In Afrika warteten auf die Fremdenlegion keine romantischen Abenteuer in exotischer Kulisse. Alles, was ihnen Marokko zu bieten hatte, waren Steine, Staub und Feinde.
Der Selbstgerechtigkeit europäischer Kabinettspolitik hatte es 1911/1912 gefallen, das Sultanat von Marokko in ein französisches und ein spanisches Protektorat aufzuteilen. Doch das gebirgige Land mit seinen freiheitsliebenden Stämmen erwies sich als schwer verdaulicher Brocken. 1914 kontrollierte Frankreich gerade einmal einen Bruchteil des Landes. Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Besatzungsmacht darangehen, die „Befriedung“ des ganzen Gebiets durchzusetzen.
Ein Großteil der Legion, einschließlich der Einheiten des europäischen Kriegsschauplatzes, wurde nach Marokko verlegt und durch ein neu gegründetes Kavallerieregiment der Fremdenlegion, das 1. REC, verstärkt. In diesem Regiment dienten viele Russen, die vor der Herrschaft der Bolschewiki in die Legion geflüchtet waren. Doch die Franzosen stießen auf einen brillanten Gegner.
Die Rif-Kabylen leisteten zähen Widerstand
Der charismatische Nationalist Abd el Krim entfesselte einen Aufstand der Rif-Kabylen, Deren traditionelle Kampfweise verband er geschickt mit den Methoden der modernen Kriegsführung. Zuerst richtete sich die Rebellion gegen die Spanier. Sie verloren in Kürze weite Teile ihres Protektorats. 1925 schwappte dann die Rebellion ins französische Gebiet Marokkos über. Als Folge beschlossen Madrid und Paris ein gemeinsames Vorgehen gegen die Berber.
Frankreich musste alle seine Regimenter in Marokko in die Schlacht werfen, um im Mai 1926 Abd el Krim zur Kapitulation zu zwingen. Zum großen Missfallen der Spanier erwartete den Rebellenführer ein komfortables Exil auf Réunion, versüßt durch eine stattliche Pension. Doch erst 1933 war die „Befriedung“ Marokkos vollständig vollzogen, als sich die letzten aufständischen Berber im Hohen Atlas der französischen Übermacht unterwerfen mussten.
Ein Prinz in der Fremdenlegion
Die schillerndste Persönlichkeit unter den Legionären dieser Epoche war Prinz Aage. Der Spross des dänischen Königshauses und Urenkel des französischen Bürgerkönigs Louis Philippe war 1922 als Offizier in die Legion eingetreten, nachdem die Bank, die sein Vermögen verwaltete, Pleite gemacht hatte. Im Rif-Feldzug mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet, avancierte der extrovertierte Aristokrat zum Liebling der Legion. Seine „Lebenserinnerungen“ weben einen orientalisch bunten Teppich vom Leben der Männer mit dem weißen Käppi. Jeder trug seine eigene Legende im Tornister: gestrauchelte Gymnasialprofessoren, tapfere Saufbolde, Hasardeure, Helden und unglücklich Verliebte, die in der Legion Vergessen suchten: „Ohne die Frauen würde es die Legion nicht geben“, war Prinz Aage überzeugt.
Doch der Alltag in der Legion hatte wenig mit dem Heldenlied des Dänenprinzen gemein. Selten stand hinter dem Eintritt in die Legion ein melodramatisches Schicksal oder eine romantische Affäre. Es waren Armut, Arbeitslosigkeit und die politischen Wirren nach dem Krieg, die die jungen Männer Europas in die Rekrutierungsbüros der Legion trieben.
Besonders hart war der Dienst bei der Maultierkompanie
Nach einem Zwischenaufenthalt in Marseille folgte die Überfahrt nach Algerien. Dort wurden die militärischen Novizen vom „Mutterhaus“ der Legion in Sidi-bel-Abbès empfangen. Der Vergleich mit einem Kloster ist berechtigt: Sidi-bel-Abbès war mehr als eine Kasernenstadt. Neben Quartieren, Verwaltungsgebäuden, Kantinen, Lazaretten, Magazinen und einem Kino gab es im Hauptquartiert der Legion auch einen sogenannten heiligen Weg, der zu jener Ehrenhalle führte, in der die Reliquie der Legion, die Handprothese Hauptmann Danjous, des Helden von Camerone, gehütet wurde (siehe G/GESCHICHTE 8/2016 „Die Fremdenlegion“).
Nach der harten Grundausbildung fristete ein Legionär oft ein eintöniges Dasein auf irgendeinem gottverlassenen Außenposten. Endloser Wachdienst und gelegentliche Patrouillen wechselten mit dem Einsatz beim Straßenbau. Tausende von Kilometern Straße im schwierigen Gelände Marokkos schufen die Legionäre. Berühmt ist der 60 Meter lange Tunnel von Foum Zabel, der in monatelanger Arbeit mit Spitzhacke und Schaufel durch den Berg getrieben wurde.
Besonders hart war der Dienst bei den berittenen Maultierkompanien. Anders als bei der Kavallerie mussten sich hier zwei Legionäre ein Maultier teilen. Während einer ritt, marschierte sein Kamerad nebenher. Hatte man den mörderischen Tagesmarsch von 30 oder 40 Kilometern überstanden, stand Lagerbau und Wachen an. Bei Morgengrauen wiederholte sich die Prozedur.
Viele Legionäre litten unter Depressionen
Folge der Monotonie und Härte des Legionärslebens war der Cafard, ein depressiver Zustand. Er verdankt seinem Namen einem Käfer, der angeblich ins Ohr der Opfer kriecht und sie zum Wahnsinn treibt. Die Legionäre bekämpften ihn üblicherweise, indem sie tranken oder desertierten. Einen Großteil ihres Soldes gaben sie für billigen Wein aus, besinnungslose Besäufnisse gehörten zu jedem Zahltag. Schätzungsweise 75 Prozent aller Vergehen wurden in betrunkenem Zustand verübt. Manch verhasster Sergeant zog sich an diesen Tagen diskret zurück.
Was vom Sold überblieb, gaben viele Legionäre in den sogenannten kontrollierten Militärbordellen aus (BMC). Sie standen unter ärztlicher Aufsicht der Legion, um das medizinische Risiko sexueller Kontakte zu reduzieren.
Desertieren wurde je nach Situation bestraft
Desertionen wurden erstaunlich milde bestraft, solange sie nicht während eines Kampfeinsatzes oder in Verbindung mit einem anderen Delikt geschahen. Ernst Jünger schrieb in seinen Legionserfahrungen „Afrikanische Spiele“, dass Desertionen fast schon zum guten Ton gehörten. Wer allerdings mit der Waffe zum Feind übertrat, wie einige deutsche Legionäre während der Rif-Rebellion, der konnte auf keine Gnade hoffen.
Besonders in deutschen Quellen steht viel über die barbarische Justiz der Legion. Tatsächlich gab es brutale körperliche Strafen. In der Strafkompanie von Colomb-Béchar herrschte die Vorschrift „Der Sträfling ist zu den härtesten Arbeiten verpflichtet“. Das bedeutete Steineklopfen von früh bis spät. Wein und Tabak waren hier ein ferner Traum, ebenso die Gesellschaft von Frauen. Allerdings saßen in Colomb-Béchar Soldaten für Vergehen ein, die in vielen anderen Armeen dieser Zeit vor einem Erschießungskommando geahndet wurden.
Philip Rosenthal überlebte nach einem Desertionsversuch ein Straflager der Fremdenlegion am eigenen Leib. Er lernte in der harten Schule der Legion, „dass man wirkliche E Erschöpfung kennen muss, um das Ausruhen, bitter Kälte, um Wärme; Gefangenschaft, um Freiheit genießen zu können. Entbehrung und Härte sind Vorbedingungen des wirklichen Genießens.“
Klaus Hillingmeier
Der Artikel erschien erstmals in G/GESCHICHTE SPEZIAL „Die Fremdenlegion und andere Eliteeinheiten“
Zuletzt geändert: 5.7.2018