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Habsburgs Mann

Prinz Eugen, der edle Ritter

Eugen von Savoyen war auf dem Schlachtfeld zu Hause. Im Dienste des Habsburger-Kaisers legte er sich mit einem der berühmtesten Herrscher der Geschichte an, der ihn einst massiv unterschätzt hatte.

Prinz Eugen von Savoyen

Liebling der Habsburger-Kaiser: Prinz Eugen von Savoyen. | © Rijksmuseum Amsterdam

 

Am Abend des 26. Juli 1683 verlässt eine Kutsche mit zwei als Damen verkleideten jungen Männern Paris. Es sind zwei Prinzen, die nach Wien wollen, um bei den Erzfeinden Ludwigs XIV., den Habsburgern, Karriere zu machen. Der Sonnenkönig lässt sofort alle Grenzen schließen. In Frankfurt kann ein Kurier mit Lockungen und Drohungen den einen Prinzen zur Rückkehr bewegen: Louis Armand Conti, ein enger Verwandter des Königs, reitet Richtung Versailles. Ludwig XIV. ist zufrieden. Dass der andere junge Mann weiterreist, nimmt der Monarch gelassen: „Durch seine Abreise habe ich wohl keinen großen Verlust erlitten.“
Selten hat sich der Sonnenkönig so geirrt: Prinz Eugen Franz von Savoyen-Carignan wurde sein bedeutendster Gegenspieler! Freilich lassen die ersten 19 Jahre des jungen Mannes das nicht vermuten. Seine Mutter Olympia, eine der schönen Nichten des Kardinals Mazarin, war jahrelang eine der Geliebten des Königs. Als Ehemann und Aushängeschild wurde für sie ein Mann aus ansehnlicher Familie gefunden, Eugen Moritz Prinz von Savoyen. Er weilte als Militär meist weit weg von Paris, konnte sich also um seinen 1663 geborenen fünften Sohn – nach ihm Eugen genannt – selten kümmern.
Auch die Mutter hatte anderes zu tun: Ihr Salon wurde zum Zentrum der Galanterie, der Intrige und des Ehrgeizes des ganzen Hofes. Fie Gunst des Königs wendete sich freilich anderen Frauen zu und von der alternden Olympia ab. Zuvor hatte Ludwig XIV. – wohl im Einvernehmen mit der Mutter – Eugen für die geistliche Laufbahn bestimmt. Ein schöner Mann, darüber sind sich alle einig, war er auf jeden Fall nicht: „Er hat ein kurz aufgeschnupftes Näschen, ein ziemlich langes Kinn und so kurze Oberlefzen, dass er den Mund allzeit ein wenig offen hat und zwei breite, doch weiße Zähne sehen lässt. Er ist nicht gar groß, schmal von Wuchs und hat schwarze, platte Haare, auch wenn er nun eine Perücke trägt.“

In Paris gescheitert, in Passau erfolgreich

Außer mehr oder weniger gut erfundenen Geschichtchen und Anekdoten wissen wir wenig über seine Jugend. Prinz Eugen selbst hat sich dazu ausgeschwiegen. Vermutlich las er – neben durchaus ausschweifenden Eskapaden – viel und kräftigte seinen schwächlichen Körper durch tägliches Training und Waffenübungen. Als der König bei einer Audienz Eugens Bitte um Anstellung in der Armee brüsk ablehnte, floh Eugen aus -Paris. In Passau traf er auf Kaiser Leopold I., den er um ein Offizierspatent bat – und es erhielt. Dankbar schrieb er: „Ich versichere Euch, allergnädigster Kaiser, meiner unverbrüchlichsten Treue …“
Diesen Schwur hat er gehalten, selten genug in einer Zeit der diplomatischen Intrigen, Treuebrüche und Frontwechsel. Bei der Rettung Wiens vor den Türken 1683 beeindruckte er den Kaiser durch große persönliche Tapferkeit. Zwei Jahre später wurde er bereits zum Generalmajor ernannt. Und 1697 schloss er bei Zenta einen Großteil der türkischen Armee ein, es war der Wendepunkt im Ringen Habsburgs mit der osmanischen Macht. Der Spanische Erbfolgekrieg brach aus, der nächste Gegner hieß Ludwig XIV.
In Italien siegte Eugen trotz weit unterlegener Truppen nur manchmal, zumindest aber hielt er die Stellung. Von 1704 an fand er einen genialen Partner in dem englischen Feldherrn John Churchill, Earl of Marlborough. Dann ging es wieder gegen die Türken, wo er 1717 deren Riesenheer vor Belgrad besiegte, das daraufhin kapitulierte. Von nun an wurde er in Europa besungen: „Prinz Eugenius, der edle Ritter / wollt dem Kaiser wied-rum kriegen / Stadt und Festung Belgrad! / Er ließ schlagen einen Brucken / dass man könnt hinüberrucken / mit der Armee wohl vor die Stadt.“
Was machte diesen „edlen Ritter“ zu einem so erfolgreichen Feldherrn? Er hatte Charisma, er war bei den Soldaten beliebt, auch deshalb, weil er sich – für einen Feldherrn damals nicht immer üblich – um regelmäßigen Sold, um Proviant und Nachschub sowie einigermaßen erträgliche Bedingungen kümmerte. Weiter stärkte sein Ansehen bei der Armee, dass er in der Schlacht tollkühn, ja fast selbstmörderisch mitkämpfte. Ausschlaggebend für Eugens Siege war seine geistige Beweglichkeit. Denn im Fokus der traditionellen Kriegsführung stand die Belagerung immer größerer Festungen, die die Städte umgaben. Prinz Eugen dagegen setzte auf eine bewegliche Kriegsführung mit dem Ziel der Überraschung und Einschließung des Gegners.

„Leopold war mein Vater, Josef mein Freund und Karl mein Gebieter“

Zudem fand er in Wien – obwohl er auch dort die Intrigen und die Hofbürokratie beklagte – gute Rahmenbedingungen vor. In der Habsburgermonarchie gab es relativ wenig Benachteiligung durch Religion, Sprache oder Herkunft. Feldherren und Offizierskorps bildeten zusammen eine internationale Gemeinschaft.
Vor allem hatte Eugen von Savoyen mit seinen drei Herrschern Glück. Er charakterisierte seine Beziehungen so: „Leopold war mein Vater, Josef mein Freund und Karl mein Gebieter.“ Leopold I. machte ihn zum jüngsten Generalmajor Europas, ermahnte den aufstrebenden Feldherrn zu weniger Tollkühnheit und mehr Takt im Umgang mit der Hofbürokratie, nahm aber Eugen letztlich immer wieder in Schutz. Josef I., der von 1705 bis 1711 regierte, war eher Bewunderer als enger Freund des Prinzen und ließ ihn gewähren. Karl VI. fürchtete ihn zunächst als heimlichen Mitregenten, beließ ihn aber nach anfänglichen Irritationen in seiner Position als führender Politiker und Militär des Landes.
Die kaiserlichen Gunstbeweise wurden bald auch sichtbar. Im Zentrum, in der Himmelfahrtsgasse kaufte er ein kleines Palais, im Südosten Wiens ein Gelände auf einem kleinen Hügel. Später werden dort Schloss Belvedere und in der Innenstadt nach Zukauf angrenzender Häuser sein Winterpalast entstehen.

Sein Liebesleben bleibt rätselhaft

Zu seinen Beziehungen mit Frauen gibt es wenig authentisches Material, nur ein paar Hinweise und einen Haufen Gerüchte und Hofklatsch. Zweimal wird von Heiratsplänen Eugens gesprochen, eine wirklich enge Beziehung verbindet ihn allerdings nur mit der ungarischen Gräfin Batthyány. Ob diese Verbindung nur platonisch war oder ob die intelligente Witwe die Geliebte des Prinzen war, ist nicht bekannt. Die Freundschaft mit der Gräfin blieb eine Ausnahme. So schrieb die Herzogin von Orléans: „Er kommt mit Frauen nicht gut aus: Ein paar hübsche Pagen würden wohl mehr nach seinem Geschmack sein.“ Beweise für die kolportierte Homosexualität gibt es nicht. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass der Prinz große Schwierigkeiten hatte, enge Beziehungen und vor allem Liebesbeziehungen zu Menschen jederlei Geschlechts zu finden.
Eugen lenkte seine Energien auf andere Gebiete, vor allem erst aufs Kriegswesen und später die Diplomatie, aber auch, indem er sich mit schönen Dingen umgab. Er sammelte Bilder. Noch berühmter als seine Gemäldesammlung ist seine Bibliothek, für die er überall in Europa durch Mittelsmänner neue Werke erwerben ließ. Mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz führte er einen intensiven Gedankenaustausch. Neben seinem „Hofstaat“ von Künstlern und Kunstfreunden hatte Prinz Eugen immer eine Reihe jüngerer, intelligenter und fähiger Beamter und Berater um sich, seine Privatsekretäre. Dass diese „Sekretärsherrschaft“ bei altem Adel und Bürokratie nicht auf Zuneigung stieß und dass sie aus seinen Sekretären allzu gern seine Bettgenossen machen wollten, ist so verständlich wie unwahr.
In seinen letzten Jahrzehnten war Prinz Eugen nicht nur Militär, sondern vor allem Diplomat sowie praktisch Regierungschef, der sich zum Reformer entwickelte. Er versuchte erst mit mäßigem, dann mit beeindruckendem Erfolg, bei der Ernennung und Beförderung von Offizieren das Leistungsprinzip einzuführen. Eine fast revolutionäre Maßnahme, da bisher der Verkauf der Offizierspatente eine nicht zu unterschätzende staatliche Einnahmequelle gewesen war. Sein diplomatisches Debüt gab Eugen 1710, als Preußen im Spanischen Erbfolgekrieg einen Separatfrieden mit Frankreich abzuschließen drohte. Durch intensive Verhandlungen gelang es, den ehrgeizigen Preußenmonarchen Friedrich I. wieder in die große Allianz einzubinden.
Wenige Jahre später führte er Verhandlungen mit Frankreich, die den Krieg 1714 beendeten. Es waren keine bequemen Gespräche, denn England hatte einen Separatfrieden mit Ludwig XIV. geschlossen. Immerhin, Habsburg erhielt die Spanischen Niederlande, und der Vormarsch Frankreichs Richtung Süden nach Italien schien vorerst gestoppt. Freilich konnte sich Eugen in einem Punkt nicht durchsetzen:  Statt der Spanischen Niederlande hatte er Bayern erhalten wollen, ein aus militärstrategischer und territorialer Sicht naheliegender Gedanke. Aber Kaiser Karl VI., der ja vor seiner Thronbesteigung als Karl III. Spanien regierte, hatte sich nach seiner Abdankung aus Madrid eine Reihe von Höflingen mitgebracht, die wie ihr Herr nicht daran dachten, spanische Erblande wie die Niederlande für Bayern herzugeben. Diesem Zufall war es zu verdanken, dass Bayern nicht österreichisch wurde.
Spätestens von diesem Zeitpunkt an verachteten sich Prinz Eugen und die einflussreiche spanische Hofkamarilla gegenseitig gründlich. Letztere versuchte dem Kaiser einzureden, Eugen sei zu mächtig geworden und wolle die Wittelsbacher auf den Habsburgerthron bringen. Als Beweis versuchten sie, Eugen gefälschte Dokumente unterzuschieben. Der Prinz ging seinerseits in die Offensive. Er verlangte eine sofortige Untersuchung der Verleumdungen, andernfalls wäre er von allen Ämtern zurückgetreten.

Der Greis muss ein letztes mal in die Schlacht

Prinz Eugen im Streik, dies ließ den Kaiser rasch handeln und er ging gegen die Intriganten vor, von nun an war Eugens Stellung in Wien ungefährdet. Grundlegende Position seiner Außenpolitik war es, ein europäisches Gegengewicht zu Frankreich zu schaffen.
Für die Besessenheit seines Kaisers Karl VI., die Thronfolge seiner Tochter Maria Theresia von den anderen europäischen Mächten anerkannt zu bekommen und dafür fast jeden Preis zu bezahlen, hatte er dagegen wenig übrig: „Ohne eine volle Staatskasse und eine gute Armee sind alle Versprechungen des Auslands wertlos.“
Nach dem Tod Königs August II. 1733 begann der Polnische Erbfolgekrieg. Noch einmal musste Eugen ins Feld. Aber der nunmehr 70-Jährige war körperlich den Strapazen kaum mehr gewachsen und wurde zunehmend senil. So war es eher den Fehlern der französischen Feldherren als Eugens Genie zu verdanken, dass dieser letzte Feldzug nicht zu einem Fiasko für ihn wurde. Am 21. April 1736 starb Eugen von Savoyen in Wien.
Hans-Peter von Peschke

 

Zuletzt geändert: 08.06.2015