturgische Grundgerüst seiner Werke. Vormund Pater Francis Morgan bringt Mabels zwei Söhne bei der Tante Beatrice in Birmingham unter. Doch die Tatsache, dass die Tante alles andere als herzlich ist und sogar – wenn auch unabsichtlich – die Briefe der Mutter verbrennt, sorgt dafür, dass dieses Intermezzo alsbald beendet wird.
Pater Francis, der die Jungen weiterhin finanziell unterstützt, vertraut sie nun einer befreundeten Pensionswirtin an. In der Pension wohnt auch ein auffallend hübsches Mädchen, das vorzüglich Klavier spielt. Edith ist drei Jahre älter als der inzwischen 16-jährige Tolkien. Beide ziehen durch die Teehäuser Birminghams, als sie feststellen, dass sie Seelenverwandte sind. Aus Freundschaft wird Liebe, die sie nach außen hin verbergen.
Dann fällt Tolkien, der halb mit Sprachen erfinden und halb mit Edith beschäftigt ist, durch die Prüfung für ein Oxford-Stipendium, und die heimliche Liebschaft fliegt auf. Pater Francis verbietet ihm den Umgang mit Edith: Erst nach seinem 21. Geburtstag darf Tolkien sie wiedersehen und ihr bis dahin auch keinen einzigen Brief schicken. „Ich verdanke P. F. alles“, schreibt er. „Also muss ich gehorchen.“ Für ihn wird nun die Schule zum Mittelpunkt seines Lebens. Beim zweiten Versuch schafft er die Prüfung für Oxford.
Das Stipendium sicher in der Tasche, blüht Tolkien in der King Edward’s School auf, zeigt sein großes Talent auf dem Rugby-Feld und mehr noch das für Sprachen. In der Schulbibliothek findet er die Freunde seines Lebens. Zusammen mit Christopher Wiseman, Robert Quilter Gilson und Geoffrey Bache Smith gründet er einen Club: die T. C. B. S. (Tea Club & Barrovian Society). Barrovian heißt das Kaufhaus, wo die vier ihren Tee trinken und auf Latein und Griechisch über Literatur und Philosophie diskutieren.
Als Tolkien in einer Schultheateraufführung einen germanischen Gesandten spielt, hält er seine Rede auf Gotisch. Er schreibt die ersten Gedichte, liest mit Begeisterung alte nordische Sagen und Märchen und hat erstmals Kontakt mit der finnischen Mythologie. Das alte Finnisch wird später Vorlage für eine seiner Elbensprachen. 1911 macht er Urlaub in den Schweizer Alpen. Der kleine Ort Lauterbrunnen dient ihm später als Inspiration für Bruchtal. In Tolkiens Nachlass findet sich eine Postkarte von dort. Zu sehen ist ein alter Mann mit weißem Bart und großem Hut, der unter einer Fichte auf einem Felsen sitzt und sich mit einem Reh unterhält. Auf dem Umschlag steht geschrieben: „Gandalfs Ursprung“.
Am 3. Januar 1913 wird Tolkien endlich 21 Jahre alt – nun ist er volljährig, und sein Versprechen an Pater Francis ist erfüllt. Noch am selben Tag schreibt er Edith einen Brief. Doch die ist inzwischen mit einem anderen Mann verlobt. Tolkien aber gibt nicht auf. Er fährt zu ihr und hält um ihre Hand an. Edith, die ihre große Liebe nie vergessen hat, löst für ihn die Verlobung. Auf Tolkiens Wunsch konvertiert sie auch zum römisch-katholischen Glauben.
Inzwischen tobt in Europa der Erste Weltkrieg. Tolkien beendet erst sein Studium, bevor er in die Armee eintritt. Er wird direkt in den Rang eines Leutnants befördert und zum Nachrichtenübermittler ausgebildet. Feindliche Codewörter zu dechiffrieren, das liegt ihm. Frisch verheiratet muss er im Juli 1916 an die Front und erlebt die größte Schlacht des Ersten Weltkriegs an der Somme mit. Der Schrecken der blutigen Grabenkämpfe wird sein weiteres Leben beeinflussen.
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