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Auf dem 3. Kreuzzug

Barbarossas letzter Sieg

Mit eisernem Willen führte der greise Barbarossa 1190 das Kreuzfahrerheer Richtung Jerusalem. Nichts schien ihn stoppen zu können, doch sein Ziel erreichte er nicht. Sein unerwarteter Tod wurde zum Stoff für Legenden

Barbarossas profaner Tod wollte für die Menschen nicht zur Legende passen. | © Istockphoto.com/Omm-on-tour

Der Kaiser ist tot! Friedrich Barbarossa, der mächtigste Herrscher des Abendlandes, der Herr über Deutschland, Italien und Burgund, glorreicher Sieger in unzähligen Schlachten lebt nicht mehr! Als sich die Nachricht in den glühend heißen Mittagsstunden des 10. Juni 1190 unter den Teilnehmern des Kreuzzuges verbreitete, verfiel das Heer in einen Schockzustand. Manche der Männer dachten an einen Suizid, andere haderten mit Gott. Jerusalem, die „Heilige Stadt“, schien plötzlich in unendlicher Ferne.

Gut ein Jahr zuvor, am 11. Mai 1189, war das kaiserliche Heer mit 15 000 Mann in Regensburg aufgebrochen. Zehn Bischöfe ritten im Heer, darunter die Kirchenfürsten von Regensburg, Würzburg, Lüttich und Basel. Doch die Erzbischöfe des Reichs fehlten genauso wie die meisten der mächtigen Reichsfürsten.
Von Regensburg zog der Tross die Donau herunter. Ungarn empfing die Kreuzritter mit warmer Gastlichkeit: Menschen und Tiere wurden mit Proviant versorgt und König Bela III. überschüttete Barbarossa mit Geschenken und Ehrerbietungen. Kaum hatte man östlich von Belgrad den Boden des Byzantinischen Reichs betreten, wurde aus der Pilgerreise ein Kriegszug. Nun befahl der Kaiser strenge Marschordnung in voller Bewaffnung, seine Kundschafter sondierten den Weg.

Friedrich kannte die Gefahren, die nun vor seinen Männern lagen, die das Kreuz auf ihren Mänteln trugen. Als junger Mann, gerade einmal 25 Jahre alt, hatte er 1147 seinen Onkel König Konrad III. auf dessen Kreuzzug begleitet und war dabei Zeuge geworden, wie ein großer Teil der Kreuzfahrer bereits auf dem langen Anmarsch ins „Heilige Land“ in Schlachten und Scharmützeln oder an Krankheit starb.

Schon auf dem Balkan wurde es gefährlich, da der schwache byzantinische Kaiser Isaak II. nicht mehr gewillt war, die Kreuzfahrer aus dem Abendland bedingungslos zu unterstützen. Byzanz fürchtete plündernde Franken, wie man die Krieger aus dem Westen nannte, während Barbarossas Männer einen Verrat des oströmischen Kaisers witterten. Will man dem unbekannten Zeitzeugen und Chronisten, den die Forschung Ansbert nennt, Glauben schenken, so bezeichnete der byzantinische Kaiser Barbarossa stets nur als „König von Deutschland“ – für Friedrich, der sich als Erbe der römischen Cäsaren sah, ein Schlag ins Gesicht. Die Saat des Misstrauens ging auf, und bald begegneten sich beide Seiten mit unverhülltem Hass.

Die Kreuzfahrer plündern Thrakien

In Konstantinopel wurden Barbarossas Gesandte misshandelt, während die Kreuzfahrer sich für diese Beleidigungen brutal an Thrakiens Bevölkerung rächten, wie einer der Chronisten offen zugibt: „Aus Wut darüber steckten wir die Kirchen und andere Häuser in Brand, töteten sehr viele mit dem Schwert und verwüsteten das Land mit ungeheuren Beutezügen.“

Unter dem militärischen Druck des Kreuzfahrerheeres kam es dann doch noch zu einem „Friedensschluss“: Aus Angst vor einer Eskalation verzichtete Isaak II. auf Wiedergutmachungszahlungen für die Plünderungen und stellte 220 Schiffe für die Überquerung des Bosporus bereit. Erst als Barbarossas Heer das Territorium Kilidsch Arslans II., des Herrschers der türkischen Seldschuken, erreicht hatte, konnte Isaak aufatmen – die Bedrohnung durch die Franken war endlich beendet, was blieb, war sein Hass auf die Barbaren aus dem Westen.

Der Vormarsch durch die anatolische Hochebene war ein Höllenritt in einem „Land des Schreckens und der Salzwüste“. Trotz der mörderischen Hitze konnten die Ritter ihre schweren Rüstungen nicht ablegen, denn immer wieder wurden die Kreuzfahrer von Reiterhorden angegriffen, obwohl es eine Abmachung mit Arslan gab, dass die Ritter unbehelligt durch sein Gebiet ziehen dürfen. Tatsächlich gingen die Angriffe nicht vom Seldschukenherrscher aus, sondern von regionalen Machthabern, die er nicht kontrollieren konnte.

Für diese feinen Unterschiede hatten die Christen kein Verständnis: Erst hatte sie der Kaiser verraten, jetzt offensichtlich auch der Sultan! Barbarossa war nicht der Mann, diese „Beleidigung“ ungestraft hinzunehmen. Sein nächstes Marschziel lautete daher Ikonium, das heutige Konya, die Hauptstadt der Seldschuken. Am 18. Mai 1190 stand das kaiserliche Herr vor den Mauern der Stadt. Das Heer der Muslime war zahlenmäßig weit überlegen und vor allem gut genährt, während die Kreuzfahrer sich die letzten Tage mit Suppe aus Tierhäuten begnügen mussten. Trotzdem entschieden sich die Christen für einen Angriff.

Barbarossa teilte sein Heer in zwei Abteilungen, von denen er eine persönlich anführte, während eine andere unter dem Kommando seines Sohns Friedrich, des Herzogs von Schwaben, stand. Der Herzog ging sofort zum Angriff über. Seine Männer nahmen das Stadttor ein und trieben die Verteidiger mit gezücktem Schwert in die Zitadelle der Stadt zurück.

Barbarossa kämpft als Greis

Doch während der junge Friedrich triumphierte, wurde sein Vater von einer Übermacht umzingelt. Barbarossas Männer waren verzweifelt, rechneten mit dem sicheren Tod von der Hand der „Ungläubigen“. Aber der Kaiser gab nicht auf; er stürzte sich „wie ein Löwe“ auf die Feinde, schlug sie in die Flucht und der Chronist verkündete jubelnd: „Seinesgleichen konnte der ganze Erdkreis nicht finden.“

Nach dem Sieg der Kreuzfahrer ereilte die Bürger von Ikonium ein erbarmungsloses Blutgericht. Wer es nicht in die Sicherheit der Zitadelle geschafft hatte, wurde gnadenlos mit dem Schwert abgeschlachtet. Gold, Silber, Edelsteine und kostbare Seidenstoffe wurden geplündert. Dann feierte das kaiserliche Heer seinen Sieg mit dem Messgesang: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen“.

Ausgeruht und mit frischen Pferden ausgestattet brach das Heer nach neun Tagen von Konya auf. Am 10. Juni lag die Küstenstraße vor ihnen, die Route in das christliche Fürstentum Antiochia, welches das Tor zum „Heiligen Land“ darstellte. Schon erschien den Kreuzfahrern „alles lieblich und angenehm“. Doch dann die Schreckensnachricht vom plötzlichen Tod des Kaisers. Eine Intrige der Byzantiner? Eine Rache des Seldschuken?

Eine Legende wird geboren

Doch der Kaiser war weder durch Gift noch durch die Klinge eines Mörders gestorben. Ein Fluss, der vom Taurusgebirge zum Mittelmeer hinabstürzte, der Saleph, wurde Barbarossa zum Verhängnis. Was genau passierte, darüber sind sich die Quellen uneinig. Einer der Chronisten spricht davon, dass Friedrichs Pferd beim Überqueren des reißenden Stroms strauchelte und den etwa 68-jährigen Kaiser abwarf. Im eiskalten Wasser erlitt er einen Schock und ertrank. Hingegen schreibt »Ansbert« von einem Badeunfall: Friedrich soll in den Fluten des Saleph Kühlung gesucht haben: „Obwohl alle ihn zurückzuhalten versuchten, stieg er ins Wasser, versank in einem Strudel – er, der oftmals aus höchster Gefahr entkommen war! – und ging auf elende Weise unter.“ Sofort eilten Ritter herbei, um ihren Herrn zu retten, doch zu spät: Sie bargen einen Toten.

Herzog Friedrich von Schwaben übernahm nun das militärische Kommando. Seine erste Entscheidung war, was mit seinem toten Vater geschehen sollte. Die Kreuzfahrer wollten ihren geliebten Kaiser nicht in der »heidnischen« Erde Anatoliens begraben, doch in der Hitze des Orients konnten sie den Leichnam auch nicht über lange Strecken transportieren. So kochten sie die sterblichen Überreste ihres Kaisers stundenlang in Essigwasser, bis sich das Fleisch von den Knochen trennte. Die fleischlichen Überreste bestattete man in Antiochia, während man die kaiserlichen Knochen, in einen Sack aus Leder eingenäht, weiter auf dem Kreuzzug mitführte, um sie in Jerusalem zu begraben. Doch dann scheiterten die Kreuzfahrer mit ihrem Vorhaben, die „Heilige Stadt“ zurückzuerobern. Und so fanden Barbarossas Gebeine nicht in der Grabeskirche ihre letzte Ruhe, sondern wurden in der Kathedrale der libanesischen Hafenstadt Tyros beigesetzt.

Von den deutschen Kreuzfahrern erreichten nur wenige das einstige Territorium des Königreiches von Jerusalem und kaum einer von ihnen kämpfte dort gegen Sultan Saladin. Eine Epidemie raffte vor der Festung Akkon viele der Männer dahin. Am 20. Januar 1191 starb Herzog Friedrich, dann folgte der Bischof von Passau. Und so endet Ansberts Kreuzzugschronik mit dem Satz: „Die Todestage der anderen Fürsten konnten wir uns nicht alle merken, denn es waren so viele, und ein Todestag folgte auf den anderen.“

Barbarossas profaner Tod wollte aber für die Menschen nicht zum Leben dieser kraftstrotzenden Kaisergestalt passen. Eine angebliche
Prophezeiung, dass „der Menschen Größter“ am Saleph sein Ende finden sollte, überhöhte den Unfall zu einem von Gott vorbestimmten Schicksal. Im ausgehenden Mittelalter verwandelte sich der Kaiser dann endgültig in eine Sagengestalt. In einem unterirdischen Schloss im Kyffhäuser sollte er ruhen, um eines fernen Tages wiederzukehren.

Klaus Hillingmeier

Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE 3/2017 „Die Staufer“.

Zuletzt geändert: 17.1.2019