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Neandertaler

Frühmenschen mit Fingerspitzengefühl

Anders als bislang angenommen, waren die Neandertaler keine Grobmotoriker: Untersuchungen an Handknochen zeugen von präziser Fingerfertigkeit.

Bislang war das Bild eines Neandertalers häufig das eines groben keuleschwingenden Urzeitmenschen, Symbolbild| © istockphoto.com/1971yes

Beim Vergleich mit menschlichen Handknochen schneidet unser Verwandter, der Neandertaler, gar nicht so schlecht ab, wie bislang oft angenommen: Statt grob, waren seine Bewegungen fein und präzise.

Darauf lässt eine Studie schließen, die nun in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Science Advances“ erschien. Dabei wurden die Handknochen von sechs Frühmenschen auf sogenannte Muskelansatzmarken untersucht. Also jene Stellen der Hand, wo die Muskeln am Knochen ansetzen. An ihnen lässt sich ablesen, welche Bewegungen zu Lebzeiten mit der Hand gemacht wurden.

Vergleich mit Skeletten aus dem 19. Jahrhundert

Die Ergebnisse dieser Analyse wurden mit Knochen aus der „Skelettserie vom Basler Spitalfriedhof“ verglichen.

„Diese einmalige Sammlung aus dem 19. Jahrhundert bietet uns identifizierte Skelette mit Informationen zu den Lebensumständen und Berufen der Verstorbenen“, erklärte Gerhard Hotz vom Naturhistorischen Museum Basel, dem die Skelettsammlung gehört, laut dem Standard.

Zusammen mit Forschern der Universität Tübingen um Katerina Havati gelang so nicht nur der reine Vergleich zwischen Homo sapiens- und Neandertalerknochen, sondern auch ein Bezug zu Berufsgruppen und dafür typischen Handmerkmalen.

Alles im Griff: Kraft oder Präzision?

Wissenschaftlich wird zwischen „Kraftgriffen“ und „Präzisionsgriffen“ unterschieden, die je nach ausgeübter Tätigkeit variieren können:

Beim „Kraftgriff“ werden neben den Fingern vor allem die Handinnenflächen genutzt. Wie etwa bei einem hammerschwingenden Schmied. Der „Präzisionsgriff“ wird mit den Fingerspitzen ausgeführt, zum Beispiel zum Nähen oder Zeichnen.

Überraschenderweise fanden die Forscher Hinweise darauf, dass die Neandertaler vor allem den „Präzisionsgriff“ nutzten: „Wie moderne Menschen waren Neandertaler kompetente Werkzeugmacher und -nutzer, die bei ihren täglichen Aktivitäten überwiegend präzise Hand- und Fingerbewegungen vollführten“, resümiert die Paläoanthropologin Katerina Harvati von der Universität Tübingen.

 

Katharina Behmer

Zuletzt geändert: 04.10.2018