G/GESCHICHTE Oktober 2023

Irland gegen England –
Der ewige Kampf um die Freiheit

Liebe Leserin, lieber Leser,

sie trug gelbe, verwelkte Blumen im Arm: die Bronzestatue einer abgemagerten, in Lumpen gehüllten Frau, die sich mit hohlem Blick an ihre wenigen Habseligkeiten klammert. Ich bin ihr dieses Frühjahr auf einer Irland-Reise nahe dem Stadtzentrum Dublins begegnet, wo sie zusammen mit fünf weiteren lebensgroßen Figuren ein Ensemble bildet, das nicht nur mich bewegt hat. Immer wieder machten Passanten vor dem „Famine Memorial“ (Hungerdenkmal) halt, gingen sichtlich beeindruckt zwischen den gespenstisch blickenden Statuen umher, berührten sie, schossen Fotos. Und bald, so war ich mir sicher, wird ihnen wieder jemand frische Blumen bringen.

Das 1997 errichtete Mahnmal erinnert an eine Zeit, die den Iren bis heute präsent ist: die Hungerkatastrophe von 1845 bis 1849, die geschätzt einer Million Menschen das Leben kostete und das Verhältnis zu England wohl endgültig zerrüttete. Denn die Regierung in London sah dem Massensterben ihrer irischen Staatsangehörigen weitgehend untätig zu.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts errang der Großteil der Grünen Insel dann die Unabhängigkeit – nach 800 Jahren Fremdherrschaft, die bis heute nachwirkt. Nicht nur in Form von Denkmälern. Trotz aller Distanzierung von England pflegen die Iren immer noch einen Lebensstil, der dem englischen auffallend ähnelt, vom üppigen Frühstück über die absurd unpraktischen, undichten Schiebefenster bis zu den herrlich traditionellen Pubs.

Ihr

Dr. Christian Pantle
Chefredakteur

Themen dieser Ausgabe

Freiheitskämpfer Michael Collins
Held mit (zu) vielen Feinden

Der irische Bürgerkrieg 1922/23
Frei, aber zerstritten

Leichte Beute
Normannische Söldner reißen ab 1169 die Herrschaft an sich

Seidene Rebellion von Kildare
Irische Grafen erheben sich gegen ihren Herrn, Heinrich VIII.

Neunjähriger Krieg 1594 – 1603
Im Norden der Insel wächst der Widerstand letzter gälischer Clans

Samen der Gewalt
Englische und schottische Siedler sollen die Iren verdrängen

Das Wüten der Puritaner
Oliver Cromwells Feldzug 1649 wird zum grausamen Blutbad

Religiöse Apartheid
London erlässt ab 1695 Gesetze, die den Katholiken fast alles verbieten

Mit giftiger Feder
„Gulliver“-Autor Jonathan Swift hält England den Spiegel vor

Heim ins Königreich
Nach einer gescheiterten Rebellion verliert Irland 1801 jede Autonomie

Der Große Hunger
England sieht zu, wie 1845 bis 1849 eine Million Iren sterben

Blutopfer zu Ostern
Ein Aufstand in Dublin endet 1916 verheerend

Gräfin ohne Furcht
Constance Markiewicz – vom Häftling zur ersten Ministerin

Gewehre vom Kriegsfeind
Irische Deutschland-Verbindung im Ersten Weltkrieg

IRA & Wehrmacht
Verbindung im Zweiten Weltkrieg

30 Jahre Terror
Wie der Nordirlandkonflikt ab 1968 zum Bürgerkrieg ausartet

Droht neue Gewalt im Norden?
Irland-Korrespondent Ralf Sotscheck über die Brexit-Folgen

Weitere Themen

Blickpunkt: Benin-Bronzen
Der neue Streit um die Rückgabe

Serie: Gefährliche Liebschaften
Marie Antoinette & Ludwig XVI.

Geschichte im Alltag
Der Strafzettel

Porträt
Otfried Preußler