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Zu schlicht für die Teestunde

Brontës angeblicher Fashion-Fauxpas

Angeblich war die Autorin Charlotte Brontë vollkommen underdressed, als sie ihr Idol William Thackery zum Tee traf. Ein Historikerin hat nun eine andere Erklärung für das erstaunlich schlichte Kleid gefunden.

Charlotte Brontë

Charlotte Brontë kam 1816 in Yorkshire zur Welt. Ihr bekanntestes Werk ist „Jane Eyre“. | © Istockphoto.com/traveler1116

Ein Sommerabend in Kensington, London. Es ist tea time: Charlotte Brontë, trifft sich mit ihrem literarischen Vorbild, William Thackeray. Angeblich trägt sie das sogenannte „Thackeray-Kleid“. Seit den 1920er-Jahren hängt es im „Brontë Parsonage Museum“ in Yorkshire. Es ist das Symbol für Brontës Wilkommensparty in der Autorenwelt. Eleanor Houghton von der Universität Southampton sieht aber ein großes Fragezeichen hinter dieser These: Modisch wäre es ultra peinlich.

Diese Ärmel wären untragbar gewesen

„Es war ein hochwichtiges Treffen für Charlotte – eine Feier ihres literarischen Erfolgs mit „Jane Eyre“, sagte die Wissenschaftlerin im Gespräch mit der britischen Zeitung „The Guardian“. So ein schlichtes blau-weiß verziertes Kleid, wäre bei so einer Veranstaltung zweckwidrig.

Um die Bedeutung dieses Tages zu verstehen, muss man wissen: Brontë hatte ihren neuen Bestseller Thackeray gewidmet. Ihr Durchbruch war ein großer Erfolg. Sie musste nur in den Kreis der Autoren passen. Doch dieses Kleid wäre altmodisch gewesen. Mit den kurzen Ärmeln wäre sie wie ein bunter Hund aufgefallen. Die anderen Frauen wären in Seide und mit viel Schmuck bei diesem gesellschaftlichen Anlass erschienen.

Kein zweiter Fauxpas für Brontë

1850 waren lange, voluminöse Ärmel die Mode. Brontë war schon einmal peinlich berührt, als sie ein unpassendes Kleid in die Oper getragen hatte. Für so einen Abend, der „persönlichen und öffentlichen Bedeutung“ hatte, hätte sie so einen Fauxpas nicht noch einmal begangen, meint Houghton.

Die Historikerin hat eine alternative Erklärung zur Hand: Brontë traf Thackeray noch einmal, im gleichen Jahr 1850. Nichts schickes und nichts wichtiges, einfach ein „Coffee Morning“. Dazu passt das Thackeray-Kleid. „Das hübsche aber anspruchslose Hauskleid“ hätte zu diesem Anlass keine Peinlichkeit und keine Enttäuschung gebracht, behauptet Houghton.

Charlotte Brontë schrieb „Jane Eyre“ unter dem Pseudonym Currer Bell. Das Buch war ihr wohl größter Erfolg. Thackeray war überrascht, als er die Autorin traf. Nie hätte er gedacht, dass eine so kleine Frau den Bestseller hätte schreiben können.

Joshua Stein

Ein Foto des „Thackeray-Kleids“ finden Sie auf der Website der Universität Southampton.

Zuletzt geändert: 22.06.2016