« zurück
U-Boot-Krieg

Die Schlacht im Atlantik

Auf keinem Kriegsschauplatz wurde länger gekämpft  als im Atlantik. Jederzeit konnten die U-Boote zuschlagen. Doch am Ende wurden aus den Jägern Gejagte.

 

Ein britischer Matrose hält Ausschau nach dem deutschen Schlachtschiff Bismarck. | © Wikimedia

 

„Mit der Torpedierung des britischen Passagierschiffes ›Athenia‹ heute in den frühen Morgenstunden hat Deutschland den ersten schweren Schlag im Kriege gegen England geführt.“ Mit dieser Meldung der Nachrichtenagentur United Press wurde die Welt am 4. September 1939 über den Beginn der deutschen U-Boot-Offensive im Atlantik informiert. 112 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter 28 US-Amerikaner. Auch wenn der deutsche U-Boot-Kapitän das Passagierschiff höchstwahrscheinlich mit einem Kriegsschiff verwechselt hatte, so erinnerte der Fall doch an die folgenschwere Versenkung der „Lusitania“ im Ersten Weltkrieg. Dreist ließ Goebbels verlautbaren, dass die Briten das Schiff selbst versenkt hätten, um die USA zum Kriegseintritt zu bewegen – die erste von vielen Lügen der U-Boot-Propaganda.

Zu Beginn des Kriegs bestand die deutsche U-Boot-Flotte aus gerade mal 39 fronttauglichen Booten. Viel zu wenig nach der Meinung von Dönitz, dem Befehlshaber der Unterseeboote. Er forderte von Großadmiral Raeder 300 atlantiktaugliche U-Boote, um Großbritannien in die Knie zu zwingen. Was Dönitz brauchte, war ein spektakulärer Erfolg, um die deutsche Führung von der Effizienz seiner Truppe zu überzeugen. Dönitz wählte Scapa Flow als Ziel. Seit den Tagen Napoleons war Scapa Flow eine der wichtigsten Basen der britischen Marine. Die zwischen den Orkney-Inseln gelegene Bucht war nur durch eine einzige Durchfahrt, den engen Kirk-Sund, zu erreichen, da die Briten alle anderen Zugänge gesperrt hatten. Trotzdem fand Dönitz in Kapitänleutnant Prien einen Freiwilligen, der bereit war, einen Angriff zu riskieren.

Die deutsche Propaganda feiert „U 47“

In der Neumondnacht vom 13.  zum 14. Oktober 1939 schlich sich „U 47“ in einer Überwasserfahrt durch den Sund, da eine Unterwasserfahrt hier nicht möglich war. Dann tauchte der 190 Meter lange Koloss des Schlachtschiffes „Royal Oak“ vor dem Bug auf. Ein erster Torpedoangriff scheiterte, doch dann gelang es „U 47“, das Schlachtschiff an einer lebenswichtigen Stelle zu treffen. Binnen weniger Minuten versank die „Royal Oak“ und riss 800 Seeleute in den Tod. Dank seiner niedrigen Silhouette gelang es „U 47“, den britischen Patrouillenschiffen zu entkommen und heil nach Wilhelmshaven zurückzukehren. Die deutsche Propaganda überschlug sich und im Triumphzug fuhr Prien durch die Straßen Berlins, um sich als „Stier von Scapa Flow“ feiern zu lassen.

Doch trotz aller Begeisterung Hitlers für dieses Unternehmen blieb Dönitz’ Forderung nach dem raschen Ausbau der U-Boot-Flotte noch unerfüllt. Und das war nicht das einzige Problem, das den Befehlshaber der U-Boote in den folgenden Monaten an der Erfüllung seiner ehrgeizigen Pläne hinderte: Fast ein Drittel aller abgeschossenen Torpedos erwiesen sich als Blindgänger, sodass sich trotz einiger Einzelerfolge die U-Boot-Waffe noch als recht stumpf erwies. Erst nach Monaten gelang es den Marinetechnikern, das Problem der unzuverlässigen Zünder zu lösen.

Nachdem die Wehrmacht im Sommer 1940 Frankreich überrollt hatte, konnten die deutschen U-Boot-Fahrer die französischen Atlantikhäfen wie Lorient und St. Nazaire als Basis nutzen, sodass sich die Distanz zu den britischen Nachschublinien über den Atlantik verkürzte. Gewaltige Bunker sollten die Boote vor Luftangriffen schützen. Erstaunlicherweise versäumte die britische Luftwaffe, die Anlagen zu bombardieren, solange diese noch im Bau waren. Einmal fertiggestellt, erwiesen sie sich dank ihrer Betondecken von bis zu sieben Metern Stärke als unverwundbar.

Allein im Juni 1940 versenkten deutsche U-Boote 58 Schiffe, die überwiegende Zahl „Einzelfahrer“, die sich ohne den Schutz eines Konvois bewegten. Im Gegensatz zu anderen Kriegsschiffen konnten und durften die kleinen U-Boote keine Überlebenden an Bord nehmen. Das bedeutete für viele Schiffsbrüchige den Kältetod in den Fluten.

Die britische Antwort auf die gewachsene U-Boot-Gefahr hätte eine Verstärkung der Konvois sein müssen, doch da man eine deutsche Invasion befürchtete, hatte die britische Admiralität zahlreiche Schiffe zum Küstenschutz beordert. In diesem Dilemma bat Churchill die USA um Unterstützung – mit Erfolg: Im September 1940 erhielt Winston Churchill 50 veraltete Zerstörer aus Beständen der US-Navy. Doch diese Schiffe eigneten sich nur bedingt zur U-Boot-Jagd im rauen Nordatlantik.

So blieben die deutschen U-Boote gefährlich. Eines der erfolgreichsten war „U 99“ unter dem Kommando von Otto Kretschmer, das auf acht Feindfahrten 38 Schiffe versenkte. Zum absoluten Liebling der Propaganda aber avancierte der U-Boot-Kommandant Joachim Schepke. Schepke sah aus wie ein Filmstar und war, im Gegensatz zu Prien und Kretschmer, ein überzeugter Nationalsozialist. In einer Rede im Berliner Sportpalast begeisterte er tausende von Schülern für den U-Boot-Krieg.

Mit der „Wolfsrudeltaktik“ greifen deutsche Kapitäne Konvois an

Ein Grund für den anhaltenden Erfolg der U-Boot-Kapitäne war, dass man nun verstärkt auf die sogenannte „Wolfsrudeltaktik“ setzte. Statt einzeln zu operieren, griffen die Boote in größeren Verbänden die Konvois an. Einem typischen „Wolfsrudelangriff“ fiel im Oktober der Konvoi „SC 7“ zum Opfer, der sich mit 35 Schiffen – darunter nur ein Kriegsschiff als Geleitfahrzeug – von Kanada in Richtung Liverpool bewegte. Vier Tage lang, vom 16. bis zum 19. Oktober 1940, griffen sieben U-Boote immer wieder an. Dann hatten drei der U-Boote ihre Torpedos verschossen und kehrten zu ihrer Basis zurück. Die anderen U-Boote machten jedoch weiter Jagd. Insgesamt verlor „SC 7“ 20 seiner Schiffe.

Das Debakel von „SC 7“ zeigte der britischen Führung schmerzlich, dass man handeln musste. Als erste Maßnahme wurden Kriegsschiffe vom Küstenschutz für den Konvoidienst abgezogen. Die Zerstörer der britischen Marine waren alles andere als wehrlos gegen U-Boote. Mit ihren ASDIC-Ortungssystemen konnten sie mittels Reflexion von Schallwellen abgetauchte U-Boote aufspüren. Traf eine dieser Wellen mit dem typischen „Ping“ ein U-Boot, dann hatte der Zerstörer Peilung und konnte das Boot mit Wasserbomben attackieren.

Aber nicht nur Zerstörer waren eine wirkungsvolle Waffe im Krieg gegen die „Grauen Wölfe“. Denn die deutschen U-Boote hatten nur einen äußerst begrenzten Operationsradius unter Wasser. Nach einer Strecke von 80 Seemeilen (ca. 150 Kilometern) waren die Schiffsbatterien leer; das Boot musste auftauchen und auf Dieselantrieb gehen, bis die Batterien wieder aufgeladen waren. Daher  spielten Flugzeuge einen entscheidenden Faktor im U-Boot-Krieg: Sie konnten U-Boote aus der Luft bekämpfen oder als Fernaufklärer den Angriff der Zerstörer koordinieren.

Erste Erfolge konnten die Briten im Frühjahr 1941 feiern: Seit dem 7. März wurde das Boot von Prien vermisst, und am 17. März geriet Kretschmer mit seiner Mannschaft in Kriegsgefangenschaft, während Schepkes „U 100“ vom britischen Zerstörer „Vanoc“ versenkt wurde. Der Verlust der drei berühmtesten U-Boot-Asse drohte einen Stimmungswechsel herbeizuführen. So hieß es in einem Dossier des Sicherheitsdienstes (SD) vom 5. Mai 1941: „Mit größter innerer Anteilhabe wird die Schlacht im Atlantik verfolgt. Die Gedenkaufsätze zum Verlust der U-Boote von Kretschmer und Schepke und die Hinweise auf die Gefahren, denen die U-Boote ausgesetzt sind, rücken dabei in den Vordergrund. Es verbreiten sich zahlreiche Gerüchte darüber, dass es den Engländern gelungen sei, eine absolut sicher wirkende U-Boot-Abwehr zu schaffen. Mit größter Besorgnis wird nach dem Verbleib des Bootes von Prien gefragt … “

Den Briten gelangen in den Besitz einer Enigma

Aber der folgenreichste Sieg im Kampf gegen die U-Boote ereignete sich am 9. Mai 1941: Es gelang der Royal Navy, „U 110“ aufzubringen und in den Besitz einer „Enigma M3“-Chiffriermaschine zu gelangen. Nun konnten die britischen Nachrichtenexperten den deutschen Code knacken und die Konvois weiträumig an den Standorten der U-Boote vorbeiführen. Im Februar 1942 wurde als Antwort auf allen deutschen U-Booten die „M3“ durch das verbesserte Nachfolgemodell „Enigma  M4“ ersetzt. Die britische U-Boot-Aufklärung tappte danach wieder für Monate im Dunkeln.

So konnten ein letztes Mal die deutschen U-Boote eine tödliche Bedrohung der alliierten Schifffahrt werden. Zu diesem Zeitpunkt stand Deutschland mit den USA im Krieg und Dönitz erweiterte mit der Operation „Paukenschlag“ das „Jagdrevier“ seiner U-Boote bis vor die Küste Amerikas. Nach dem Schock von Pearl Harbor konzentrierte sich die US-Navy auf den Pazifischen Ozean. Zudem fehlte es an einer effizienten Koordinierung von Marine und Luftstreitkräften. Bis zur Jahresmitte 1942 verloren die USA über 500 Schiffe und im Kreise der U-Boot-Männer war vom „Hasenschießen“ die Rede.

Auch im Nordatlantik mussten die Alliierten herbe Verluste hinnehmen. Anfang Juli verloren sie fast einen kompletten Konvoi mit Ziel Murmansk, der überlebenswichtigen Nachschub für die bedrängte Rote Armee transportierte. 25 Schiffe mit einer Tonnage im Wert von 700 Millionen Dollar – 3350 Fahrzeuge, 430 Panzer und 200 Flugzeuge – schluckten die eisigen Fluten des Nordatlantiks. Als Folge stellten die Alliierten für mehrere Monate die Geleitzüge mit dem Ziel Sowjetunion ein.

Noch immer litt die alliierte U-Boot- Abwehr unter Materialmangel. Es fehlten Langstreckenflugzeuge für die U-Boot-Jagd, da die Bomberverbände als Erstes die gefragten Maschinen bekamen. So gab es im Luftraum über dem Atlantik „schwarze Löcher“, in denen die U-Boote unbehelligt von Luftangriffen operieren konnten.

Handelsschiffe als Alternative zu Flugzeugträgern

Auch das großangelegte Bauprogramm für „Geleitträger“, kompakte Flugzeugträger für den Konvoidienst, die einen wirkungsvollen Schutz gegen U-Boote bieten sollten, war gerade erst angelaufen. Stattdessen improvisierte man mit sogenannten MAC-Schiffen (Merchant Airkraft Carrier) als Lückenbüßer, Handelsschiffe mit einem Flugdeck, die gerade einmal Platz für vier Flugzeuge boten. Wesentlich schneller ging da der Bau von „Liberty“-Handelsschiffen in den USA voran, schlichte Konstruktionen im Baukastenverfahren, die in nur wenigen Wochen von einer Werft fertiggestellt werden konnten. Bereits Ende 1943 überstieg die Handelsschiffsproduktion der USA die Verluste um ein mehr als Vierfaches.

Ende des Jahres 1942 hatte Dönitz über 200 U-Boote zur Verfügung und ein Sieg in der Atlantikschlacht schien sogar denkbar: Allein im November gingen 126 alliierte Schiffe verloren, darunter so viele Tanker, dass in Großbritannien eine Treibstoffknappheit drohte. „Die Lage war niemals ernster“, verlautbarte die britische Admiralität. Und die Katastrophenmeldungen hielten an. Einziger Lichtblick in diesen düsteren Tagen waren die Fortschritte in der Entzifferung der „Enigma M4“.

Anfang Januar 1943 lief der Konvoi „TM 1“ mit insgesamt neun Öltankern zwischen den Azoren und Madeira in das deutsche U-Boot-Rudel „Delphin“. Die Bilanz des Angriffes war verheerend: Sieben Tanker wurden versenkt, die anderen zwei beschädigt. Die deutsche Propaganda bauschte den Sieg noch auf: Am 10. Januar – die 6. Armee in Stalingrad steht zu diesem Zeitpunkt kurz vor ihrem Untergang – gab das Oberkommando der Wehrmacht folgende Siegesmeldung bekannt: „Wie durch Sondermeldung bekannt gegeben, führte der Einsatz einer deutschen Unterseebootgruppe gegen einen von Trinidad nach Gibraltar laufenden Geleitzug zu einem vollen Erfolg. In hartnäckigen Kämpfen wurden 13 Tankschiffe mit zusammen 124 000 Bruttoregistertonnen versenkt und weitere drei Tanker torpediert.“

Dank der „Touring Bombe“ hören die Allieerten mit

Vier Tage nach diesem Debakel traf sich die alliierte Führung in Casablanca. Roosevelt und Churchill war klar, dass ein weiterer Erfolg der deutschen U-Boote die geplante Invasion der Alliierten gefährden konnte – die Bekämpfung der „Grauen Wölfe“ erhielt endlich höchste Priorität. Zusätzliche Langstreckenbomber und Flugboote wurden für die U-Boot-Jagd bereitgestellt. Besonders wertvoll waren die viermotorigen „Liberators“, die mit ihren Radargeräten selbst nachts aufgetauchte U-Boote in großer Entfernung aufspüren konnten. Zudem operierten nun die ersten echten Geleitträger im Atlantik. Die Folge: Mitte April gab es keine „schwarzen Löcher“ mehr. Und was noch wichtiger war, in diesem Monat ging in den USA die „Turing Bombe“ in Serie, ein Computer zur schnellen Entschlüsselung der „Enigma M4“. Nun hörten die Alliiertenkommandostellen mit, wenn Dönitz seinen U-Boot-Männern Befehle gab.

Alle diese Maßnahmen besiegelten die Vernichtung der deutschen U-Boot-Waffe im Atlantik. In den ersten Maiwochen verlor Dönitz 33 seiner Boote, viele davon auf dem An- oder Rückmarsch. Am 24. Mai notiert das Kriegstagebuch des Befehlshabers der U-Boote: „In den letzten Tagen sind Verluste eingetreten, die die augenblickliche Krise des U-Boot-Krieges besonders scharf erkennen  lassen und zu entscheidenden Maßnahmen zwingen.“ Dönitz befahl den restlichen U-Booten, den Nordatlantik zu räumen. Der Tonnage-Krieg gegen die alliierten Geleitzüge war entschieden. Trotzdem tönte Goebbels am 5. Juni 1943 im Berliner Sportpalast, dass man die Briten mit der U-Boot-Waffe schlagen würde: „Was immer auch der Feind heute an Neubauten zustande bringt: Unsere Versenkungsziffern kann er damit nicht einholen!“

Obgleich bei der erdrückenden alliierten Überlegenheit zu Luft und zu Wasser chancenlos, schickte Dönitz auch in den beiden letzten Kriegsjahren seine U-Boote weiterhin auf Feindfahrt: „Der U-Boot-Krieg ist mit den vorhandenen Mitteln fortzuführen. Verluste, die zu den augenblicklichen Erfolgen nicht im Verhältnis stehen, müssen in Kauf genommen werden, so bitter sie zu tragen sind.“ Die traurige Bilanz dieser „unverhältnismäßigen“ Kriegsführung im Jahr 1944: 131 alliierte Schiffe wurden versenkt – die deutschen Verluste lagen bei 264 U-Booten. Selbst als wirklich keiner mehr an einen „Endsieg“ glauben konnte, schickte Dönitz seine U-Boot-Männer noch in den Tod. Allein in den letzten Kriegswochen vom 1. April bis zum 7. Mai wurden 100 U-Boote sinnlos verheizt, um eine Handvoll Handelsschiffe zu versenken.

Am 9. Mai ging in Folge eines Wasserbombenangriffs durch ein Flugboot „U 320“ vor der Küste Norwegens unter. Es war das letzte von 782 U-Booten, die in der Atlantikschlacht geopfert wurden. Seine Mannschaft konnte das Boot rechtzeitig verlassen und hatte damit mehr Glück, als die fast 30 000 U-Boot-Fahrer, die den Krieg nicht überlebten.

Klaus Hillingmeier

 

 

 

Zuletzt geändert: 02.06.2015