Wer auf einer mittelalterlichen Burg ein Geschäft zu erledigen hatte, dem konnte es schon einmal zugig am Hintern werden. Heute wühlen Archäologen in den Hinterlassenschaften.
In den mittelalterlichen Burgen waren „die stillen Orte“ ein praktisches Problem der Architektur, auch wenn auf das Thema bei touristischen Burgführungen nur in seltenen Fällen hingewiesen wird. Wer von ihrer Bedeutung nichts weiß, dem fallen sie nicht auf, die kleinen Vorsprünge an den Mauerspitzen älterer Burganlagen – dort oben, am Rande der Burghöfe, hingen die Nischen, in die man sich bei Bedarf einfach ins Freie hockte. Schräg nach außen führten Öffnungen für den Fall der Exkremente. Und weil um die meisten Burgen ein Graben mit Wasser führte, war für eine natürliche Entsorgunge gesorgt. Was am Gemäuer kleben blieb, wurde beim nächsten Regen abgewaschen.
Die Toilette wird privater
Mit dem Lauf der Zeit verschwand die offene Bauweise. Privater, intimer Lebensraum wurde in der mittelalterlichen Welt allmählich zum Bedürfnis und blieb zugleich ein Symbol von Luxus. Parallel zur Wohkultur verfeinerte sich deshalb die Toilettenkultur auf den herrschaftlichen Sitzen. Der Abort wurde zum haymlich gemach und ins Innere der Burg verlegt, sodass man nicht mehr in Wind und Regen hocken musste. Auf der Burg Eltz entstanden beispielsweise 20 Zimmertoiletten. Wo keine fließenden Gewässer zur Verfügung standen, enstanden einfach Gruben unter den übrigen Räumlichkeiten.
Weiter waren es in der Regel Toilettenerker an den Außenwänden, die als Abtritt gebaut wurden, mit Entsorgungskanälen in die freie Natur. In einzelnen Fällen verfügten Burgen über frei stehende Abtritttürme – Vorbild für Klohäuschen. Bisweilen führten sogar überdachte Brücken zu diesen Türmen.
Was Forscher aus den Abortgruben lernen
Auf den Burgen war wegen der Weiträumigkeit der Umgebung das Problem der Notdurft-Beseitigung jedenfalls leichter zu lösen als inmitten der Städte. Doch auch dort setzte sich im Lauf der Zeit eine Ordnung dieser Angelegenheit durch. Eine der ältesten Quellen dazu stammt aus dem Jahr 1539. Franz I., König von Frankreich, verfügte in einem Edikt: „Wir ordnen an, dass alle Eigentümer von Häusern, Gasthäusern und Unterkünften, in denen es keine Abrittgruben gibt, sofort, und ohne Verzug und umgehend solche anlegen lassen.“
Heute wühlen Archäologen in den alten Abortgruben. Sie sind eine wahre Fundgrube für die Wissenschaft. Denn die Reste, die dort die Zeiten überdauert haben, geben Auskunft über den Speiseplan der Bewohner – und über ihre Krankheiten. Sie berichten damit über sozialen Status udn über Abfolge von wirtschaftlicher Blüte und Not. Insbesondere so genannte Mikroparasiten, wie etwa Eier von Eingeweidewürmern, kommen unter den Mikroskopen der Forscher wieder ans Tageslicht.
Kein Wasser zum Händewaschen
Eines hatten die mittelalterlichen Burgen jedenfalls lange nicht: Rohrleitungen für eine Spülung; also auch nicht für fließendes Wasser zum Händewaschen. Forscher sehen in diesem Mangel einen der Faktoren, die immer wieder Seuchen begünstigten.
Wolfgang Mayer
Dieser Artikel erschien zum ersten Mal in G/GESCHICHTE 1/2001 „Hinter festen Mauern“
Zuletzt geändert: 24.3.2016