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Land unter Waffen

England während der Rosenkriege

Die Protagonisten der Rosenkriege sind bekannt, aber wer kämpfte in den Heeren der Yorks und Lancaster? Wie sahen Organisation, Taktik und Bewaffnung aus? Und welche Spuren hinterließen 30 Jahre Bruderkrieg bei den Menschen?

Für den Konflikt zwischen den Adelshäusern etablierte sich der Name Rosenkriege. Beide Familiewappen enthielten eine Rose. Die weiße Blüte steht für York, die rote für Lancaster. | © Istockphoto.com/duncan1890

 

„Es war ein einziges grausames Abschlachten: Nicht nur Herzöge, Grafen, Barone und andere Adlige, die getötet wurden, sondern viele, ja fast unzählige gemeine Männer
starben auf dem Schlachtfeld“, notiert 1470 der Chronist von Warkworth. Die Rosenkriege spalten zu diesem Zeitpunkt seit 15 Jahren England, weitere 15 Jahre wird der Kampf um die Krone noch andauern. Es ist der längste interne Konflikt in der englischen Geschichte.

Schon Kriege unter christlichen Königreichen waren mit der Lehre der Kirche äußerst schwer vereinbar. Aber das Schwert gegen den eigenen König zu erheben – Hochverrat! Da brauchte es einer besonderen Legitimation.

Eine Möglichkeit war es, wie im Falle Henry Bolingbrokes, sich auf die Autorität des englischen Parlamentes zu berufen. Aber im Gegensatz zu Richard II. war Heinrich VI. kein Tyrann, der mit Willkür herrschte und seinen Kroneid gebrochen hatte. Also wählte Richard von York, als er 1455 Truppen für den Krieg aufstellte und Verbündete rekrutierte, eine andere Rechtfertigung. Nicht gegen seinen König wolle er kämpfen, sondern nur gegen seine betrügerischen Berater am Hofe.

Kein Mangel an Freiwilligen

Jeder Herzog oder Graf des Königreiches hatte eine feste Truppe aus Rittern, Bogenschützen und anderem Fußvolk zu Verfügung. Im Kriegsfall konnte diese schnell zu einer kleinen Armee aufgestockt werden. Sogenannte Captains stellten als „militärische Subunternehmer“ Kompanien auf. An geeigneten Freiwilligen war damals kein Mangel, denn nach dem Hundertjährigen Krieg wurde England überschwemmt von arbeitslosen Söldnern.

In der Regel rekrutierten sich die Captains aus dem kriegserfahrenen Adel und waren Ritter. Aber es gab erstaunliche Ausnahmen: 1460 befehligte John Harowe, Stoffhändler aus London, eine Kompanie der Yorks und auf der Seite der Lancaster gab es einen Anführer, der vor der militärischen Karriere seinen Lebensunterhalt als schlichter Schneider verdient hatte.

Richard von York, Eduard IV. und sein Bruder Richard III. führten meistens ihre Truppen selber in die Schlacht. Da König Heinrich VI. im Gegensatz zu seinem Vater keinerlei militärisches Talent hatte und zudem psychisch labil war, lag der Oberbefehl über seine Armee beim Constable and Lieutenant des Königreichs. Er durfte Truppen ausheben und in die Schlacht führen, genoss in politischen Fragen einen gewissen Spielraum. Als oberster Heeresrichter hatte er dafür zu sorgen, dass die Statutes of War (Kriegsstatuten) eingehalten wurden, die neben der Disziplinerhaltung auch dem Schutz der Zivilbevölkerung dienten. Kleinere Vergehen wurden mit Geldstrafen bestraft, bei gravierenden Delikten drohte der Tod. Körperliche Züchtigung war selten – nur das Abschneiden eines Ohres für gewisse Verfehlungen taucht in den Kriegsstatuten auf.

„Darum reiten sie jede Sorte Pferd, sogar Packpferde“

Das Gros der Soldaten während der Rosenkriege stellten die Bogenschützen, ihr Verhältnis zu den anderen Fußsoldaten lag bei acht zu eins. Waren die Pfeile verschossen und es kam zum Nahkampf, benutzten diese Männer ein kurzes Schwert und einen Rundschild. Musterrollen zeigen, dass die meisten darüber hinaus noch einen Helm sowie eine Brigantine trugen, eine wattierte Weste, die mit Eisenplättchen- oder Panzerringen verstärkt war.

Die Kämpfer aus dem Adel trugen eine komplette Plattenrüstung, die den Schild überflüssig machte. Die Rüstung wog um die 30 Kilogramm und da das Gewicht über den ganzen Körper gleichmäßig verteilt war, konnte sich ein durchtrainierter Kämpfer darin erstaunlich schnell und wendig bewegen. In der Regel kämpfte auch der Adel in den Rosenkriegen zu Fuß. Die Tage, in denen ritterliche Kavallerie die Schlachten entschied, waren schon lange vorbei. Der italienische Zeitzeuge Mancini: „Sie haben nicht die Gewohnheit, als Reiter zu kämpfen, sondern nutzen ihre Pferde, um frisch und ausgeruht das Schlachtfeld zu erreichen. Darum reiten sie jede Sorte Pferd, sogar Packpferde.“

Bogenschütze gegen Schwarzpulver

Als neue Waffengattung rollte die Artillerie auf die Schlachtfelder Englands. In der Schlussphase des Hundertjährigen Krieges waren mobile Feldgeschütze die Wunderwaffe der Franzosen gewesen und kamen nun auch in den Rosenkriegen zum Einsatz – vorausgesetzt, das Wetter spielte mit. Die Geschützmannschaften waren gut bezahlte Spezialisten aus dem Ausland, oft aus Deutschland oder Flandern. Neben Kanonen feuerten sie aus primitiven Handbüchsen auf den Gegner. Doch diese Waffen hatten eher eine psychologische Wirkung: Ein guter Bogenschütze schoss schneller und präziser als sein Konkurrent mit dem Schwarzpulver.

Nicht nur die Kanoniere kamen zuweilen aus dem Ausland. Als der Herzog von Clarence 1470 gegen seinen Bruder opponierte, führte er 1500 deutsche und flämische Söldner ins Feld, finanziert von Burgund. Und auch die Invasionstruppen Henry Tudors an der walisischen Küste bestanden größtenteils aus Söldnern.

Eine raffinierte Taktik oder sogar militärische Brillanz vermisst man in vielen Schlachten des Kriegs. Oft ist es alleine die numerische Überlegenheit, wie im Falle der Schlacht von Hexham im Mai 1464, die zum Sieg führt. Die Truppen der Lancaster zählten gerade 500 Mann, während die drei Einheiten der Yorks fast 4000 Mann umfassten. In dieser Situation desertierten die meisten Soldaten der Lancaster. Ihr Anführer Somerset geriet in Gefangenschaft und wurde noch am selben Tag enthauptet.

Das Massaker von Towton, bei dem auch noch fliehende Feinde erschlagen wurden, war die Ausnahme dieses Krieges. Meistens vermied man sinnloses Blutvergießen. So notiert der Chronist Philippe de Commyne in seinen Memoiren: „Es war Sitte bei den Engländern, sobald die Schlacht entschieden war, mit dem Töten, besonders bei einfachen Leuten, aufzuhören.“

Ärztliche Versorgung als Privileg des Adels

Ärztliche Versorgung nach der Schlacht war ein Privileg des Adels. Doch selbst dann waren schwere Wunden in der Regel tödlich. Aber auch leichtere Verletzungen konnten zu gefährlichem Wundbrand führen, deshalb wurden diese mit einem glühenden Eisen ausgebrannt. Pfeilwunden galten als besonders kritisch, da es üblich war, die Pfeile vor der Schlacht in den Boden zu stecken, sodass die Spitzen voller Dreck und Bakterien waren.

Die „Gemeinen“ unter den Toten verscharrte man vor Ort in Massengräbern, die Leichname der Herzöge, Grafen und Ritter wurden überführt, damit man sie in Würde bestatten konnte. Um die 25 Prozent aller englischen Adelsgeschlechter wurden in den Kämpfen ausgelöscht. Eine weitere Folge war, so ein zeitgenössischer Chronist, eine „generelle Gesetzlosigkeit“ im Königreich, und so schlug 1474 ein Abgeordneter im Unterhaus vor, den Krieg gegen Frankreich wieder zu eröffnen, um so ein Betätigungsfeld für alle unerwünschten Elemente im Land zu finden. Auch wirtschaftlich veränderte der Konflikt das Land. Manche Provinzen wie Kent verarmten in den Kriegen, während Londons Handwerker, Händler und Bankiers davon sogar profitierten.

Dass das epische Ringen zwischen York und Lancaster kein nationales Trauma hinterließ wie der Dreißigjährige Krieg, hat einen guten Grund. In den 30 Jahren von 1455 bis 1485 nehmen alle Feldzüge, Rebellionen und Kampagnen zusammen gerade mal ein gutes Jahr ein; zählt man die Tage, an denen tatsächlich gekämpft wurde, kommt man sogar nur auf einige Wochen. Zudem gab es keine Fälle von exzessiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Im Vergleich zur Brutalität des Hundertjährigen Krieges mit Frankreich waren die Rosenkriege ein geradezu humaner Konflikt.

Klaus Hillingmeier

Zuletzt geändert: 16.04.2019

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